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Digitale Festungen und Roboterhunde: Technologische Gewalt an den Grenzen der EU und USA

von Petra Molnar[1]

Legitimiert durch die Verbindung von Migration und Sicherheitsgefahren im Innern werden zur Abwehr unerwünschter Einwanderung weltweit fortgeschrittene Technologien eingesetzt. Am Beispiel der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union (EU) zeigt sich, dass die technologische Aufrüstung der physischen Außengrenzen begleitet wird von der Vorverlagerung der Kontrollen in andere Länder. Da­durch werden autoritäre Regime unterstützt und Überwachungstechnologien exportiert, so dass die Ursachen für Flucht verschärft und zugleich Fluchtchancen und -bedingungen verschlechtert werden.

 „Heute schlägt die EU ein neues Kapitel in der Migrationsfrage auf … Diese Einrichtung spiegelt unsere Werte und unsere europäische Lebensweise wider“, sagte Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für die „Förderung der europäischen Lebensweise“, bei der Eröffnung eines Hightech-Flüchtlingslagers auf Kos, seiner griechischen Heimatinsel. Meine Kolleg*innen und ich nahmen an der offiziellen Eröffnung teil und hörten diese Worte aus erster Hand. Die Prioritäten der EU sind klar, und ihre Sprache ist wohlüberlegt: „Die Flüchtlingsströme erheblich reduzieren“, die Menschen „aus dem städtischen Leben fernhalten“ und deutlich machen, dass „wir es uns selbst, unseren Kindern und den künftigen Generationen schuldig sind, unsere Inseln vor Überbelastung und bekannten Gefahren zu schützen“.[2] Eingebettet in die sanften Hügel in der Nähe des Dorfes Pili, unweit eines Salzsees mit Flamingos, ist das neue Flüchtlingslager auf Kos umgeben von Stacheldrahtzäunen, Ein- und Ausgangsdrehkreuzen, Lautsprechern und Kameras. Ergänzt wird das Lager durch ein von der EU finanziertes Pilotprojekt namens ROBORDER, welches das Ziel verfolgt, ein „voll funktionsfähiges autonomes Grenzüberwachungssystem mit unbemannten mobilen Robotern“ zur Kontrolle der Gewässer vor der türkischen Küste zu entwickeln.[3] Digitale Festungen und Roboterhunde: Technologische Gewalt an den Grenzen der EU und USA weiterlesen

Polizeischüsse in Europa: Versuch eines Vergleichs

von Otto Diederichs

Wer das staatliche Gewaltmonopol preist, der legitimiert auch die staatliche Gewaltanwendung. Das Töten von Menschen im Polizeidienst stellt die extremste Form dieser Gewaltanwendung dar. Demokratien unterscheiden sich erheblich darin, wie häufig PolizistInnen töten und wie die Staaten damit umgehen.

Dass bei US-amerikanischen PolizistInnen die Waffen recht locker sitzen, ist kein Geheimnis. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, weshalb es an einer systematischen Erfassung des polizeilichen Schusswaffengebrauchs fehlt und man auf Pressemeldungen zurückgreifen muss. Nach einer Erhebung der Washington Post töteten US-PolizistIn­nen 2015 bereits in den ersten fünf Monaten 385 Menschen.  Im gesamten Jahr sollen es 1.172 gewesen sein.[1] Für das erste Dreivierteljahr 2016 wird eine Zahl von 706 angegeben.[2]

Eine kleine Erhebung[3] für die Jahre 2014 bis 2016 zeigt, dass die europäischen Polizeien – trotz deutlicher nationaler Unterschiede – an solch hohe Zahlen nicht herankommen. Polizeischüsse in Europa: Versuch eines Vergleichs weiterlesen