Archiv der Kategorie: CILIP 095

(1/2010) Gewalt gegen/durch Polizei

Chronologie

zusammengestellt von Jan Wörlein

Januar 2010

07.01.: Oury-Jalloh-Prozess wird neu aufgerollt: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Urteil des Landgerichts (LG) Dessau auf, das im De­zember 2008 zwei Polizisten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen hatte. Das LG Magdeburg muss den Fall des im Polizeigewahrsam verbrannten Oury Jalloh neu verhandeln. (Az.: 4 StR 413/09)

Todesschuss-Fall Eisenberg: Nachdem die Regensburger Staatsanwaltschaft im Dezember das Ermittlungsverfahren gegen die zwei Polizisten, die im April 2009 den Studenten Tennessee Eisenberg erschossen, eingestellt hat, erhebt dessen Familie Beschwerde beim Generalstaatsanwalt in Nürnberg. Am 26. März wird sie abgewiesen. Chronologie weiterlesen

Summaries

Theme: Violence against/by the police

Police and violence – victims and perpetrators
by Norbert Pütter
Police trade unions and politicians of the conservative-liberal coalition are proposing more stringent criminal laws to counter an alleged increase in violence against police officers, which they are trying to prove by falsely interpreting police crime statistics. The increasing cases of „resisting a police officer in the execution of his duty“ only show non-violent forms of resistance whilst the assaults against officers are usually classified as inflicting bodily harm, and within this category they are not further specified by numbers. Furthermore, charges lodged by police on grounds of „resistance“ are commonly used to deter complaints against police violence. Unless violence against the police is linked to the demand for a less violent police force and society as a whole, neither the police nor citizens are served. Summaries weiterlesen

Der Zoll – Mehr als nur eine Verwaltungsbehörde

von Otto Diederichs

Im großen Orchester der Sicherheitsbehörden wird der Zoll gern übersehen. Vermutlich liegt dies darin begründet, dass er nicht dem Innen-, sondern dem Bundesfinanzministerium untersteht – und dieses macht gemeinhin andere Schlagzeilen. Doch die Unaufmerksamkeit besteht zu Unrecht.

Im Januar dieses Jahres berichtete der „Spiegel“ von Überlegungen, die Vollzugsbereiche der Zollverwaltung mit der Polizei zu verschmelzen. Umgehend dementierte das Finanzministerium dies als „Unsinn“.[1] Eine solche Fusion ist indes auch gar nicht notwendig, denn der Zoll verfügt nicht nur über eine Verwaltungs-, sondern auch über eine polizei-ähnliche Aufgabe mit weitreichenden Befugnissen. Der Zoll – Mehr als nur eine Verwaltungsbehörde weiterlesen

Polizisten vor Gericht – Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt

von Tobias Singelnstein

Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt (§ 340 Strafgesetzbuch) genießen einen zweifelhaften Ruf. Sie dauern in der Regel nicht besonders lange und enden fast nie mit einer Verurteilung. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Im Jahr 2008 wurden ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in Deutschland 2.314 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet (2004: 2.113; 2000: 2.141).[1] Man kann davon ausgehen, dass sich die ganz überwiegende Mehrzahl dieser Verfahren gegen Polizisten gerichtet hat.[2] Hingegen wurden im gleichen Zeitraum nur 94 Verfahren wegen des gleichen Delikts vor einem Strafgericht verhandelt.[3] Zwar lassen sich beide Zahlen nicht unmittelbar zueinander ins Verhältnis setzen, da eingeleitete Strafverfahren nicht unbedingt im gleichen Jahr noch bis zum Gericht gelangen. Aber die Differenz zwischen beiden macht deutlich, dass der Großteil der Verfahren auf dem Weg von der Anzeigeerstattung zum Gericht verloren geht – weil sie von den Staatsanwaltschaften mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt werden.[4] Polizisten vor Gericht – Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt weiterlesen

Lechts und Rinks – Der Verfassungsschutz und die „linke Gewalt in Berlin“

von Fabian Kunow und Oliver Schneider

Eine Studie des Berliner Verfassungsschutzes zeigt die Fokusverschiebung der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den „Extremismus“.

Der Berliner Innensenat ließ sich nicht lumpen, als er am 11. November 2009 die Verfassungsschutz-Broschüre „Linke Gewalt in Berlin (2003-2008)“ vorstellte.[1] Anders als sonst bei Neuveröffentlichungen üblich fand die Veranstaltung, ein Fachsymposium, nicht in den eigenen Räumen, sondern im Kinosaal des „Deutschen Historischen Museums Unter den Linden“ statt. Gäste waren PolizistInnen, VerfassungsschützerInnen, PolitikerInnen und behördentreue JournalistInnen. Vorangegangen war eine wochenlange Berichterstattung über eine angeblich ausufernde Gewalt von Links sowie eine Kampagne der Opposition, die im Feuerschein brennender Autos ein Thema erblickte, um gegen den Rot-Roten Senat punkten zu können.

Vorbild für die Studie über „linke Gewalt“ ist eine über „rechte Gewalt in Berlin“, deren zwei Teile 2005 und 2007 in der gleichen Reihe des Berliner Verfassungsschutzes erschienen sind. Die Fragestellung ist bei beiden identisch: Welches Ausmaß und welchen Charakter hat linke bzw. rechte Gewalt in der Hauptstadt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen linker bzw. rechter Gewalt und Links- bzw. Rechtsextremismus? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten weisen die Phänomenologie linker und rechter Gewalt auf? Lechts und Rinks – Der Verfassungsschutz und die „linke Gewalt in Berlin“ weiterlesen

Redaktionsmitteilung

„Vor vielen Jahren schützte die Uniform den Polizeibeamten, denn sie verlieh Autorität und stellte so klar, wer das Sagen hat, auf der Straße, in jedem Einsatz.“ So steht es auf der Homepage der Gewerkschaft der Polizei, in einem Text, mit dem ihr Bundesvorstand seine „Anti-Gewalt-Kampagne“ vorstellt. Heute müssten PolizeibeamtInnen besonders in Ballungsgebieten an fast jedem Wochenende „ihre Haut zu Markte tragen“. Die GdP, die – vor vielen Jahren – für eine Demokratisierung der Polizei nach innen und außen angetreten ist, wünscht sich nun die Wiederkehr der alten Zeiten: „Der Uniform und allem was dahinter steht … muss zu jeder Zeit Geltung verschafft werden.“

Die Empörung über die angebliche Zunahme von Angriffen auf PolizistInnen gehört derzeit zu den Mantras von InnenpolitikerInnen und polizeilichen Standesorganisationen. Trotz der markigen Worte sind die Belege allerdings reichlich dünn. Dass die Innenministerien bis heute nicht willens sind, aussagefähige Statistiken über Verletzungen im Polizeidienst vorzulegen, ist ein deutliches Indiz dafür, dass sie das Berufsrisiko ihrer BeamtInnen nur dann interessiert, wenn sich daraus politischer Schaum schlagen lässt. Die Zahlen über im Dienst getötete PolizistInnen zeigen jedenfalls, dass der Polizeiberuf nach wie vor sehr sicher ist. Der Verdacht, dass es hier vor allem darum geht, Respekt vor der staatlichen Autorität einzufordern, drängt sich nicht nur angesichts jener Sätze auf, mit der die GdP der Uniform wieder Geltung verschaffen will. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Fall El-Sherbini: Üble Nachrede gegen Meinungsfreiheit

Nachdem die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer vom Erlanger Amtsgericht am 24. März 2010 vom Vorwurf der üblen Nachrede gegen einen Polizisten freigesprochen wurde,[1] hat nun die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Schiffer hatte nach dem Mord in einem Dresdner Gerichtssaal an der Ägypterin Marwa El-Sherbini in einem Radio­in­ter­view Vermutungen darüber geäußert, warum der Bundespolizist G. bei der Messerattacke nicht auf den Angreifer, sondern auf El-Sherbinis Ehe­mann geschossen hatte. Fall El-Sherbini: Üble Nachrede gegen Meinungsfreiheit weiterlesen

Plausch im Grenzhäuschen

Neun Monate nach den Protesten gegen den NATO-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden hat das Bundesinnenministerium (BMI) im Februar einen abschließenden Bericht vorgelegt.[1] Demnach oblag etwa dem Bundesamt für Verfassungsschutz zusammen mit seinem französischen Pendant die Leitung einer von der NATO eingerichteten „International Intelligence Cell“. Die konspirative Zelle aus 17 ausländischen Diensten fertigte Lagebilder und Risikoanalysen an. Auf deutscher Seite hatte das Bundeskriminalamt (BKA) ferner eine internationale „Zentralstelle Großveranstaltung“ zum Austausch „polizeilich relevanter Informatio­nen“ eingerichtet. Plausch im Grenzhäuschen weiterlesen