Polizeiproblem 7/2025

Tod durch Polizeischüsse

1.Juli: Ein Polizist hat in Stuttgart-Ost einen 18-Jährigen erschossen. Vorausgegangen sei ein Einsatz wegen einer gewaltsamen Auseinandersetzung in einer Gaststätte, heißt es in einer Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Nach bisherigem Ermittlungsstand habe der 18-Jährige einen 29-Jährigen mit einem scharfen Gegenstand schwer am Hals verletzt und sei daraufhin geflüchtet. Kurz darauf wurde der Verdächtige in Tatortnähe in einem Hinterhof von einem Polizeibeamten gestellt. „Im weiteren Verlauf“ gab dieser der Mitteilung zufolge einen Schuss ab, der den Mann im Oberkörper traf. Trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen starb das Opfer am Einsatzort. Der schwer verletzte 29-Jährige wurde von Rettungskräften in ein Krankenhaus gebracht.

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

1. Juli: Seit Oktober 2022 ermittelt die Ombudsstelle des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) Berlin im Fall eines rassistischen Polizeieinsatzes in Alt-Hohenschönhausen. Der Vorfall ereignete sich im September 2022, als ein Polizeibeamter einer syrischen Familie in ihrer Wohnung gegenüber sagte: „Das ist mein Land, Du bist hier Gast“ und sie mit „Halt die Fresse… ich bringe Dich ins Gefängnis“ beleidigte. Trotz öffentlicher Empörung und einer Anklage erkannte das Amtsgericht Tiergarten den rassistischen Gehalt der Aussagen nicht an. Das Strafverfahren wurde im Mai 2025 gegen eine Geldauflage von 500 Euro an die Familie eingestellt, ohne dass sich der Beamte entschuldigte. Ein Disziplinarverfahren ist noch offen. Die LADG-Ombudsstelle prüft weiterhin, ob das Verhalten der Polizei gegen Antidiskriminierungsrecht verstößt. Die betroffene Familie wartet seit fast drei Jahren auf Konsequenzen. Der Senat betont, dass Fortbildungen zu Antidiskriminierung für Richter und Polizei freiwillig bleiben.

7. Juli: Drei Berliner Polizisten stehen im Verdacht, bei Verkehrskontrollen Bargeld kassiert zu haben, ohne eine Quittung auszustellen. Seit April 2025 sollen sie Autofahrern auf diese Weise Geld abgenommen haben, wie die Polizei mitteilte. Die Wohnungen der Beamten wurden durchsucht, die Ermittlungen laufen wegen des Verdachts auf schweren Bandendiebstahl. Die Polizei bittet nun um Hinweise von Betroffenen oder Zeugen – über ein eigens eingerichtetes Hinweisportal.

Urteile gegen Polizist*innen:

1. Juli: Das Verwaltungsgericht Greifswald hat entschieden, dass das Vorgehen von Polizeibeamten Anfang 2024, eine damals 16-jährige Schülerin aus dem Unterricht zu holen und eine Gefährderansprache im Sekretariat durchzuführen, rechtswidrig war. Hintergrund war eine anonyme E-Mail an die Schulleitung, in der die Schülerin beschuldigt wurde, „staatsschutzrelevante Inhalte“ auf ihrem TikTok-Account geteilt zu haben. Daraufhin ließ der Schulleiter die Jugendliche aus dem Unterricht holen, während die Polizei wartete. Das Gericht stellte fest, dass mildere Maßnahmen möglich gewesen wären und die unmittelbare Herausnahme aus dem Unterricht in Begleitung von Polizist*innen vor anderen Schüler*innn nicht gerechtfertigt war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

3. Juli: Die Verurteilung einer Leipziger Polizistin im „Fahrradgate“-Skandal ist rechtskräftig: Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft weitgehend verworfen und damit das Urteil des Landgerichts Leipzig bestätigt, das die Beamtin wegen Bestechlichkeit, Untreue und Verwahrungsbruchs im Amt zu einer Geldstrafe von 17.100 Euro (380 Tagessätze à 45 Euro) verurteilt hatte. Zwischen 2014 und 2018 hatte sie in 72 Fällen sichergestellte, nicht abgeholte Fahrräder aus der überfüllten Asservatenstelle gegen Zahlung von meist 50 Euro an Kolleg*innen und Bekannte abgegeben, teils gegen Spendennachweise, wobei das Geld in ihre eigene Tasche oder an den Kleingartenverein ihres Vaters floss – obwohl die Räder laut Anweisung entweder hätten verschrottet oder an gemeinnützige Organisationen gespendet werden müssen. Ermittlungen gegen rund 200 mutmaßliche Abnehmer*innen, darunter Justiz- und Polizeibedienstete, wurden eingestellt. Der BGH sah bis auf eine verjährte Tat keinen Rechtsfehler und bestätigte das Urteil im Wesentlichen.

14. Juli: Ein früherer Polizist der Berliner „Alex-Wache“ ist wegen Körperverletzung im Amt und Nötigung zu elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sah es als erwiesen an, dass der 37-Jährige im Juli 2021 einen 21-jährigen Mann in der Wache grundlos mehrfach mit der Faust geschlagen hatte. Drei mitangeklagte Kollegen wurden freigesprochen. Der Hauptangeklagte hat den Polizeidienst bereits verlassen. Das Urteil folgt im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, ist aber noch nicht rechtskräftig.

15. Juli: Im Mai 2025 verurteilte das Amtsgericht Darmstadt einen Polizisten der Chatgruppe „Die Phalanx“ wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 7200 Euro, ein weiterer erhielt eine Verwarnung mit Strafvorbehalt. In der privaten Chatgruppe, die von sechs Einsatztrainer*innen des Polizeipräsidiums Südhessen genutzt wurde, hatten sich die Beamt*innen über Monate hinweg in vulgärer Sprache über ihre Kollegen ausgelassen – sie bezeichneten sie unter anderem als „Arschkrampen“, „Hackfressen“ oder „fettes widerwärtiges Fettschwein“. Die Gruppe war 2019 aus Frust über das schlechte Betriebsklima in der Ausbildungseinheit gegründet worden. Als Teile der Nachrichten 2021 bekannt wurden, leitete die Staatsanwaltschaft umfassende Ermittlungen ein, es kam zu Hausdurchsuchungen, Handy-Auswertungen und Disziplinarmaßnahmen. Die gesamte Einheit wurde aufgelöst, mehrere Beamte versetzt oder mit Geldbußen belegt.

Polizist*innen gegen das Recht:

2. Juli: Eine Person in Hamburg wird unsanft von Polizist*innen geweckt, die mit einem Durchsuchungsbeschluss vor seiner Tür stehen – wegen eines zwei Jahre alten Posts auf X, in dem er ein Foto eines Banners mit brennendem Polizeiauto und dem Spruch „Advent, Advent, die Wanne brennt“ kommentierte. Obwohl Klinkhart das Bild längst gelöscht und seinen Account aufgegeben hatte, sieht ein Gericht darin einen möglichen Aufruf zu Straftaten – unter anderem wegen des kleinen Kürzels „ACAT“ auf dem gemalten Fahrzeug. Die Polizei beschlagnahmt sein entsperrtes Smartphone – sein digitaler Schlüssel zum Alltag. Damit verliert der herzkranke Bürgergeldempfänger nicht nur seine Kommunikationsmittel, sondern auch den Zugang zu Bank, Behörden und Nahverkehr. Klinkhart fühlt sich digital entmündigt und hofft nun, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird.

Anklage gegen Polizist*innen:

7. Juni: Am Berliner Landgericht wird derzeit der Fall eines mutmaßlichen Polizeigewalt-Einsatzes aus dem Juli 2021 verhandelt: Der damalige Polizist Abdullah I. soll in der Wache am Alexanderplatz einen 21-jährigen Mann grundlos brutal ins Gesicht geschlagen haben, woraufhin dieser das Bewusstsein verlor. Drei Ex-Kollegen, die laut Anklage die Tat mitbekamen, werden beschuldigt, nicht eingeschritten und die Vorfälle vertuscht zu haben. Während Abdullah I. unter anderem wegen Körperverletzung und Nötigung angeklagt ist, müssen sich die anderen wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Verfolgung Unschuldiger verantworten. Vor Gericht gaben sie sich erschüttert, wiesen aber jede Schuld von sich. Der Hauptangeklagte war bereits 2022 wegen anderer Delikte verurteilt worden. Warum eine interne Anzeige gegen ihn damals offenbar nicht weiterverfolgt wurde, ist ebenfalls Gegenstand des Prozesses.

17. Juli: Nach dem Tod des 23-jährigen Ibrahima Barry bei einem Polizeieinsatz in Mülheim an der Ruhr hat die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen neun Polizist*innen erhoben. Fünf Männer und vier Frauen wird gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Die Beamten sollen Barry bei seiner Festnahme am 6. Januar 2024 auf eine lebensgefährliche Weise fixiert haben – mit Handfesseln und Kabelbindern, die miteinander verbunden wurden. Laut Anklage war ihnen die potenzielle Lebensgefahr dieser Methode bewusst. Der ursprüngliche Verdacht der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge wurde fallen gelassen – die Staatsanwaltschaft sieht keine eindeutige Kausalität zum Tod, der durch einen Herzinfarkt in Kombination mit Erregungszustand, Drogenkonsum und Vorerkrankung eingetreten sein soll. Der Einsatz eines Tasers durch die Polizei spielt in der Anklage keine Rolle mehr. Die Anklageschrift liegt seit März beim Landgericht Duisburg, ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest. Der Solidaritätskreis »Justice for Ibrahima« kritisiert die Anklage scharf.

Polizeischüsse:

7. Juli: Der „Riesenwels vom Brombachsee“, der mindestens fünf Badegäste attackierte, wurde offenbar doch nicht wie im Sommerloch vielfach berichtet von der Polizei getötet. Wie ein Sprecher am Montag mitteilte, durchschlug kein Projektil der drei abgegebenen Schüsse die Haut des über zwei Meter langen Tieres – allenfalls sei es benommen gewesen. Angler*innen nutzten die Chance: Nach etwa 40 Minuten ging der Fisch an den Haken und wurde schließlich an Land gezogen und erlegt. Nun werde laut Staatsanwaltschaft in Ansbach geprüft, ob ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliege. Die Ermittlungen führe das bayerische LKA. Die Tierrechtsorganisation Peta und eine Privatperson hatten Strafanzeige erstattet.

10. Juni: Die Rostocker Polizei hat nach einer ungewollten Schussabgabe im Präsidium in Waldeck bei Rostock ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Vorfall ereignete sich in einem Büro des Führungsstabes. Verletzte gab es nicht, jedoch wurden zwei Fensterscheiben beschädigt.

Verletzung durch Polizeischüsse:

8. Juli: Bei einem Polizeieinsatz in Berlin-Wedding ist ein 38-jähriger Mann durch Schüsse schwer verletzt worden. Er hatte angeblich in einer Wohnung mit einem Messer gedroht, sich selbst zu verletzen. Trotz mehrfacher Aufforderung ließ er das Messer nicht fallen und fügte sich Stichwunden zu. Die Polizei schoss ihm nach eigener Darstellung gezielt in die Beine. Der Mann kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus.

Polizist*innen gegen das Recht:

8. Juli: Im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2024 wurden laut Recherchen von netzpolitik.org offenbar über 100.000 Personen durch Polizei und Verfassungsschutz überprüft – darunter Volunteers, Sicherheitspersonal, Journalist*innen und Cateringkräfte. Die sogenannten Zuverlässigkeitsüberprüfungen erfolgten automatisiert und teilweise ohne ausreichende gesetzliche Grundlage, kritisieren Datenschutzbeauftragte in Berlin und Nordrhein-Westfalen. In NRW fehlte demnach eine explizite Rechtsgrundlage, die Berliner Polizei fragte den Verfassungsschutz trotz fehlender gesetzlicher Erlaubnis routinemäßig an. Datenschützer*innen sehen darin einen rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Polizei und Datenschutz:

14. Juli: Nach einem Cyberangriff auf einen Server zur Vernetzung von Diensthandys der Polizei Mecklenburg-Vorpommern kann ein Datenabfluss nicht mehr ausgeschlossen werden. Laut einem NDR-Bericht fand eine Expertengruppe bei der Nachstellung des Angriffs einen Weg, der „verhältnismäßig spurenarm Datenausleitungen zulässt“. Zusätzlich entdeckten die Ermittler*innen eine von den Hackern erstellte Datei mit einer Sammlung verfügbarer Systemdaten, die möglicherweise in kleineren Teilen ausgeleitet werden sollte. Zu den potenziell betroffenen Daten gehören Rufnummern und Gerätenummern von Polizeihandys sowie Namen der jeweiligen Beamt*innen, jedoch keine Daten aus Ermittlungs- oder Personalakten.

Beitragsbild: Berliner Polizei eskortiert AfD-Politiker durch Görlitzer Park (Christian Ditsch).

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