von Heiner Busch
Warum ist die Redaktion dieser Zeitschrift nicht schon vor – sagen wir – zwanzig Jahren auf die Idee gekommen, ein Schwerpunktheft zur „Kontrolle des öffentlichen Raumes“ zu produzieren? Die Antwort auf diese Frage ist einfach. Man muss sich nur überlegen, welche Themen für ein solches hypothetisches Schwerpunktheft in Frage gekommen wären. Das wären im Wesentlichen zwei gewesen, die im vorliegenden Heft fehlen:
Erstens hätte man auf das Agieren der Polizei gegen die klassische Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes eingehen müssen, den „Aufzug unter freiem Himmel“. Demonstrationen und politischer Protest waren in den 80er Jahren ein ständiges Thema in Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Dafür sorgten einerseits die sozialen Bewegungen und ihre neuen Aktionsformen, die eben gerade nicht mehr dem polizeilichen Bild des „Aufzugs unter freiem Himmel“ entsprachen. Zum andern wandelten sich auch das polizeiliche Vorgehen und seine rechtlichen Grundlagen. Stichworte: neue Einsatzformen der Bereitschaftspolizeien und Sondereinheiten, neue „nicht-tödliche“ Waffen, Vorkontrollen, Unterbindungsgewahrsam, Video- und Fotoaufnahmen, Vermummungsverbot und andere Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Völlig selbstverständlich war dabei, dass dieser Protest im öffentlichen Raum stattfand und stattfindet. Wo auch sonst?
Zweitens hätten wir uns mit der alltäglichen Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum auseinandersetzen müssen. In der polizeilichen Organisationsreform der 70er Jahre waren die kleinräumigen Reviere aufgelöst worden. Der zentralisierte Apparat war fortan vorzugsweise durch motorisierte Streifen präsent. Die Polizei wurde dadurch einerseits schnell mobilisierbar, zumal auch die Telefondichte auf Seiten der Bevölkerung zugenommen hatte. Auf der anderen Seite verlor die Polizei den Kontakt zu ihrem Quartier und dadurch auch Informationen. Auszugleichen versuchte sie diesen Mangel durch den Aufbau eines Kontaktbereichsdienstes.
Sowohl der alltägliche Streifendienst als auch der „große Sicherheits- und Ordnungsdienst“ bei Demonstrationen waren zwar Themen in Bürgerrechte & Polizei/CILIP, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der „Kontrolle des öffentlichen Raumes“.
Aus der politischen Frage, wem der öffentliche Raum gehört und wie er zu nutzen sei, wurde in den 90er Jahren eine Frage der Ordnung. Die ideologisch aufgeladene Debatte um „Kriminalprävention“ bescherte auch die „Ordnungskräfte“ mit einem neuen alltäglichen Auftrag. Dafür gibt es drei Gründe: erstens die zunehmende Privatisierung des öffentlichen bzw. öffentlich zugänglichen Raumes, zweitens die ökonomische Krise, die mehr Menschen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße befördert, und drittens die Befürchtung, dass das Sicherheitsgefühl und die am wohlanständigen Konsum orientierte Ordnung der Städte durch diejenigen gestört werden könnte, deren Lebensraum die Straße ist. Die Polizei erweist sich dabei immer öfter als Ausführungsorgan einer City-Pflege, die vor allem privaten Geschäftsinteressen dient. Und sie erhält dabei neue mehr oder minder private Hilfstruppen.
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In der letzten Ausgabe dieses Jahres wird sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP einmal mehr dem Recht der Polizei und der Geheimdienste widmen. Dabei wird es unter anderem um die Frage gehen, welche Chancen aus den jüngsten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts resultieren.
Heiner Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei/CILIP
Am 27. Mai 2005 wurde im Rahmen einer Veranstaltung der Holtfort-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung der diesjährige Werner-Holtfort-Preis an die CILIP-Redaktion verliehen. Das Preisgeld in Höhe von 7.500 Euro ermöglicht uns, unsere Arbeit fortzusetzen. Dennoch sind wir weiterhin auf finanzielle Hilfe angewiesen. Unterstützen kann man CILIP auch durch den Beitritt zum Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V. Spenden und Mitgliedsbeiträge an den Verein sind steuerlich abzugsfähig. Weitere Informationen unter www.cilip.de.
Eine Dokumentation der Laudatio, der Dankesrede der Preisträger und der weiteren Vorträge finden Sie hier.