Am 2. Februar 2011 hat die damalige Innenkommissarin Cecilia Malmström einen Entwurf für eine EU-weite Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten (EU-PNR) vorgelegt.[1] Bei jedem Flug werden bis zu 60 Einzelinformationen pro PassagierIn gespeichert. Neben flugspezifischen Daten enthält ein solcher Passenger Name Record (PNR) auch Angaben über SitznachbarInnen, Kreditkartenzahlungen, E-Mail-Adressen und besondere Essenswünsche sowie ein Feld für allgemeine Bemerkungen, in dem unbewiesene Behauptungen und Beobachtungen notiert werden können.
Diese Daten erlauben einen tiefen Einblick in die Privatsphäre, lassen Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit (Essenswünsche) oder die Kontakte der Reisenden zu. PNR-Einträge im Feld für allgemeine Bemerkungen können zudem Hinweise auf die Gemütslage, mitgeführte Literatur oder das Verhalten der jeweiligen Personen enthalten. Diese nicht verifizierbaren Einträge können neben einer Stigmatisierung auch dazu führen, dass Ermittlungsbehörden die Betreffenden als Verdächtige einstufen und sie eingehend überwachen.
Der Entwurf sieht vor, dass diese Informationen fünf Jahre auf Vorrat gespeichert werden. Die Daten sollen gerastert werden, „damit bisher ‚unbekannte‘ Verdächtige identifiziert und ein Datenabgleich mit verschiedenen Datenbanken für gesuchte Personen und Gegenstände durchgeführt werden können“.
Am 24. April 2013 hatte der Innenausschuss des Europäischen Parlaments (EP) klar gegen diesen Vorschlag gestimmt. In der anschließenden Plenumsabstimmung wurde der Vorschlag jedoch wieder zurück an den Ausschuss verwiesen, da die Mehrheiten unsicher waren.
Nun beschäftigt sich der EP-Innenausschuss erneut mit dem Vorschlag. Auch die neue, leicht veränderte Version, die Timothy Kirkhope, ein Verfechter des EU-PNR, als Berichterstatter des Ausschusses, vorgelegt hat, bleibt grundrechtswidrig.[2] Nach wie vor ist die anlasslose und umfassende Speicherung von Fluggastdaten vorgesehen. Diese verstößt klar gegen die Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs, der in seinem Urteil vom April 2014 für den Einsatz von Überwachungsmaßnahmen klare Grenzen aufgezeigt hat.[3] Der Druck auf die EU-Mandatare jedoch ist enorm: Vergangenes Jahr hatte der Rat die Mitgliedstaaten aufgefordert, die nationalen EP-Abgeordneten zur Zustimmung zu bewegen. Auch nach den Anschlägen in Frankreich und Dänemark waren die Rufe nach der Einführung der Vorratsdatenspeicherung von Reisedaten unüberhörbar.
(Alexander Sander)