Spätestens drei Jahre nach seinem Inkrafttreten wollten die Unterzeichnerstaaten des Vertrages von Prüm eine Initiative ergreifen, um den Inhalt des Abkommens in EU-Recht zu überführen. So steht es in der Präambel des im Juli 2005 von sieben EU-Staaten unterzeichneten Textes. Sieben weitere Staaten sind dem Vertrag inzwischen beigetreten.[1]
Ratifiziert haben ihn bisher zwar erst drei: die BRD, Österreich und Spanien. Bei der Unterzeichnung der Durchführungsvereinbarung am Rande der Ratstagung vom 5. Dezember letzten Jahres kündigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble jedoch bereits an, dass die Überleitung des Vertrags in die EU einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 bilden werde.[2] Am 6. Februar lancierten die jetzt 14 Prümer Staaten eine Initiative für einen Ratsbeschluss. Dieser bezieht sich auf die polizei- und strafverfolgungsrelevanten Teile des Vertrages und damit auf die Dritte Säule der EU.[3]
Zentral ist dabei das Kapitel 2, das die im Vertrag enthaltenen Bestimmungen über den automatisierten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und KFZ-(HalterInnen-)Daten wiedergibt. Im Haager Programm vom Dezember 2004, dem Fünf-Jahres-Plan für die Innen- und Justizpolitik, hatte sich die EU darauf festgelegt, dass der Datenaustausch zwischen den Polizeibehörden der Mitgliedstaaten ab 2008 nach dem „Prinzip der Verfügbarkeit“ organisiert sein sollte. Statt neue zentrale Datenbanken zu schaffen, sollten die Polizeien wechselseitig Zugriff auf die bei den anderen Mitgliedstaaten gespeicherten Daten erhalten.
Die Prümer Regelungen waren bereits seit längerer Zeit als eine Variante des Einstiegs in diesen freien polizeilichen Datenmarkt gehandelt worden: Wenn bei der Abfrage in der DNA-Profil-Datei oder im Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-System (AFIS) ein „Treffer“ erzielt wird, erhält die Polizei des anfragenden Staates nicht nur die Identität des Betroffenen, sondern kann über die jeweilige nationale Kontaktstelle auch weitere über diese Person verfügbare Informationen nachfragen. Zudem können nach Absprache auch die gesamten Datenbestände zweier oder mehrerer Staaten miteinander abgeglichen werden.
In EU-Recht überführt werden sollen ferner die Regelungen über den Austausch von personenbezogenen Daten „zur Verhinderung terroristischer Straftaten“ sowie anlässlich von „Großveranstaltungen mit grenzüberschreitendem Bezug“, d.h. insbesondere bei Fußballspielen und bei Ratstagungen und anderen Gipfeltreffen. Auch in diesen Bereichen soll die gegenseitige Information über Nationale Kontaktstellen laufen. Solche speziellen Dienststellen waren aufgrund eines Ratsbeschlusses von 2002 erstmals für den polizeilichen Umgang mit Fußballspielen geschaffen worden, um die schnelle und gezielte Weitergabe von Informationen zu ermöglichen. Auf seiner Tagung vom 15. Februar, neun Tage nach Vorlage, hat der Rat dem Entwurf des Beschlusses weitgehend zugestimmt. Die einzige Korrektur hat er bei den „weiteren Formen der Zusammenarbeit“ in Kapitel 5 vorgenommen: Er akzeptierte zwar, dass die Mitgliedstaaten sich bei „Massenveranstaltungen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen“ durch die Entsendung von „Beamten, Spezialisten und Beratern“ und die „Gestellung von Ausrüstungsgegenständen“ unterstützen sollten. Er billigte auch, dass EU-Staaten mit einer gemeinsamen Grenze „gemeinsame Streifen sowie sonstige gemeinsame Einsatzformen“ bilden, die auf beiden Seiten der Grenze agieren. Dabei sollen „die Beamten des Entsendestaates … nur unter der Leitung und in der Regel in Anwesenheit von Beamten des Gebietsstaates“ exekutive Befugnisse ausüben dürfen. „Weiter prüfen“ wollten die MinisterInnen dagegen den Art. 18 des Beschlussentwurfs (Art. 48 des Vertrags), der die selbstständige Wahrnehmung exekutiver Befugnisse jenseits der Grenze zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben vorsah.
Der Beschluss wird die entsprechenden Teile des Abkommens ersetzen. Vom Prümer Vertrag bleiben dann nur noch die migrationspolitischen Bestimmungen, d.h. die Entsendung von grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten („Dokumentenberatern“) und die Zusammenarbeit bei Abschiebungen. Beides ist ohnehin in der EU schon Praxis.
Seit Dezember wenden Deutschland und Österreich den Vertrag bereits an. Laut der Presseerklärung zum Ratstreffen im Februar haben die deutschen Behörden beim Abgleich von DNA-Profilen „in mehr als 1.500 Fällen eine Übereinstimmung festgestellt.“ Darunter seien „14 Treffer in Tötungs- und Morddelikten, 885 bei Diebstahl und 85 bei Raubüberfällen und Erpressungen“.[4] Die Ergebnisse zeigen nicht nur den hohen Anteil der leichten und mittleren Kriminalität, der bei DNA-Datenbanken auch im nationalen Rahmen regelmäßig sichtbar wird. Es ist auch kaum zu erwarten, dass diese Erfolge anhalten, wenn der Datenaustausch und -abgleich zur Routine wird.
(Heiner Busch)