Archiv der Kategorie: Editorials

Das Editorial der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
Für alle Ausgaben online verfügbar.

Redaktionsmitteilung

Deutsche InnenpolitikerInnen haben es und machen es sich einfach. Sie haben es einfach, weil Afrika sehr weit entfernt ist. Die Ostsee ist nicht das Mittelmeer, Rügen ist nicht Lampedusa und auch keine Kanarische Insel. Hier stranden nicht täglich ausgehungerte und halb verdurstete Menschen, die trotz aller Gefahren den Weg übers Meer gewagt haben, um in der Europäischen Union eine Zukunft ohne Elend und Bürgerkriege zu suchen. Hier werden auch nicht die Leichen derer angespült, die diesen Weg nicht überlebt haben. Deutsche PolitikerInnen können es sich einfach machen. Sie müssen keine Rücksicht auf lästige Mitleidsgefühle nehmen und können deshalb weiter darauf pochen, dass die „Bekämpfung der illegalen Einwanderung“ und die „Sicherung der Außengrenzen“ gemeinsame europäische Verpflichtungen sind. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Dieses Heft ist nicht nur für Fußballfans gedacht, denen die fürsorgliche Belagerung durch die staatliche und private Sicherheitsbranche anlässlich der Weltmeisterschaft zu eng wird oder schon vorher zu eng geworden ist. Es richtet sich ebenso an jene, die sich nicht für Fußball, aber für den Zustand der Republik interessieren.

Kaum ein Ereignis zuvor mobilisierte so viel „Sicherheitspersonal“ wie die „FIFA WM 2006TM“: Polizeien, private Sicherheitsfirmen, Geheimdienste und selbst Soldaten, wenn auch vor allem als Sanitäter oder Quartiermeister. Selten zuvor haben sich Repräsentanten von Regierung und etablierten Parteien derart schamlos und offen für die Beteiligung des Militärs an polizeilichen Aufgaben im engeren Sinne eingesetzt. Völlig selbstverständlich schien es ihnen auch, eine viertel Million Menschen durch den Verfassungsschutz auf ihre Zuverlässigkeit überprüfen zu lassen. Zudem ist die WM ein Testlauf für die diversen neuen Überwachungstechniken – vom Funkchip auf der Eintrittskarte bis zur Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Es gibt noch ein Kammergericht in Berlin, soll der Müller von Sanssouci dem Preußenkönig Friedrich II. gedroht haben. Der Mann vertraute darauf, dass das Recht auch die Herrschenden binden und dass das höchste Gericht des Staates dieser Bindung Nachdruck verleihen würde. Der Legende nach soll der Alte Fritz den Müller sogar zur Klage ermuntert haben. Die Mühle steht heute noch im Park des Potsdamer Schlosses und auch der Glaube an den Rechtsstaat scheint unerschütterlich.

Die heutigen bundesrepublikanischen MüllerInnen hoffen auf das Bundesverfassungsgericht. Von den RichterInnen in den roten Roben erwarten sie, dass sie wieder in Ordnung bringen, was die Gesetzgeber in Bund und Ländern versaubeutelt haben. Der Gang nach Karlsruhe soll die Grundrechte gegenüber den wachsenden polizeilichen und geheimdienstlichen Befugnissen wieder zur Geltung bringen. Es gibt noch ein Verfassungsgericht in Karlsruhe, so lautet die Hoffnung, und das scheint mit mehreren Urteilen in den vergangenen Jahren – u.a. zum Großen Lauschangriff – die Erwartungen der neuen MüllerInnen bestätigt zu haben. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Warum ist die Redaktion dieser Zeitschrift nicht schon vor – sagen wir – zwanzig Jahren auf die Idee gekommen, ein Schwerpunktheft zur „Kontrolle des öffentlichen Raumes“ zu produzieren? Die Antwort auf diese Frage ist einfach. Man muss sich nur überlegen, welche Themen für ein solches hypothetisches Schwerpunktheft in Frage gekommen wären. Das wären im Wesentlichen zwei gewesen, die im vorliegenden Heft fehlen:

Erstens hätte man auf das Agieren der Polizei gegen die klassische Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes eingehen müssen, den „Aufzug unter freiem Himmel“. Demonstrationen und politischer Protest waren in den 80er Jahren ein ständiges Thema in Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Dafür sorgten einerseits die sozialen Bewegungen und ihre neuen Aktionsformen, die eben gerade nicht mehr dem polizeilichen Bild des „Aufzugs unter freiem Himmel“ entsprachen. Zum andern wandelten sich auch das polizeiliche Vorgehen und seine rechtlichen Grundlagen. Stichworte: neue Einsatzformen der Bereitschaftspolizeien und Sondereinheiten, neue „nicht-tödliche“ Waffen, Vorkontrollen, Unterbindungsgewahrsam, Video- und Fotoaufnahmen, Vermummungsverbot und andere Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Völlig selbstverständlich war dabei, dass dieser Protest im öffentlichen Raum stattfand und stattfindet. Wo auch sonst? Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

„Schließen wir ’nen kleinen Kompromiss …“ Kurt Tucholskys Liedchen handelte von den Kompromissen der SPD zu Beginn der Weimarer Republik. Heute bedarf es nur leichter Abwandlungen und es passt wie angegossen auf die derzeitigen Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen. In der Hektik anti-terroristischer Gesetzgebungswut hat der Bundestag Ende 2001 ein dickes Sicherheitspaket verabschiedet, mit dem er vor allem die Geheimdienste reich beschenkte: Sie erhielten unter anderem Zugriff auf Telekom-Verbindungsdaten, auf Daten von Flugreisenden und auf die bei den Banken gespeicherten Kontendaten. Damit die Grünen KoalitionspartnerInnen „keine Kümmernis“ mit dem Kompromiss hätten, verabreichte ihnen der große sozialdemokratische Bruder eine Beruhigungspille: Das geheimdienstliche Datenzugriffsrecht ist auf fünf Jahre befristet. Jetzt steht die „Evaluation“ dieser Befugnisse an, und der Bericht, den die Exekutive dafür produziert hat, ist selbstverständlich vertraulich. Eigentlich ist er ein Nicht-Bericht. Er liegt zwar mittlerweile diversen Zeitungsredaktionen vor, ist aber noch nicht regierungsamtlich bereinigt und deshalb gibt es ihn auch nicht auf Anfrage. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Wenn es nur will, schafft es das Parlament, in Gesetzen geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden und damit zumindest auf dem Papier deutlich zu machen, dass das Volk zur Hälfte weiblich ist. Diese Leistung ist dem (zu überwiegenden Anteilen männlichen) Gesetzgeber jüngst im Justizmodernisierungsgesetz gelungen: Dieses Gesetz befördert die PolizistInnen im Strafprozessrecht von „Hilfsbeamten“ der Staatsanwaltschaft zu veritablen „Ermittlungspersonen“. Das ist die sprachliche Emanzipation.

Für die reale Emanzipation der vormaligen HilfsbeamtInnen von der angeblichen „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ haben die GesetzesmacherInnen – unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Mehrheit – in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesorgt, indem sie ihnen ständig neue Befugnisse zuschanzten. Machtlos war die Polizei nie. Sie verfügte immer über mehr Informationen als die Staatsanwaltschaft, sie machte (und macht) die ersten Vernehmungen, ihre Hypothesen über den Tathergang und die Täterschaft geben dem Ermittlungsverfahren eine Richtung und sind später nur schwer zu korrigieren. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Der Fall der Berliner Mauer im November 1989 ist das herausragende Symbol für das Ende des Kalten Krieges gewesen. Mit zwei anderen symbolischen Ereignissen ging im selben Monat auch der Kalte Krieg in der Schweiz zu Ende. Zum einen mit dem spektakulären Ausgang einer Volksabstimmung: Über 30 Prozent der Stimmbevölkerung sagten ja zur Abschaffung der Armee, der heiligen Kuh schlechthin des schweizerischen Staates. Zum andern mit der Veröffentlichung des Berichtes einer Parlamentarischen Untersuchungskommission. Diese hatte die Verhältnisse im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass die Bundespolizei, der Staatsschutz, 900.000 Personen und Organisationen in seinen Karteien und Akten führte. Zum Vergleich: die Schweiz wurde zu diesem Zeitpunkt von 6,1 Millionen Menschen bewohnt. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

„Frieden, das ist nur Schlamperei, erst der Krieg schafft Ordnung. Die Menschheit schießt ins Kraut im Frieden. Mit Mensch und Vieh wird herumgesaut, als wärs gar nix … Wie viele junge Leut und gute Gäul diese Stadt da vorn hat, weiß kein Mensch, es ist niemals gezählt worden. Ich bin in Gegenden gekommen, wo kein Krieg war vielleicht siebzig Jahr, da hatten die Leut überhaupt noch keine Namen, die kannten sich selber nicht. Nur wo Krieg ist, gibt’s ordentliche Listen und Registraturen, kommt das Schuhzeug in Ballen und das Korn in Säck, wird Mensch und Vieh sauber gezählt und weggebracht, weil man eben weiß: Ohne Ordnung kein Krieg.“ Editorial weiterlesen