Schlagwort-Archive: Staatliches Gewaltmonopol

Militärische Sicherheit innen und außen  – Das „Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr“

Das Weißbuch 2006, die erste übergreifende militärpolitische Ortsbestimmung der Bundesregierung seit 1994, ist eine Propagandaschrift für die Verquickung von Militär und Polizei – für eine nach außen und innen entgrenzte „Einsatzarmee“.[1]

Das Gewaltmonopol des Staates ist kein Monolith. Seine beiden Hauptorgane – das Militär für die außengerichtete Sicherung, die Polizei(en) für die im Innern – waren nie bloße Instrumente, sondern definierten immer schon durch ihre Organisation, ihr Recht, ihre Ausstattung und Bewaffnung, ihre Trennung und ihr Zusammenspiel den staatlichen Sicherungsauftrag mit.

Den Verfassungsstaat der Neuzeit, seine Konstitution und seine rechtsstaatliche Entwicklung kennzeichnete freilich, dass sich das Gewaltmonopol im engeren Sinne, der Apparat unmittelbar einsetzbarer Gewalt, im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts „ausdifferenzierte“. Ausnahmezustand und Norm(alität) traten auseinander. Im Ausnahmezustand gilt nach wie vor: Wenn „der Staat“ in Gefahr gerät, werden alle rechtlichen Vertäuungen gelöst. Im liberaldemokratischen Normalitätsbewusstsein ist der Ausnahmezustand jedoch an den fast nicht mehr bedachten Rand geschoben. Militärische Sicherheit innen und außen  – Das „Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr“ weiterlesen

Polizei und kommunale Prävention – Zwischen Legitimationspflege und vernetzter Repression

von Norbert Pütter

In den 90er Jahren erlebte die Kriminalprävention auf örtlicher Ebene eine ungeahnte Konjunktur. Nach zwei Jahrzehnten der Zentralisierung und Spezialisierung der Polizeien richteten sich die Hoffnungen plötzlich auf die lokalen Zusammenhänge, in denen Kriminalität und Kriminalitätsfurcht sichtbar werden. Welche Rolle der Polizei in dieser Variante der Prävention zukommt oder zukommen sollte, war von Anfang an umstritten.

Die sicherheitspolitische Hinwendung zur Gemeinde war im vergangenen Jahrzehnt keineswegs auf die Prävention beschränkt. Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften wurden gebildet, Kommunale Ordnungsdienste, Sicherheitswachten und Freiwillige Polizeireserven eingerichtet oder zu neuem Leben erweckt, und über den Atlantik schwappte die Vorstellung, dass mit Null-Toleranz die Sicherheitsprobleme in den Städten zu lösen seien. Die ambitionierteste Neuschöpfung der lokalen Sicherheitspolitik waren (und sind) jene Einrichtungen, die unter der Bezeichnung „Kriminalpräventiver Rat“, „Präventionsrat“, „Sicherheitskonferenz“ etc. Kriminalität oder Unsicherheitsgefühlen vorbeugen wollten, indem unterschiedliche Personen, Gruppen und Institutionen mit ihren jeweiligen Ressourcen zusammenwirkten. Polizei und kommunale Prävention – Zwischen Legitimationspflege und vernetzter Repression weiterlesen

Reclaim the Streets – Öffentlicher Raum unter staatlicher Kontrolle

von Heiner Busch und Norbert Pütter

Der öffentliche Raum gehört allen. Nur wenn alle Zugang haben, wenn alle gleich unbehelligt bleiben, ist ein Platz, eine Straße, ein Stadtviertel „öffentlich“. Die Wirklichkeit unserer Städte entfernt sich immer weiter von dieser Idee: Der öffentliche Raum wird mehr denn je zum Kontrollraum der Polizei und ihrer neuen Hilfstruppen.

„Reclaim the streets“, kurz RTS – sich die Straße zurückholen. So heißt eine Mischung aus Straßenkarneval und politischer Aktionsform, die zunächst in Großbritannien erprobt wurde und nun auch auf dem Kontinent Anklang findet: ein ungeregelter tanzender und feiernder Umzug, an dem mitmachen kann, wer Lust dazu hat. Die Teilnehmenden erobern zumindest zeitweise den öffentlichen Raum zurück und protestieren so gegen dessen zunehmende private Aneignung und staatliche Verregelung. Genehmigungen durch die kommunalen oder staatlichen Behörden sind dabei sekundär.

RTS-Aktionen folgen gleichsam einem emphatischen Begriff des öffentlichen Raumes in dem Sinne, dass hier Bewegungs- und Versammlungsfreiheit herrscht und Öffentlichkeit hergestellt wird. Die Botschaft lautet: Der öffentliche Raum gehört allen – im Gegensatz zum privaten „umfriedeten Besitztum“. Reclaim the Streets – Öffentlicher Raum unter staatlicher Kontrolle weiterlesen