Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

1978 erschien die Null-Nummer von Bürgerrechte & Polizei/CILIP; das ist nunmehr stolze 18 Jahre her – und wir würden diesen Zeitraum gerne verdoppeln (oder mehr). Das allerdings kann gegenwärtig nicht als gesichert gelten: Nachdem der bisherige Sponsor sein finanzielles Engagement leider zum Jahresende 1994 eingestellt hat, ist das ‚Institut für Bürgerrechte & öf-fentliche Sicherheit e.V.‘ als Herausgeber in arge Schwierigkeiten geraten. Die Mitgliedsbeiträge und Spenden an den Förderverein können die anfallenden Kosten auf Dauer allein nicht tragen. Hinzu kommt, daß die anhaltende Entpolitisierung in der Gesellschaft offenbar auch vor den LeserInnen dieses Informationsdienstes nicht halt macht: Die Auflage sinkt! Langsam zwar, aber stetig. Das vergangene Jahr war somit für Bürgerrechte & Polizei/CILIP eine harte ‚Durststrecke‘, und das weitere Erscheinen über dieses Heft hinaus ist nicht gesichert. Zwar zeigt sich derzeit ein schwacher Silberstreif am Horizont, daß es evtl. in 1996 doch weitergehen könnte, sicher jedoch ist momentan noch nichts. Die nächsten Wochen werden hier in jedem Fall die Entscheidung bringen (müssen) – so oder so! Unsere AbonnentInnen werden es rechtzeitig erfahren.

Zum Schwerpunkt:

Noch 1945, dem Jahr des Zusammenbruchs des deutschen Faschismus, begannen die Amerikaner die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Hitlers einstigem Leiter der Abteilung ‚Fremde Heere Ost‘ im ‚Oberkommando des Heeres‘, Generalleutnant Reinhard Gehlen. Die ‚Organisation Gehlen‘ (1945-55) wurde zur Keimzelle des heutigen deutschen Auslandsgeheimdienstes ‚Bundesnachrichtendienst‘ (seit 1955). Der Inlandsdienst ‚Verfassungsschutz‘ begann sein geheimes Leben Ende 1949 in Nordrhein-Westfalen; 1950 folgte die Errichtung des ‚Bundesamtes für Verfassungsschutz‘ (zunächst als ‚Dienststelle Köln‘) und in den Folgejahren (bis 1957) die der Landesämter, mit denen nach der deutsch-deutschen Vereinigung 1989/90 auch die neuen Bundesländer ‚gesegnet‘ wurden. Die Bundeswehr erhielt ihren eigenen Geheimdienst mit dem ‚Militärischen Abschirmdienst‘ 1956. Auf der anderen Seite des ‚Eisernen Vorhangs‘, der damals quer durch Deutschland verlief, war man ebenso schnell: 1950 begann dort mit dem ‚Ministerium für Staatssicher-heit‘ (MfS), der berüchtigten ‚Stasi‘, das geheimdienstliche Leben. Mit der Neuerrichtung von ‚Geheimdiensten‘, im politischen Sprachgebrauch verharmlosend als ‚geheime Nachrichtendienste‘ bezeichnet, ging es also recht schnell. Schwerer tat man sich mit der Kontrolle dieser Dienste. In der Bundesrepublik trotzten die im Bundestag vertretenen Parteien Bundeskanzler Konrad Adenauer erst 1956 ein sog. ‚Vertrauensmännergremium‘ ab, das sporadisch über ausgewählte Geheimdienstaktivitäten informiert wurde. Aus ihm entwickelten sich, mühsam genug, die heutigen parlamentarischen Kon-trollgremien. (In der DDR war eine Kontrolle außer durch die Staatspartei SED bis zum Schluß nicht vorhanden.)

„‚Freiheit von Furcht‘ ist eine Grundlage demokratischer Existenz (A. Arndt). Gemeint ist insbesondere die Furcht des Bürgers, Objekt politisch motivierter geheimer Ausforschung zu werden“, begann vor zwei Jahren eine Laudatio zum 25jährigen Bestehen der für die Kontrolle geheimer Post- und Telefonüberwachung durch Polizei und ‚Dienste‘ zuständigen ‚G 10-Kommis-sion‘. Doch wie effektiv können Parlamentsgremien, die – mit Ausnahme ei-niger weniger Innenausschüsse – selbst hinter verschlossenen Türen tagen, überhaupt sein? Lassen sich Geheimdienste und die im Prinzip öffentlich agie-rende Polizei (die deshalb nicht weniger eines wachen Auges bedarf) von tendenziell nicht fachkundigen Parlamentariern ‚an die Leine legen‘? Ist ein ‚Parlamentarischer Untersuchungsausschuß‘ tatsächlich „ein ’schweres Ge-schütz‘ parlamentarischer Kontrolltätigkeit“ oder eher „eine Ansammlung wackerer Laienschauspieler“. Bürgerrechte & Polizei/CILIP geht solchen Fragen nach.

Da wegen der eingangs geschilderten Unklarheiten über das weitere Erscheinen von Bürgerrechte & Polizei/CILIP im kommenden Jahr nichts Verbindliches gesagt werden kann, muß die gewohnte Ankündigung des nächsten Schwerpunktes ausbleiben. Themen gäbe es genug. Daran wird es nicht liegen.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Poli-zei/CILIP
Das Parlament v. 26.11.93