Schlagwort-Archive: Ausnahmezustand

Notstand und soziale Bewegungen: Der Ausnahmezustand in Frankreich 2015-2017

von Fabian Jobard

Von November 2015 bis November 2017 befand sich Frankreich im Ausnahmezustand. Die Notstandsgesetze erlaubten der Polizei u.a., Wohnungen von Aktivist*innen zu durchsuchen und Hausarreste zu verhängen. Wie ist die Staatsgewalt mit den Notstandsbefugnissen umgegangen? Eine Bilanz. 

„Frankreich ist das Land des Ausnahmezustands und der Polizeiwillkür, der Islamophobie und des Rechtsnationalismus, der Ausländerghettos und der Massenarbeitslosigkeit“, hieß es 2016 in einem Leitartikel der taz.[1] Nach den von IS-Terroristen verübten Massakern in Paris und Saint-Denis im November 2015 hatte der damalige Staatspräsident François Hollande den Ausnahmezustand ausgerufen, der dann vom Parlament mehrmals verlängert wurde und erst im November 2017 außer Kraft trat. Ein Jahr später, am ersten Dezember-Wochenende 2018 forderten mehrere französische Polizeiorganisationen, den Ausnahmezustand wiedereinzuführen – diesmal vor dem Hintergrund der Demonstrationen der „gilets jaunes“ (Gelbwesten). Notstand und soziale Bewegungen: Der Ausnahmezustand in Frankreich 2015-2017 weiterlesen

Ausnahmezustand in Frankreich – Vom Notstand zum „gewöhnlichen“ Bekämpfungsrecht

von Fabien Jobard

Die Anschläge von 2015 und 2016 waren die schlimmsten Massaker in Paris seit der Niederschlagung der Kommune im Jahre 1871. Durch den bis dato fünfmal verlängerten Ausnahmezustand hat sich der harte Kurs der französischen Behörden gegen den Terror einerseits und gegen arabischen Protest andererseits noch einmal deutlich verschärft.

Am 13. Juli 2016, einen Tag vor dem LKW-Attentat in Nizza, erklärte Justizminister Jean-Jaques Urvoas in einem Interview, der Ausnahmezustand werde Ende des Monats beendet. Ausnahmezustand in Frankreich – Vom Notstand zum „gewöhnlichen“ Bekämpfungsrecht weiterlesen

Ausnahmezustand und Norm: Im Zeichen der NSA-Skandals

Das Thema mit seiner Spannung gibt es, seit ein liberaler Rechtsstaat besteht und solange er beansprucht, staatliche Herrschaft zu legitimieren. Der NSA-Skandal hat das Verhältnis von Ausnahmezustand und Norm erneut auf die politische Tagesordnung gesetzt.

Zu allen Zeiten irgendwie installierter Herrschaften und ihrer wenigstens rudimentären Erfordernisse, von mitherrschenden Gruppen akzeptiert zu werden, tauchten Formen des Umgangs mit Ausnahmen auf. Ziel der Konstitutionalisierungen des modernen Staates im europäisch-angelsächsischen Kontext war – unbeschadet der formell verfassungs­lo­sen britischen Ausnahme –, die feudal-absolutistische Willkürherrschaft zu beenden, die arcana imperii (arcanum = geheim) berechenbar, also rechtsförmlich zu vertäuen. Die „Bill of Rights“ von 1689 war dafür ein frühes Beispiel. Was aber sollte in Not-, also Ausnahmezeiten geschehen, wenn staatliche Herrschaft in Gefahr geriet? Von Thomas Hobbes schon vorinformiert, wurde im Preußisch Allgemeinen Landrecht von 1794 eine „Generalklausel“ dafür vorgesehen. Sie besagte: In Not- und Kriegszeiten werden geltende Regeln zeitweise suspendiert – von Grund- und Menschenrechten war seinerzeit noch nicht die Rede. Ausnahmezustand und Norm: Im Zeichen der NSA-Skandals weiterlesen