Schlagwort-Archive: Prävention

Soziale Kontrolle durch die Polizei: Wofür sollte die Polizei (nicht) zuständig sein?

von Jan Fährmann

Die Polizei erhält in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen die Aufgabe, soziale Kontrolle auszuüben. Dabei werden negative Wirkungen ihres Einsatzes oft nicht ausreichend beachtet, und es fehlt vielfach eine Analyse, ob die Zuständigkeit der Polizei im konkreten Einzelfall sinnvoll ist.

Seit sich Menschen in größeren Gesellschaften zusammengeschlossen haben, bildet der Schutz ihrer Subjekte, für die heute in Teilen die Polizei zuständig ist, eine Herausforderung. Allerdings gab es nicht immer eine Polizei. So bestand bis in das Mittelalter hinein ein „Pri­vatstraf­recht“, das vordergründig auf den Ausgleich von Schäden und Buße in Form von Zahlungen ausgerichtet war.[1] Die Polizei ist eine neuere Erscheinung. Sie entstand aus gesellschaftlich komplexen Verhältnissen – wie etwa einer verstärkten Arbeitsteilung. Wofür die Polizei zuständig ist und wie sich Polizeibehörden entwickelt haben, ist also historisch bedingt und unterliegt einem steten Wandel, der sich auch heute noch fortsetzt. Im 18. Jahrhundert waren bspw. die Aufgaben der Polizei eher stadt- und ordnungsbezogen und umfassten die Marktregulierung, Reinhaltung der Straßen, Bauaufsicht, Feuerschutz und Einhaltung der sogenannten guten Sitten.[2] Dieser Beitrag legt dar, dass die Zuständigkeiten der Polizei diskussionswürdig sind und die stetige Ausweitung der polizeilichen Befugnisse problematisch ist. Es werden zudem Kriterien bestimmt, wie die Legitimität ihrer Zuständigkeit überprüft werden kann. Soziale Kontrolle durch die Polizei: Wofür sollte die Polizei (nicht) zuständig sein? weiterlesen

Sicherheit, Prävention und Polizei: Der Wandel der Inneren Sicherheit und die Bürgerrechte

von Tobias Singelnstein

Der Bereich der Inneren Sicherheit hat in den vergangenen Jahrzehnten einen kontinuierlichen und grundlegenden Wandel erfahren. Wie wirkt sich das auf die Rolle der Polizei und die Bürgerrechte aus?

Als CILIP 1978 gegründet wurde, war das Feld der Inneren Sicherheit noch vergleichsweise übersichtlich strukturiert und klar gerahmt. Soziale Konflikte und Probleme, Rechtsgutsverletzungen und sonstige Konstellationen, die aus Sicht der Mehrheitsgesellschafts regulierungsbedürftig waren, wurden vor allem durch das Strafrecht bearbeitet. Daneben bestand das Polizeirecht, das damals nur für die Abwehr konkreter Gefahren zuständig war.

Diese Formation sozialer Kontrolle sah sich zur damaligen Zeit einer intensiven Kritik ausgesetzt, die nicht nur von CILIP, sondern auch von der kritischen Kriminologie und zahlreichen Anderen vorgetragen wurde. Im Zentrum dessen stand zum einen das Strafrecht wegen seines selektiven Zugriffs und der damit verbundenen Verdinglichung sozialer Probleme. Zum anderen wurden die Instanzen sozialer Kontrolle und insbesondere die Polizei in den Blick genommen. Sicherheit, Prävention und Polizei: Der Wandel der Inneren Sicherheit und die Bürgerrechte weiterlesen

Muslim, which side are you on? Prävention als Regulierungsmechanismus

von Sindyan Qasem

Wie kann Herausforderungen einer scheinbar zunehmenden Bedrohung durch islamistisch begründeten Extremismus begegnet werden? Präventionsarbeit gilt neben der polizeilichen Repression gegen vermeintliche „Gefährder“ als wichtige Maßnahme. Die Rolle der Sicherheitsorgane in dieser Arbeit, aber auch grundsätzlicher die Eigenschaft dieser Art von Prävention als Regierungspraxis wird wenig in Frage gestellt.

‚Islamismus‘ als Extremismus ist erst in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus von Präventionsmaßnahmen gerückt. Trotzdem und vor allem aufgrund einer tatsächlich existierenden Gefahrenlage einerseits und einer gesamtgesellschaftlich stark alarmistischen Grundstimmung in Bezug auf Islam in Deutschland andererseits liegen schon einzelne Expertisen vor, mit dem Anspruch, die schnell wachsende und zum Teil aktionistisch geförderte Präventionslandschaft im Kontext islamistischer Radikalisierungsprozesse zu überblicken, zu kategorisieren und Problemfelder zu benennen. Muslim, which side are you on? Prävention als Regulierungsmechanismus weiterlesen

Tatbestand Jugend. Zur Durchpolizeilichung deutscher Schulen

von Volker Eick

Die polizeiliche Durchdringung von Bildungsanstalten ist kein neues Phänomen und entsprechende Vorstellungen von Kriminalpräven­tion sowie deren praktische Anwendung reichen bis ins 18. Jahr­hundert zurück. Auch wenn der vielstimmige Chor aus pragmati­scher Sozialwissenschaft und sozialarbeiterisch-polizeilicher Praxis in ihr ein Produkt des 20. Jahrhunderts erkennen mag, neu sind allenfalls damit verbundene Pazifizierungshoffnungen.

Deutsche Polizeien werden repressiv aufgrund der ihnen nach der Strafprozessordnung zugewiesenen Aufgabe der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten tätig (v.a. nach § 163 Strafprozessordnung und den Ordnungswidrigkeitsgesetzen). Präventiv handeln sie zu deren Verhütung nach den Polizeigesetzen. Beide Tätigkeiten setzen jeweils „Angeschuldigte“ bzw. „StörerInnen“ sowie einen hinreichenden Tatverdacht oder eine „konkrete Gefahr“ voraus.[1] Das ist bei polizeilichen gewaltpräventiven Maßnahmen an Schulen regelmäßig nicht der Fall. Tatbestand Jugend. Zur Durchpolizeilichung deutscher Schulen weiterlesen

Vom „OB?“ zum „WIE?“. 20 Jahre zwischen Jugendhilfe und Polizei

von Konstanze Fritsch

Die „Clearingstelle – Netzwerke zur Prävention von Kinder- und Jugenddelinquenz“ ist ein von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft finanziertes Projekt, das bereits seit 1994 an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Polizei arbeitet.

Die originäre Aufgabe der Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei bei ihrer Gründung war es, zwischen den MitarbeiterInnen der Jugendhilfe und der Polizei den Dialog anzuregen und zu institutionalisieren.[1] Dadurch sollte erreicht werden, dass Aktivitäten und Ansätze der Jugendhilfe im schwierigen Arbeitsfeld mit devianten Jugendlichen nicht durch polizeiliche Maßnahmen konterkariert wurden und beide Berufsgruppen effektive Strategien der Gewaltprävention entwickeln konnten. Die sich verändernden strukturellen Bedingungen in der Präventionslandschaft und eine verstärkte Kooperationsbereitschaft der Akteure führte zu einer Erweiterung der Zielgruppen, so dass neben der Polizei seit Beginn der 2000er Jahre auch Schule und Justiz vermehrt eine Rolle in der Projektarbeit spielen. Wegen dieser Erweiterungen wurde 2012 aus der Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei die „Clearingstelle – Netzwerke zur Prävention von Kinder- und Jugenddelinquenz“. Der folgende Text konzentriert sich auf die Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Polizei.[2] Vom „OB?“ zum „WIE?“. 20 Jahre zwischen Jugendhilfe und Polizei weiterlesen