von Heiner Busch
Es gibt noch ein Kammergericht in Berlin, soll der Müller von Sanssouci dem Preußenkönig Friedrich II. gedroht haben. Der Mann vertraute darauf, dass das Recht auch die Herrschenden binden und dass das höchste Gericht des Staates dieser Bindung Nachdruck verleihen würde. Der Legende nach soll der Alte Fritz den Müller sogar zur Klage ermuntert haben. Die Mühle steht heute noch im Park des Potsdamer Schlosses und auch der Glaube an den Rechtsstaat scheint unerschütterlich.
Die heutigen bundesrepublikanischen MüllerInnen hoffen auf das Bundesverfassungsgericht. Von den RichterInnen in den roten Roben erwarten sie, dass sie wieder in Ordnung bringen, was die Gesetzgeber in Bund und Ländern versaubeutelt haben. Der Gang nach Karlsruhe soll die Grundrechte gegenüber den wachsenden polizeilichen und geheimdienstlichen Befugnissen wieder zur Geltung bringen. Es gibt noch ein Verfassungsgericht in Karlsruhe, so lautet die Hoffnung, und das scheint mit mehreren Urteilen in den vergangenen Jahren – u.a. zum Großen Lauschangriff – die Erwartungen der neuen MüllerInnen bestätigt zu haben.
Wir gestatten uns in diesem Heft, in die Freude über die Erfolge vor Gericht einige Wermutstropfen zu mischen. Denn zuallererst dokumentieren diese Urteile politische Niederlagen, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten regelmäßig wiederholt haben. Die Bürgerrechtsbewegten in diesem Land konnten weder die Geheimdienstgesetze noch die aufeinander folgenden Wellen der Polizeigesetznovellen und auch nicht die präventive Verlandung der Strafprozessordnung verhindern. Sie waren machtlos angesichts der „bemannten Wanze“, dem Lauschangriff in den Polizeigesetzen seit Anfang der 90er Jahre, und sie mussten auch die Grundgesetzänderung hinnehmen, mit der 1998 der Große Lauschangriff im Strafverfahren möglich wurde. Sie haben erst recht keine Chance, wenn der Machtzuwachs der „Sicherheitsbehörden“ über den Umweg der Europäischen Union durchgesetzt wird, wie dies zum Beispiel beim Europäischen Haftbefehl, bei den biometrischen Pässen oder im Dezember 2005 im Falle der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten geschehen ist. Im Bereich der „inneren Sicherheit“ regiert seit langem eine Große Koalition. Die Bürgerrechtsorganisationen fanden und finden allenfalls bei Kleinparteien Gehör – und auch das nur, solange die nicht an der jeweiligen Regierung beteiligt sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat weder den Großen Lauschangriff noch den Europäischen Haftbefehl grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt, sondern nur einige Begrenzungen eingezogen. Es ist kaum zu erwarten, dass die GesetzesmacherInnen – die Ministerialbürokratien und die parlamentarischen Mehrheiten, die ihnen aus der Hand fressen – die aus diesen Urteilen resultierenden Hausaufgaben anders erledigen würden, als sie das nach dem Volkszählungsurteil von 1983 taten. Eine neue Welle von Polizei- und Strafprozessrechtsnovellen ist angesagt. Die neue Regierungskoalition im Bund hat jedenfalls bereits klar gemacht, dass sie sich im alten Fahrwasser weiter bewegen will.
Auch Bürgerrechte & Polizei/CILIP wird sich in Kontinuität üben. Wir werden nicht nur die zu erwartenden Gesetzentwürfe einer Kritik unterziehen, sondern auch die Praxis der Polizeien und Geheimdienste, die damit in rechtliche Formen gegossen wird
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Die erste Ausgabe des Jahrgangs 2006 wird sich mit dem größten sicherheitspolitischen Ereignis des Jahres befassen: der Fußballweltmeisterschaft. Der Titel des Heftes liegt nahe: „Überwacht von Freunden“.
Heiner Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
Preise 2006
Ab dem Jahr 2006 werden wir die Preise für Einzelhefte und Abonnements leicht anheben. Wir wissen, Preiserhöhungen sind immer schmerzhaft, gerade für diejenigen, die ohnehin wenig Geld zur Verfügung haben. Da CILIP selbst am Rande des Existenzminimums produziert, können wir gestiegene Produktions- und insbesondere Versandkosten auf Dauer nicht abfangen und müssen sie zum Teil an unsere KundInnen weitergeben. Dieses tun wir sehr moderat: Verglichen mit den Einzelheftpreisen von 1995 beträgt die Erhöhung im Jahre 2006 gerade einmal 34 Cent; das Abonnement verteuert sich um 1,09 Euro. Wegen der stark angestiegenen Preise der Deutschen Post für Auslandsbüchersendungen werden wir ab 2006 einen Versandkostenanteil für Sendungen ins Ausland berechnen.
Die Preise im Überblick:
Personen: Einzelheft: 7,50 EUR · Abonnement (3 Hefte): 19,50 EUR
Institutionen: Einzelheft: 11,50 EUR · Abonnement (3 Hefte): 34,50 EUR
Auslandsportoanteil: Einzelheft: 1,50 EUR · Abonnement: 4,50 EUR