Das Europäische Parlament und der Rat haben sich im Januar 2023 auf zwei Gesetzesvorhaben zur Sicherung und Herausgabe elektronischer Beweismittel in Strafsachen geeinigt.[1] Das „E-Evidence“-Paket besteht aus einer Verordnung sowie einer ergänzenden Richtlinie. Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens ist, dass Strafverfolgungsbehörden zunehmend auf im Ausland gespeicherte Daten zugreifen wollen. Deren Herausgabe richtet sich traditionell nach den Vorschriften der internationalen Rechtshilfe. Allerdings werden entsprechende Verfahren von den Behörden als zu langsam und ineffizient wahrgenommen. Daher haben die USA bereits 2018 den sog. CLOUD ACT erlassen, der US-amerikanische Technologiefirmen verpflichtet, auch Daten, die auf ihren Servern im Ausland gespeichert werden, an US-Strafverfolgungsbehörden herauszugeben. Ein ähnliches Verfahren sieht die E-Evidence-Verordnung vor, auf die sich die europäischen Rechtssetzungsorgane nun geeinigt haben.
Demnach sollen die Strafverfolgungsbehörden des sog. Anordnungsstaates private Anbieter*innen von Kommunikationsdiensten o. ä., die in einem anderen EU-Mitgliedstaat, dem sog. Vollstreckungsstaat, ihren Sitz haben, zur Herausgabe der Daten (oder zur Sicherung für eine spätere Herausgabe) verpflichten können. Die Herausgabe oder Sicherung muss innerhalb von zehn Tagen, in Ausnahmefällen sogar innerhalb von acht Stunden erfolgen. Kommen die Diensteanbieter*innen der Anordnung nicht nach, drohen ihnen Bußgelder von bis zu 2 % ihres weltweiten Jahresumsatzes. Auch Unternehmen, die über keinen Sitz in der EU verfügen, aber dort Dienstleistungen anbieten, müssen gemäß der ergänzenden Richtlinie Vertreter*innen benennen, an die Herausgabe- und Sicherungsanordnungen gerichtet werden können.
Die Behörden im Vollstreckungsstaat können nur wenige in der Verordnung vorgesehene Ablehnungsgründe gegen die Herausgabe- oder Sicherungsanordnung geltend machen. Der Regelfall soll hingegen sein, dass die jeweiligen Unternehmen die angeforderten Daten an den Anordnungsstaat innerhalb der Frist herausgeben und so die Effizienz der Strafverfolgung steigern. Eine „Kompensation“ dieses staatlichen Machtzuwachses durch die Stärkung von Beschuldigtenrechten im Strafverfahren findet dagegen nicht statt.