Editorial: „Sicherheits“-Gesetze und kein Ende!

„Freiheit stirbt mit Sicherheit“ – so das Motto eines Kongresses in Köln vorn 9.-1 1.12. d.J., auf dem es u.a. einmal mehr darum gehen soll, Strategien zu finden und zu entwickeln, mit denen der Erosion politischer Freiheitsrechte in diesem Lande Einhalt geboten werden könnte. Höchste Zeit wird es: Das sog. Artikel-Gesetz (vgl. CILIP 29, S.134 ff.) ist bereits i.in Bundestag eingebracht; noch am 20.Dezember dieses Jahres sollen vom Bundeskabinett weitere Teile der sog. Sicherheitsgesetze (das VfS-Gesetz, das MAD-Gesetz, das Bundesdatenschutzgesetz als Querschnittsgesetz) verabschiedet und dann dem Bundestag zur 1. Lesung vorgelegt werden. Fallengelassen wurde offenbar ein zunächst als „Zusammenarbeits-Gesetz (ZAG)“, dann wortwascherisch als „VfS-Mitteilungsgesetz“ bezeichneter Entwurf, der als Querschnittsgesetz die Zusammenarbeit aller Geheimdienste, der Polizei und der politischen Staatsanwaltschaften regeln sollte (vgl. ClLlP 29, S.12 ff.). Statt dessen soll die Zusammenarbeit nun in den einzelnen Gesetzen (VfS-Gesetz, MAD-Gesetz etc.) geregelt werden.

Ob damit auch der BND sein eigenes Gesetz bekommen wird, ist unklar. Bisher war für diesen Geheimdienst, der seit 1950 ohne jegliche Rechtsgrundlage operiert, eine „Aufgaben- und Befugnis-„Norm in die Entwürfe zum ZAG bzw. VfS-Mitteilungsgesetz hineingemogelt worden. Weitere Entwürfe für sog. Sicherheitsgesetze holt diese CILIP-Ausgabe aus den Schreibtischen ihrer Autoren; siehe unsere Dokumentation und Kritik der Entwürfe eines „Ausländerzentralregister-Gesetzes“ und eines „BKA-Gesetzes“ auf den folgenden Seiten. Es ist nicht nur diese Schmuddelkinder- Koalition von Anti-Repressionsgruppen, den Grünen, Redaktion CILIP, BIS etc., die diese sog. Sicherheitsgesetze ablehnen – wissend, um wessen „Sicherheit“ es hier geht.

Es rnangelt nicht an reputierlicheren Stimmen und Organisationen, die gleichermaßen begriffen haben, daß „Freiheit mit Sicherheit“ stirbt. Auch an Anschauungsunterricht darüber gebricht es nicht, wozu unsere „Sicherheitsorgarie“ und die sie lenkenden Politiker bereit und willens sind – ob init, oder derzeit noch ohne rieue Rechtsyruridlagen. Kaurn war der politische Unterricht beendet, den die Polizeiaktionen während der IWF-Tagurig boten (vgl. die IWF-Nachlese in dieser Ausgabe), da karn etwas Licht iri die Praktiker) des Laridesarntes für VfS in Berlini (vgl. die Dokumentation des Moinper-Br iefes an den Regierenden Bürgerineister von Berlin in der Frankfurter Rundschau vorn 1.12.88) Daß diese Ämter selbst die größte Gefahr für das sind, was ihr camouflierender Naine als Schutzgut ausgibt, nun, dies ist zwar nicht neu und bedürfte keiner neuen Beweisstücke rnehr. An ihnen ist nichts zu reformieren, wie jüngst selbst (in der ötv organisierte) Vf- Schützer forderten (vgl. die Dokumentation in der Frankfurter Rundschau vorn 14.1 1 .BE).

Der Verfassungsbruch ist strukturell in diesen Amtern angelegt (vgl. das Plädoyer für die ersatzlose Auflösung dieser Ämter in unserer Ausg. 21, S.87 ff.). Gleichwohl kann – so ist zu hoffen – politischer Unterricht wie der jüngste VfS-Skandal, in Berlin dazu beitragen, diesen Amtern wie den „Sicherheits“-Gesetzen das Wasser abzutragen. All dies scheint die Bundesregierung, die CDU/CSU/FDP-Koalitionen in Bonn, Berlin und anderen Bundesländern nicht zu stören. Sie versuchen durchzuma6chieren.

Die FDP schlägt Schaum, will aber um jeden Preis an der Macht bleiben, so daß im Ergebnis vielleicht als „Kompromiß“ herauskommt, daß der VfS bitteschön nicht mehr an Schulen spitzeln darf und dementsprechend auch Daten von Kindern unter 16 Jahren aus den Dateien des VfS zu verschwinden hätten – so die „Essentials“ dieser Liberalen. Ansonsten aber gilt weiterhin „Daten frei“. Aber nicht nur auf Bundesebene Iäuft „Sicherheitsf“-Gesetzgebung ab. Fast alle Bundesländer sind dabei, die Befugnisse zur präventivpolizeilichen Datenerhebung nun gesetzgeberisch zu regeln (vgl. unsere Übersicht). Mag die SPD in Bonn als Oppositionspartei kritisieren, was die CDU/CSU/FDP-Koalition an Planen nun auf den Tisch des Bundestages legt.

Deutlicher Farbe bekennen muß diese Partei dort, wo sie in den Länderparlamenten als Regierungspartei darüber entscheidet, welche Datenerhebungs- und Speicherungsbefugnisse den Länderpol izeien zugestanden werden sollen. Die Schleusen für praventivpolizeiliche Datensammlungen hat diese Partei in den siebziger Jahren weit geöffnet. Ob sie nun bereit ist, sie wieder zu schließen – das werden ihre Entwürfe für die Länderpolizeigesetze zeigen.

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