In Gedenken an Wolf-Dieter Narr

Wolf-Dieter Narr ist am 12. Oktober 2019 nach langer Krankheit gestorben. Als Professor an der Freien Universität Berlin war er unser Lehrer und Mentor. Er stand hinter der Forschungsgruppe, die sich seit Mitte der 70er Jahre mit den nach innen gerichteten Teilen des staatlichen Gewaltmonopols befasste. Ohne ihn hätte es weder die „Arbeitsgruppe Bürgerrechte“ an der FU noch das spätere „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.“ gegeben. Und auch die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP ist ohne seinen Einsatz nicht denkbar.Er war hier kein bloßer „Frühstücksdirektor“. Wer durch die Ausgaben der letzten vierzig Jahre stöbert, wird eine Vielzahl von Beiträgen finden, die er geschrieben oder an denen er mitgearbeitet hat. In der Frühphase dieser Zeitschrift waren diese Texte noch nicht namentlich gezeichnet, aber Wolf-Dieters zuweilen blumige, aber politisch immer deutliche Sprache ist gut erkennbar. Sei es im Editorial der Nullnummer, wo er darauf hinweist, dass der Informationsdienst CILIP wie ein „kleiner David wirken“ müsse, der „gegenüber dem riesigen Goliath der etablierten Polizei und der Geheimdienste nur über eine kleine Schleuder öffentlicher Information“ verfüge. Oder im Heft 25 „Alternativen zur Polizei oder Alternative Polizei?“, wo er angesichts diverser „linker“ Bekenntnisse zum staatlichen Gewaltmonopol fragte, „warum denn das factum brutum des Staates, sein Gewaltmonopol, noch dadurch bestätigt werden (solle), dass das erste Gebot des modernen Staates gläubig hergebetet wird: Ich bin der Staat, Dein Gott, Du sollst keine anderen Bezugssysteme haben.“

Es gab Themen, an denen er unbeirrbar dran blieb – etwa die Kritik der „fast beliebig missbrauchbaren … Formel der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ihrer … verfassungsschützerischen Perversion“. Und es gab Dinge, die ihn richtiggehend ärgerten: die Geheimdienste und die politische Polizei schlechthin, aber umso mehr der Bau des monströsen BND-Palastes in einer verarmenden Hauptstadt Berlin.

2012 bekräftigte er in seiner Einleitung zur Nr. 100, für die er sämtliche bis dahin erschienenen Hefte noch einmal durchgelesen hat, das Konzept des von ihm mitgegründeten Blattes: „Verlässliche Informationen werden umso notwendiger, je prekärer es um die Bürgerrechte und ihre Sicherheit … steht.“ Zugleich warnte er uns davor, „den herrschenden doppelten Umgang mit den Bürgerrechten ein wenig im Sinne kritischer Kritik nachzuäffen. So zu tun, als gälten sie im Prinzip, wenn sie doch längst fundamentlos geworden sind.“

Auch danach schrieb er uns noch mehrere Artikel und nahm an Redaktionssitzungen teil, bis er die Kraft dafür verlor. Er fehlt uns nicht nur als Lehrer, politischer Ratgeber und Mahner, der menschenrechtlich-demokratische Radikalität von uns einforderte. Es fehlt uns auch seine Freundlichkeit und Herzlichkeit. Wir alle, die wir mit ihm arbeiten durften, hatten ein großes Glück mit ihm.

Beitragsbild: Wolf-Dieter Narr.

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