Schlagwort-Archive: Innere Sicherheit

Wandlungen und Kontinuitäten: Vier Jahrzehnte Kritik der „Inneren Sicherheit“

„Innere Sicherheit“ zu versprechen, das ist in Deutschland gleichbedeutend mit einem Angriff auf die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Anders als durch den Eingriff in und den Abbau von Grundrechten scheint „Sicherheit“ nicht herstellbar. Je hilfloser die Politik gegenüber gesellschaftlichen Problemen ist, desto intensiver forciert sie den Ausbau des kontrollierend-strafenden Staates. Und desto wichtiger ist bürgerrechtliche Beobachtung als Voraussetzung des Widerstands.

Im März 1978 erschien die „Nummer 0“ von CILIP, dem „news-letter on civil liberties and police development“. Unter der Überschrift „Wozu ein Informationsdienst zur Polizeientwicklung“ wird im Editorial auf die Gefahr hingewiesen, dass – verglichen mit dem Militär – die „Polizei-Entwicklung über Gebühr verharmlost wird“. „Veränderungen der liberalen Demokratie, die durch den Funktionswandel der Polizei und ihre veränderten Instrumente bewirkt werden können oder schon bewirkt worden sind, fallen nicht auf.“ Der Informationsdienst wolle eine „kritische Öffentlichkeit herstellen“, denn „alles, was angesichts beobachtbarer Tendenzen getan werden kann, um rechtsstaatliche Verfahren bezogen auf die Substanz der Grund- und Menschenrechte zu verteidigen bzw. ihre Gefährdung zu dokumentieren, sollte man versuchen.“[1] Wandlungen und Kontinuitäten: Vier Jahrzehnte Kritik der „Inneren Sicherheit“ weiterlesen

Sicherheit, Prävention und Polizei: Der Wandel der Inneren Sicherheit und die Bürgerrechte

von Tobias Singelnstein

Der Bereich der Inneren Sicherheit hat in den vergangenen Jahrzehnten einen kontinuierlichen und grundlegenden Wandel erfahren. Wie wirkt sich das auf die Rolle der Polizei und die Bürgerrechte aus?

Als CILIP 1978 gegründet wurde, war das Feld der Inneren Sicherheit noch vergleichsweise übersichtlich strukturiert und klar gerahmt. Soziale Konflikte und Probleme, Rechtsgutsverletzungen und sonstige Konstellationen, die aus Sicht der Mehrheitsgesellschafts regulierungsbedürftig waren, wurden vor allem durch das Strafrecht bearbeitet. Daneben bestand das Polizeirecht, das damals nur für die Abwehr konkreter Gefahren zuständig war.

Diese Formation sozialer Kontrolle sah sich zur damaligen Zeit einer intensiven Kritik ausgesetzt, die nicht nur von CILIP, sondern auch von der kritischen Kriminologie und zahlreichen Anderen vorgetragen wurde. Im Zentrum dessen stand zum einen das Strafrecht wegen seines selektiven Zugriffs und der damit verbundenen Verdinglichung sozialer Probleme. Zum anderen wurden die Instanzen sozialer Kontrolle und insbesondere die Polizei in den Blick genommen. Sicherheit, Prävention und Polizei: Der Wandel der Inneren Sicherheit und die Bürgerrechte weiterlesen

Law & Order alternativ? Die Politik Innerer Sicherheit der AfD

von Christian Meyer

„Unser Ziel ist ein schlanker, aber starker Staat“, sagt die Alternative für Deutschland in ihrem Grundsatzprogramm.[1] Der starke Bezug der neurechten Partei auf die „innere Sicherheit“ passt sowohl zum autoritären Staatsverständnis im völkischen Denken als auch zu neoliberalen Vorstellungen von Gesellschaft. Er dient zudem als Brücke zu bürgerlichen Kräften – allen voran der CDU.

Die AfD ist Teil eines neurechten Hegemonieprojekts, das jenseits von Unionsparteien und NS-Nostalgie angesiedelt ist. Diese neue Rechte umfasst heute ein breites Spektrum, das von Pegida über die Identitäre Bewegung und Jürgen Elsässers „Compact“-Magazin bis zu Teilen des vor Asyl-Unterkünften tobenden Mobs und nationalen Trollen in den Kommentarspalten der Zeitungen reicht. Die AfD ist nicht nur deren parlamentarischer Ausdruck, sondern Sammelbecken und Knotenpunkt im rechten Netzwerk. Law & Order alternativ? Die Politik Innerer Sicherheit der AfD weiterlesen

Militärische Sicherheit innen und außen  – Das „Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr“

Das Weißbuch 2006, die erste übergreifende militärpolitische Ortsbestimmung der Bundesregierung seit 1994, ist eine Propagandaschrift für die Verquickung von Militär und Polizei – für eine nach außen und innen entgrenzte „Einsatzarmee“.[1]

Das Gewaltmonopol des Staates ist kein Monolith. Seine beiden Hauptorgane – das Militär für die außengerichtete Sicherung, die Polizei(en) für die im Innern – waren nie bloße Instrumente, sondern definierten immer schon durch ihre Organisation, ihr Recht, ihre Ausstattung und Bewaffnung, ihre Trennung und ihr Zusammenspiel den staatlichen Sicherungsauftrag mit.

Den Verfassungsstaat der Neuzeit, seine Konstitution und seine rechtsstaatliche Entwicklung kennzeichnete freilich, dass sich das Gewaltmonopol im engeren Sinne, der Apparat unmittelbar einsetzbarer Gewalt, im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts „ausdifferenzierte“. Ausnahmezustand und Norm(alität) traten auseinander. Im Ausnahmezustand gilt nach wie vor: Wenn „der Staat“ in Gefahr gerät, werden alle rechtlichen Vertäuungen gelöst. Im liberaldemokratischen Normalitätsbewusstsein ist der Ausnahmezustand jedoch an den fast nicht mehr bedachten Rand geschoben. Militärische Sicherheit innen und außen  – Das „Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr“ weiterlesen

TREVI – ein standardbildendes Pilotprojekt?

von Otto Diederichs

Als sich 1985 die Benelux-Staaten, Frankreich und die Bundesrepublik im Schengener Abkommen auf die angestrebte Öffnung ihrer Binnengrenzen einigten, hatten die daraus resultierenden sicherheitspolitischen Planungen bereits einen rund zehnjährigen Vorlauf.

Als der britische Premierminister Harold Wilson dem Europäischen Rat auf dessen Tagung im Dezember 1975 vorschlug, ein regelmäßig tagendes Gremium der Innen- und Justizminister der Gemeinschaft für Fragen der Inneren Sicherheit und Öffentlichen Ordnung einzurichten, konnte er sich der Zustimmung ziemlich sicher sein. TREVI – ein standardbildendes Pilotprojekt? weiterlesen