Am 22. Juni 2020, einem Montag, kam Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Pressetermin nach Stuttgart. Gemeinsam mit Landesinnenminister Thomas Strobl begab er sich zum Schlossplatz, dem Ort der Randale vom Samstag zuvor (20. Juni), an der mehrere hundert junge Leute teilgenommen hatten und bei der Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert und Polizist*innen angegriffen worden waren. Sorgenvoll schauten die beiden Herren durch die entglasten Fenster jenes demolierten Polizeiautos, das man eigens zum Pressetermin nochmal auf den Schlossplatz gebracht hatte.
Das Foto auf unserem Titelblatt dokumentiert die Absurditäten polizeilich-innenministerieller Medienarbeit. Aber was hat es mit der „Polizei im Alltag“, dem Schwerpunktthema dieses Heftes, zu tun? Zweierlei: Erstens war der Anlass, der die Randale auslöste, ausgesprochen alltäglich: die Kontrolle eines 17-Jährigen wegen eines „Drogendelikts“. Solche Kontrollen wegen ein paar Gramm Hanf finden an Treffpunkten junger Leute nicht nur in Stuttgart mit steter Regelmäßigkeit statt. Ob sie nicht nur Anlass, sondern vielleicht auch eine der Ursachen der „nie dagewesenen Dimension der Gewalt gegen die Polizei“ (Polizeipräsident Frank Lutz) gewesen sein könnten, wollte die Stuttgarter Polizei aber nicht wissen. Auch ihre Reaktion auf die Randale entsprach – zweitens – dem üblichen Schema: Sie fragte nicht nur nach der Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen, sondern recherchierte bundesweit nach einem möglichen Migrationshintergrund der Eltern.
Was Polizei im Alltag bedeutet, hängt ab von der sozialen Position der Polizierten. Das ist die zentrale Aussage dieses Heftes.
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Die nächste Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP wird sich einmal mehr mit dem Thema „Staatsgewalt gegen Rechts“ befassen, das uns schon anlässlich des NPD-Verbotsverfahrens 2001 und erst recht im Zusammenhang mit dem NSU beschäftigte.