Interview mit Marleen Neuling von den Kritischen Jurastudierenden Hamburg
„Uns geht es um das systematische undemokratische Verhalten des Verfassungsschutzes“, sagt Marleen Neuling. Sie klagt gegen den Hamburger Verfassungsschutz, weil dieser ihr die Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten verweigert. Lennart Mühlenmeier sprach mit ihr über die „Datenschmutzkampagne“, die Klage und ihre Motivation.
Im vergangenen Jahr organisierten die Kritischen Jurastudierenden Hamburg unter anderem in der Roten Flora vier „Datenschmutzkampagnen“. Dabei stellten die Teilnehmenden sogenannte Auskunftsanfragen zu ihrer Person bei dem Geheimdienst. Datenschmutz.de[1] ist die Hilfeseite für eben solche Anfragen. Die von der Roten Hilfe Heidelberg gemachte Seite beinhaltet einen Generator für Auskunftsanfragen.
Doch der Verfassungsschutz lehnte ihre Anfragen ab. Die Bearbeiter*innen witterten eine koordinierte Aktion, um den Dienst auszuspähen. Gegen diese Absage klagt Marleen Neuling, Rechtsreferendarin aus Hamburg. Die Klage wird unterstützt von der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen Hamburg, der Humanistischen Union Hamburg und der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Klage gegen den Verfassungsschutz: Das Hamburger Landesamt fühlt sich „ausspioniert“ weiterlesen →
Es war einer der größten und teuersten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik. Und dennoch entpuppte sich das Ziel einer komplett kontrollierten Stadt als unerreichbar. Die Berliner Gruppe *andere zustände ermöglichen (*aze) und der Soziologe Peter Ullrich sprechen über Riots, mediale Polarisierung und Grenzen des Rechtsstaats.Inszenierung des Ausnahmezustands beim G20-Gipfel in Hamburg: Interview mit Peter Ulrich und *aze weiterlesen →
Zentrales Merkmal des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ist der staatsfreie, unreglementierte Charakter von Protesten. Ihnen steht ein in den 50er Jahren verhaftetes, regulierendes und sanktionierendes Versammlungsrecht gegenüber, dessen Vollstreckungsorgane auf dem aktuellen Stand der Überwachungstechnik sind.
Schuhe werden im Internet bestellt, Filme gestreamt, Meinungen gepostet, Petitionen geklickt, aber demonstriert wird immer noch auf der Straße. Auch im Zeitalter der Digitalisierung ist das Bedürfnis nach physischer Präsenz auf der Straße nach wie vor hoch. Die Anzahl angemeldeter und durchgeführter Versammlungen hält sich seit Ende der 90er Jahre auf einem anhaltend hohem Niveau (für Berlin, vgl. Tabelle). Sand im Getriebe: Kämpfe mit dem und um das Versammlungsrecht weiterlesen →
Die paramilitärische Aufrüstung der deutschen Polizeien im Namen des Antiterrorismus zeigt Stück für Stück sichtbare Wirkungen im Bereich des Protest Policing. Der „Bürgerkriegseinsatz“ der Spezialkräfte während des G20-Gipfels in Hamburg könnte sich als Wendepunkt entpuppen.
Noch 2014 erschienen die Bilder von militärisch bewaffneten Polizeikräften zur Niederschlagung der Proteste in der US-Kleinstadt Fergusson als erschreckender Anblick, der einer Erklärung bedurfte. Beispielhaft wies die Deutsche Welle damals darauf hin, dass die lokalen Polizeibehörden der USA seit dem Krieg gegen die Drogen in den 1990er Jahren im Rahmen eines Regierungsprogramms mit ausrangierten Waffen und Ausrüstungen des US-Militärs ausgestattet werden.[1] Mit dem Krieg gegen den Terror und der Beendigung des Kriegseinsatzes im Irak wurde das Programm mit dort verwendetem Material aufgestockt. In besagtem Beitrag wurde an kritischen Stimmen – sogar solchen aus den Reihen der US-Regierung – nicht gespart. Eine Bezugnahme zu den hiesigen Verhältnissen fand jedoch nicht statt. Das stellt sich mittlerweile als bedeutende Leerstelle heraus. Militarisierung des Protest Policing: Polizeikrieger als autoritäre Konfliktlösung weiterlesen →
Eine EU-„Extremistendatei“ müsse her – das war eine der Forderungen, mit der die etablierte Politik auf die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg reagierte. Seit dem EU-Gipfel von Göteborg im Juni 2001 und dem der G8 in Genua einen Monat später ist die Einrichtung einer solchen Datenbank über „troublemakers“ regelmäßig Gegenstand der einschlägigen EU-Gremien. Die Forderung – vor allem vorgetragen von deutschen Politiker*innen – ist aber ebenso regelmäßig gescheitert – an technischen und an rechtlichen Problemen. Aber auch ohne eine solche europäische Datei tauschen die „Sicherheitsbehörden“ anlässlich von Gipfeltreffen Daten aus – so auch beim Hamburger G20-Treffen. Kommentar: Die Hamburger Datenschlacht weiterlesen →
Die PolizistInnen waren die Guten, die HeldInnen. Die LinksextremistInnen waren die Bösen. Die Schuldzuweisungen waren schnell gemacht und halten sich hartnäckig trotz aller Widersprüche. Eine (unvollständige) Nachlese der Gipfelwoche.[1]
„Sie sind verachtenswerte gewalttätige Extremisten, genauso wie Neonazis das sind und islamistische Terroristen“, verkündete Bundesinnenminister Thomas de Maizière, kaum war die Woche zu Ende.[2] „Die Krawallmacher sollten die Demonstrationsorte gar nicht erst erreichen dürfen“, legte der Minister ein paar Tage später nach. „Eine Konsequenz aus Hamburg kann sein, mehr Meldeauflagen zu erlassen. Die entsprechenden Befugnisse in den Polizeigesetzen können noch effektiver genutzt werden … Wir sollten ihnen auferlegen, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei der Polizei zu melden oder ihnen notfalls Fußfesseln anlegen“ – ein Instrument, das die Große Koalition gerade erst für „Gefährder“ aus dem Umfeld des Terrorismus gesetzlich absegnen ließ.[3]Keine Polizeigewalt? Protest und Polizei beim Hamburger G20-Gipfel weiterlesen →
Nachdem die Hamburger Polizei im Januar 2014 große Teile des Bezirks Altona zum „Gefahrengebiet“ erklärte, sind die polizeirechtlichen Befugnisse zur verdachtsunabhängigen Kontrolle an bestimmten Orten bundesweit zum ersten Mal seit vielen Jahren zum Gegenstand einer breiten politischen Debatte geworden.
Der spektakulären Einrichtung des „Gefahrengebiets“ und der damit verbundenen Ermächtigung zu verdachtsunabhängigen Kontrollen am 4. Januar 2014 waren Proteste gegen die Räumung der Roten Flora, die städtische Flüchtlingspolitik und den Abriss der Esso-Häuser vorausgegangen. Zwar ließ sich die polizeiliche Version eines Angriffs auf die Davidwache und der schweren Verletzung eines Beamten nicht halten. Dennoch begründete die Polizei ihre Maßnahme mit einem „hohen Aggressionspotential gegenüber Polizeibeamten und polizeilichen/staatlichen Einrichtungen“.[1] Städtische Protestakteure skandalisierten erfolgreich die Sonderkontrollzonen. Am 9. Januar wurde das Gefahrengebiet verkleinert, am 13. Januar ganz aufgehoben. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verteidigte die „Gefahrengebiete“ vehement gegen jede Kritik, und Innensenator Michael Neumann (SPD) nannte sie „eine Erfolgsgeschichte“.[2]Gemeingefährlich – Gefahrengebiete bescheren der Polizei Sonderbefugnisse weiterlesen →
Der Kampf gegen den Terrorismus wird seit dem 11. September 2001 militärisch, polizeilich, politisch und juristisch geführt. Dabei bleiben Bürger- und Menschenrechte regelmäßig auf der Strecke. Die bisherigen Strafverfahren gegen mutmaßliche Terrorhelfer in Deutschland sind keine Ausnahme.
Als Ronald Schill vor seinem Amtsantritt als Hamburger Innensenator versprach, „Wir werden die Kriminalität innerhalb der ersten 100 Tage unserer Amtszeit halbieren!“, war das nur das schillerndste Beispiel für den politischen Irrglauben, die Kriminalitätsrate ließe sich mittels verstärkter Polizeipräsenz und harter Strafen senken.
Selbst wenn man unterstellen wollte, mehr Polizei auf den Straßen wirke präventiv: Gemessen wird die Kriminalitätsrate mittels polizeilicher „Kriminalstatistiken“ und dort werden genau jene Straftaten gezählt, die der Polizei bekannt werden. Mit erhöhter Polizeiaktivität steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Straftaten bekannt werden, daher bedeutet mehr Polizei statistisch gesehen im Regelfall mehr Kriminalität. Tatsächlich ist die amtliche Kriminalitätsziffer in Hamburg 2003 leicht gestiegen. Der Schill-Effekt war also vorhersehbar. Regieren mit Angst – Warum die Kriminalstatistik gerne falsch interpretiert wird weiterlesen →
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