Bereits im Mai hatte der „Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter“ (Velspol) darauf hingewiesen, dass Daten über Homosexuelle in einigen Polizeidateien erfasst werden.[1] Nach den Angaben von Velspol verwenden die Polizeien Bayerns, Nordrhein-Westfalens und Thüringens das von der bayerischen Polizei entwickelte Vorgangs- und Verwaltungsprogramm IGVP sowie das Schreibprogramm PVP, in denen Verkehrsunfälle, Anzeigen und Meldungen erfasst und die Datensätze von Tätern, Geschädigten, Zeugen oder auch zufällig anwesenden Personen eingegeben werden. Der von IGVP angebotene Katalog zur Beschreibung von Tatorten bietet u.a. die Schlüsselnummern 900 („Aufenthalt von Dirnen“), 902 („Strichplatz“) und 901 („Aufenthalt von Homosexuellen“). Gleichzeitig kann Personen im Schreibprogramm die Kategorie „homosexuell“ zugeordnet werden. Über die Eingabe des Suchbegriffs *omosex* erlauben die Systeme alle entsprechenden Datensätze, einschließlich aller personenbezogenen Daten abzurufen. Es ist offenkundig, dass auf diesem Umweg erneut polizeiliche Homosexuellen-Dateien („Rosa-Listen“) erstellt werden können.
Die Rechtfertigungen für die Speicheroptionen lauteten unterschiedlich: In NRW wurde darauf verwiesen, dass das Programm noch alten Kategorien polizeilicher Arbeit folge (bis 1994 existierte der „Schwulenparagraf“ 175 Strafgesetzbuch) und das Problem bisher niemandem aufgefallen sei. In Thüringen wurde auf die polizeiliche Relevanz der Kategorie hingewiesen, die die Suche nach Serientätern erleichtern soll. Und in Bayern wurde der Opferschutz ins Feld geführt. Nach der Publikation von Velspol wurde der Code 901 für Eingabe und Recherche in Bayern und Nordrhein-Westfalen umgehend gesperrt. Thüringen folgte erst, nachdem das Thema die breite Öffentlichkeit erreicht hatte.[2] Die Zuordnung von Homosexualität als Tätermerkmal bleibt in den Ländern jedoch weiterhin möglich.
In Thüringen wurde nach Angaben des Innenministeriums der Schlüssel 901 in keinem Fall vergeben; nur eine Person sei mit dem Merkmal „homosexuell“ gespeichert worden. Laut Bayerns Innenminister Beckstein war seit 1983 in 126 Fällen der Code 901 eingegeben worden. Aus Nordhein-Westfalen wurde der Umfang der Speicherungen nicht bekannt. Mittlerweile, so die drei Innenministerien, sind alle 901-Speicherungen gelöscht.
(Norbert Pütter)