Verdeckte Ermittlungen ohne Grenzen

Ende Dezember 2006 legte die deutsche Delegation in der „Multidisziplinären Gruppe Organisierte Kriminalität“ (MDG) einen Entwurf für eine „Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Schwerkriminalität durch den vereinfachten grenzüberschreitenden Einsatz von Verdeckten Ermittlern“ (VE) vor. Zweck der Übung: Der Rat solle mit einer Entschließung „die politische Entscheidung herbeiführen“, dass es für den VE-Einsatz außerhalb des eigenen Territoriums einer genaueren EU-weiten rechtlichen Regelung bedürfe. Auf dieser Grundlage, so heißt es in einem Papier, mit dem die deutsche Delegation das Vorhaben näher erläutert, könne man daran gehen, einen verbindlichen Rechtsrahmen, etwa in Form eines zu ratifizierenden Vertrages, auszuarbeiten.[1]

Rechtliche Regelungen über den grenzüberschreitenden VE-Einsatz gibt es in der EU bisher nur im Neapel II-Abkommen über die Zollamtshilfe und im Rechtshilfeübereinkommen. Dessen Art. 14 besagt aber nur, dass dieser Einsatz grundsätzlich auf ein Ersuchen hin möglich ist. Erheblich genauer und umfangreicher sind die Bestimmungen bilateraler Abkommen, wie sie Deutschland z.B. mit den Niederlanden, Österreich und zuvor mit dem Nicht-EU-Staat Schweiz geschlossen hat.

Eine ähnliche Regelung stellt sich die deutsche Ratspräsidentschaft wohl auch in einem künftigen EU-Abkommen vor. Der Vertrag solle nicht nur für den Einsatz eines eigenen VE im Ausland gelten, sondern auch für die Ausleihe eines ausländischen Agenten mit passender Legende für eine Verwendung im Inland des ersuchenden Staates. Neben den Voraussetzungen des Einsatzes (Deliktkatalog oder gegenseitige Strafbarkeit, Verhältnismäßigkeit etc.) sollen insbesondere das Verfahren und die Rechtsstellung des VE festgelegt werden. Hinsichtlich des ersten Punktes ist den deutschen Vertretern in der MDG klar, dass ein VE-Einsatz grundsätzlich der vorherigen Bewilligung bedarf. Allerdings will man auch eine Bestimmung „über die Behandlung von Eilfällen, in denen eine vorherige Bewilligung nicht eingeholt werden kann.“ Für die Durchführung des Einsatzes könne das Recht des ersuchten Staates gelten. Dieser solle auch die jederzeite Möglichkeit habe, den Abbruch des Einsatzes anzuordnen. Der ausländische VE solle einem inländischen gleichgestellt sein.

„Bewilligt der Mitgliedstaat, in dem der VE eingesetzt werden soll, den Einsatz, so schützt er die Identität des VE nach noch zu vereinbarenden Mindeststandards“, heißt es in dem Papier. Wie weit dieser Quellenschutz gehen soll, ist daraus aber nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Aussagepflicht des VE und der „Verwertbarkeit der Erkenntnisse im anschließenden Strafverfahren als Beweismittel“ gibt es keine weiteren Erläuterungen.

Bereits jetzt steht fest, dass dieser Vertrag – so er denn zustande kommt – die Neigung zu verdeckten Ermittlungen nicht begrenzt, sondern im Gegenteil solche Einsätze eher befördert.

(Heiner Busch)

[1]      Ratsdok. 16936/1/06 v. 21.12.2006 (nicht zugänglich) und 5607/07 v. 25.1.2007 (liegt der Redaktion vor)