Stellungnahme des RAV zu den Maßnahmen im Ausländer- und Asylbereich innerhalb des BMI-Sicherheitspaketes zur Terrorismusbekämpfung (Einreiseversagung bei „Verdacht“, Sprachaufzeichnung bei Einreise)

Die vom BMI in seinem Maßnahmekatalog aufgeführten Vorschläge sollen dem erklärten Ziel dienen, dass Personen , die unter dem Verdacht stehen, terroristische oder extremistische Aktivitäten zu unterstützen, keine Visa oder Aufenthaltserlaubnisse erhalten. Schon bei der Formulierung der Zielstellung stößt auf, daß eingangs nicht definiert wird, worauf sich der Verdacht zu gründen hat. Der Maßnahmekatalog selbst legt nahe, daß es die Ausländereigenschaft ist, die Ansatz und auslösendes Moment für die weitreichenden Maßnahmen ist. Geplant ist nicht weniger als eine lückenlose und unbeschränkte Überwachung durch sämtliche deutschen Behörden – vom normalen Streifenpolizisten über die Sozialbehörden bis hin zum Bundesamt für Verfassungsschutz.

Das Sammeln und Austauschen von Daten soll sich nicht nur auf Einreisewillige beschränken, sondern auch auf die in der Bundesrepublik lebenden Kontaktpersonen, egal ob Familienangehörige, Freunde oder Bekannte, deutsch oder nicht deutsch.

Nur durch einen verbesserten Informationsfluß zwischen Ausländer-und Asylbehörden sowie Sicherheitsbehörden könne es gelingen, den Aufenthalt ausländischer Bürger mit möglichem extremistischen Hintergrund deutlicher zu erkennen und auch zu kontrollieren.

Was offensichtlich fehlt, ist eine Analyse der Versäumnisse und damit die Entbehrlichkeit einer rigorosen Überwachung sämtlicher ausländischer Bürger und deren (auch deutschen) Kontaktpersonen. Auch fehlt eine Überprüfung inwieweit die bereits bestehenden Regelwerke ausreichend sind, um eine Wiederholung der Ereignisse vom 11.9.01 zu verhindern, wenn man weiß, daß sie möglich sind.

Die Schilypläne im Einzelnen:

I. Abklärung vor der Einreise

Erweiterung des § 8 Abs.2 AuslG

Die Vorschrift sieht derzeit ein zwingendes Einreise- und Aufenthaltsverbot vor, wenn der Ausländer ausgewiesen oder/ und abgeschoben wurde.

Beabsichtigt ist die Erweiterung um den Versagungsgrund „Terrorismus- und Extremismusverdacht“ mit der Folge, daß auch sog. „Positivstaater“ einem allgemeinen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegen. Bei diesen Positivstaatern handelt es sich u.a. sowohl um EU-Staatsangehörige als auch um Amerikaner.

Derzeit kann sehr wohl eine Aufenthaltsgenehmigung versagt werden, wenn der Aufenthalt des Ausländers die Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet (§ 7 Abs.2 Nr.3 AuslG).

2.

Schaffung einer gesetzlichen Regelung über die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden im Visumsverfahren.

Schon jetzt werden ausführliche Daten im Ausländerzentralregister (AZRG) und in der Ausländerdatenübermittlungsverordnung (AuslDÜV) gesammelt und sowohl von der Auslandsvertretung, Ausländer/Asylbehörde, BKA und BfV oder BND und anderen verwertet. Auch gibt es die Möglichkeit, im Rahmen eines Konsultationsverfahren nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) die Erkenntnisse mit weiteren Daten der Mitgliedstaaten abzugleichen. Diese Erkenntnisse werden dann den deutschen Auslandsvertretungen übermittelt.

Beabsichtigt ist – neben der generellen Zustimmung der Ausländerbehörden auch bei Erteilung kurzfristiger Visa – durch Verordnungsermächtigung eine grundsätzliche Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zu installieren. Es soll ein regelmäßiger Datenabgleich mit Erkenntnissen des BKA/BfA und BND sowie die Weiterleitung dieser Informationen erfolgen. Die im AZR zu speichernden Daten sollen erweitert werden, unter anderem um Angaben zur Religionszugehörigkeit, Lichtbildern sämtlicher Antragsteller mit der Möglichkeit des digitalen Abgleichs, Fingerabdrücke und vieles mehr. Gleichzeitig soll der Kreis derjenigen erweitert werden, die auf diese Datei Zugriff haben und zwar wenn möglich online.

Die Einladenden und der angegebene Aufenthaltszweck sowie die in der Bundesrepublik lebenden Bezugspersonen sollen von der Ausländerbehörde überprüft werden. Bei Fällen ohne Bezugsperson ( z.B. Reisen über Reisebüro) sind die Erkundigungen bei den Veranstaltern möglich, soweit das Visum nicht schon mangels Prüfungsmöglichkeit versagt werden „muß“ oder besser „kann“.

3.

Schaffung einer Liste von Problemstaaten im Visumsverfahren auch bei beantragtem längerfristigem Visum.

Bei Erteilung von längerfristigen nationalen Visa war eine solche Liste bisher nicht erforderlich, da eine ausführliche Überprüfung der Erteilungsvoraussetzungen durch die deutsche Ausländerbehörde vor Einreise erfolgt. Die nunmehr für erforderlich gehaltene Liste soll aus Praktikabilitätsgründen auf bestimmte Staaten und Personengruppen mit Terrorismus/ Extremismushintergrund oder bestehenden Rückführungsschwierigkeiten beschränkt bleiben. Im Visumsverfahren ist zwingend die Beteiligung auch der Sicherheitsbehörden vorgesehen.

4.

Erweitert werden soll auch die Befugnis des BGS, nicht nur hinsichtlich der räumlichen Erweiterung bei grenzbezogenen Kontrollen, sondern auch hinsichtlich der Identitätsfeststellung. Diese soll nunmehr generell möglich sein und nicht mehr Anlaßbezogen (d.h. nicht mehr insbesondere zur Verhinderung von Straftaten, Grenzkontrollen, unerlaubte Einreise etc.)

5.

Durfte ein Paß bisher keine Fingerabdrücke noch sonst verschlüsselte Angaben über die Person haben, so soll sich auch dies ändern., U.U. gespeichert in den Visa-Klebeetiketten.

II. Maßnahmen im Inland

Einführung von fälschungssicheren Ausweisen für Asylbewerber und Duldungsinhabern sowie Einführung von Klebeetiketten mit Zone für das automatische Lesen mit Seriennummern, die weitere Informationen enthält.

2.

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Sprachaufzeichnungen zwecks Erhebung einer Sprachanalyse zur Klärung der Herkunftsregion und Nutzung der Sicherheitsbehörden

Bisher ist eine solche Erhebung nur mit Einwilligung des Betroffenen möglich, selbstverständlich auch ein genereller Zugriff den Sicherheitsbehörden versagt.

3.

Speicherung zur Aufbewahrung von Fingerabdrücken und identitätssichernden Unterlagen für mindestens 10 Jahre.

Bisher wurden die Identitätssichernden Unterlagen eines Flüchtlings nach jeder Anerkennungsentscheidung des BAFL unverzüglich vernichtet ( § 16 Abs.6 Nr.1 AsylVfG). Jetzt soll die Speicherung dieser Unterlagen den Sicherheitsbehörden den langfristigen Zugriff ermöglichen.

Gespeichert werden soll im AZR ebenfalls grundsätzlich die Religionszugehörigkeit, da besondere Konstellationen wie z.B. christliche Türken, Kopten aus Ägypten sich nicht durch Angabe des letzten Wohnortes im Herkunftsland erschließen ließen.

4.

Einschränkung des Abschiebeschutzes für GFK-Flüchtlinge.

Abschiebeschutz soll Flüchtlingen bereits dann versagt werden, wenn die Annahme begründet ist, dass bestimmte Straftaten begangen wurden. Nach geltendem Recht wird ihnen der Schutz nur versagt, wenn sie eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit darstellen oder unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren verurteilt wurden.

5.

Ausweitung der Befugnisse für die Informationsübermittlung zwischen BKA/ BND und BfV

Waren wohlweislich gemeinsame Dateien der aufgeführten Behörden nicht zulässig, sollen nunmehr gemeinsame „Informationsboards“ aufgebaut werden, und durch weitere Gesetzesänderungen auch anderen Sicherheitsbehörden wie BGS die Teilnahme an dem strukturierten Informationsaustausch ermöglicht werden.

Es sollen nunmehr alle durch das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz gewonnenen Daten auch für polizeiliche Zwecke genutzt werden.

d.h. ausdrücklich

  • Aufnahme der Fingerabdrücke in die AFIS (automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem) und die Ermöglichung eines generellen automatisierten Abgleichs der Fingerabdrücke von Asylbewerbern gegen den polizeiliche Tatortspurenbestand.
  • Polizeibehördensollen auch zur Abwehr abstrakter Gefahren online auf alle im AZR gespeicherte Angaben zum Aufenthaltsstatus und zum Asylverfahren zugreifen dürfen.
  • Erweiterung der Gruppenauskünfte auch auf Personen mit verfestigtem Status an Polizei und Dienste.

Die aufgeführten Maßnahmen zeigen, daß Flüchtlinge, ausländische BesucherInnen, ob Geschäftsleute oder PrivatbesucherInnen, die bei uns lebenden ausländischen MitbürgInnen sowie deren Kontaktpersonen ohne das Bestehen eines konkreten Verdachtes uneingeschränkt der Beobachtung und dem möglichen Zugriff der Sicherheitsbehörden preisgegeben werden sollen. Betroffen von diesen Folgen sind alle, auch deutsche Staatsangehörige, die Kontakte zu ausländischen Mitbürgern pflegen, sei es freundschaftlicher oder auch familiärer Art gleichermaßen wie diejenigen die Kontakte ins Ausland unterhalten. Sollten alle geplante Maßnahmen Wirklichkeit werden, wird dieses Land für alle Nichtdeutschen unwirtlicher werden – die politischen, sozialen, ökonomischen, kulturellen und privaten Folgen einer solch weitreichenden Abschottung gegen alles Fremde werden alle hier lebenden Menschen – ob deutsch oder nichtdeutsch – treffen.

Rechtsanwältin Andrea Würdinger, RAV – Bundesvorstand

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