Ein „Koordinator“ für polizeiliche Großereignisse?

Fußballfans und Gipfeldemonstranten bekommen es mit einer neuen EU-Institution zu tun: Der grenzüberschreitende Datentausch, Reisesperren und die polizeiliche Zusammenarbeit sollen durch einen „Europäischen Koordinator für Großereignisse“ verbessert werden. So jedenfalls steht es in der Beschreibung des EU-Forschungsprojekts THE HOUSE, das innerhalb des 7. EU-Forschungsrahmenprogramm eingerichtet wurde. Das 2012 begonnene Vorhaben endet im Februar 2014, dann sollen Ergebnisse präsentiert werden. Beteiligt sind die Innenministerien nahezu aller 27 EU-Mitgliedstaaten, Deutschland wird durch die Hochschule der Polizei in Münster repräsentiert. Die Aufsicht obliegt dem italienischen Ableger des United Nations Interregional Crime and Justice Research Institute (UNICRI).

THE HOUSE zielt auf die Beherrschbarkeit von „Gewaltsituationen oder Eskalationen“. Bei früheren, ähnlichen Projekten definierte Standards sollen jetzt „auf Schlüsselbereiche übertragen“ werden. Nach den polizeilich kaum mehr zu kontrollierenden Protesten in Göteborg (EU-Gipfel 2001) und Genua (G8-Gipfel 2001) richtete die EU das Forschungsprogramm EU-SEC ein, um den Austausch von Informationen und die gegenseitige Entsendung von Polizeibehörden und Geheimdiensten zu verbessern. Ziel war die präventive Ausforschung internationaler Strukturen, die sich auf die Ereignisse vorbereiten und die Polizei womöglich in Bedrängnis bringen. EU-SEC war mit Beteiligten aus 22 EU-Mitgliedstaaten in eine zweite Phase verlängert worden. Vor zwei Jahren lag eine abschließende Studie vor, die aber bis heute unter Verschluss bleibt. Schon früh entstanden aber mehrfach aktualisierte Handbücher, in denen Datentausch, Reisesperren und eine offensive Medienstrategie vorgeschlagen werden[1].

Auch Gipfeldemonstranten ändern allerdings immer wieder ihre Aktionsformen. Markante Neuerungen waren die Nutzung des Internet, die „Clowns Armee“ oder die „Fünf-Finger-Taktik“ zum Umrunden von Polizeisperren. Die EU antwortete deshalb mit dem Programm „Good practice for dialogue and communication as strategic principles for policing political manifestations in Europe“ (GODIAC), um die Interaktion von Polizei und Protest in mehreren Ländern zu analysieren[2]. Die Polizeiforscher reisten zum Castor-Transport ins Wendland, zum NATO-Gipfel nach Portugal, zu Antifa-Protesten nach Wien oder einer Gewerkschaftsdemonstration nach Großbritannien. Auch der Rainbow Pride in Bratislava wurde beobachtet[3]. Ergebnisse von GODIAC wurden schließlich auf einer Konferenz in Stockholm präsentiert, bleiben aber wie bei EU-SEC geheim.

Auch innerhalb von THE HOUSE werden derartige Studien durchgeführt. In der Vergangenheit wurde die Sicherheitsarchitekturen des UEFA Euro Cup in Polen und der irischen EU-Präsidentschaft beforscht. Weiter geht es mit Gipfeltreffen des gegenwärtigen litauischen EU-Vorsitzes und der europäischen Volleyball-Meisterschaft in Polen. Vor dem Ende von THE HOUSE wird die polizeiliche Handhabung des Nuclear Safety Summit in Holland evaluiert.

(Matthias Monroy)

[1]      Amtsblatt der EU C 314 vom 22.12.2007
[2]      http://www.statewatch.org/news/2010/nov/eu-policing-protests-godiac-project.pdf
[3]      BT-Drs. 17/13442 v. 10.5.2013