Das Thema „Polizei und Rechtsextremismus“ hat in den Medien Konjunktur. Dabei werden unterschiedliche Aspekte beliebig zusammengerührt: die (fehlende) kriminalistische Aufmerksamkeit für rechte und rassistische Tatmotive, das polizeiliche Vorgehen gegen rechtsextremistische Täter*innen sowie die Existenz rechtsextremer Netzwerke und rassistischer Einstellungen innerhalb der Polizei selbst. Erst eine tiefergehende Betrachtung jeder dieser Aspekte ermöglicht Erkenntnisse jenseits der wiederkehrenden Empörung über einzelne Skandale.
Nachdem die Anschläge von Kassel, Halle und Hanau offenbar als Weckruf für die bislang in Sachen Rechtsextremismus und -terrorismus eher träge Bundesregierung dienten, sollen Polizei und Strafjustiz es nun richten. Nur wenige Wochen nach dem Angriff auf die Synagoge und die Gäste eines Dönerladens in Halle präsentierte die Bundesregierung Ende Oktober 2019 ein „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“.[1] Dies umfasste insbesondere Pläne, den Hass im Netz besser zu verfolgen. Hierfür will die Große Koalition nun das Strafrecht verschärfen und etwa Drohungen mit körperlicher Gewalt oder die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten kriminalisieren. Von Staatsschutz bis Schattenboxen: Polizei gegen rechts – eine Einleitung weiterlesen →
Neben der Kriminalisierung des Vorfeldes terroristischer Handlungen setzt staatliche Terrorismusprävention zunehmend auf Interventionen zur Verhinderung oder Umkehr von „Radikalisierung“. Obwohl der Begriff umstritten ist, wird die Radikalisierungsprävention zum Experimentierfeld von Zensur, Propaganda und der Kooptierung zivilgesellschaftlichen Engagements für staatliche Zwecke.
In der Debatte um die richtige Antwort auf religiös-fundamentalistischen Terror islamistisch motivierter EinzeltäterInnen und Gruppen erschallt immer wieder der Ruf nach einer Präventionsstrategie. Die Forderung nach mehr Prävention kommt dabei aus unterschiedlichen Ecken. Auf der einen Seite des Spektrums stehen die TrägerInnen von Konzepten des präventiven Sicherheitsstaats, die die polizeilich-geheimdienstliche Bekämpfung des Terrorismus um weitere Elemente ergänzen wollen, die nicht auf den ersten Blick repressiv sind. Auf der anderen Seite stehen die KritikerInnen des Ausbaus von Befugnissen und (technischen) Fähigkeiten der Repressionsbehörden, die frühzeitig die Entwicklung von religiösem Fanatismus und Gewaltbereitschaft verhindern wollen. Wunderwaffe „Deradikalisierung“: Prävention im Dschungel von Polizei und Geheimdiensten weiterlesen →
Die Polizeiagentur Europol soll zur Bekämpfung des Terrorismus enger mit dem geheimdienstlichen Lagezentrum („EU Intelligence Analysis Centre, INTCEN) kooperieren. In einer Mitteilung des Generalsekretariates des Rates der Europäischen Union an den Ständigen Ausschuss für die innere Sicherheit (COSI) werden zukünftige gemeinsame „Bedrohungsanalysen“ angekündigt. Diese sollen regelmäßig erstellt und zunächst in der Ratsarbeitsgruppe „Terrorismus“ vorgestellt werden. Dort verabreden die Delegierten aus den Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen, die schließlich dem COSI vorgelegt werden. Der COSI spricht dann Empfehlungen für neue Maßnahmen aus. EU-Terrorismusbekämpfung: Mehr Einbindung der Geheimdienste weiterlesen →
Nicht erst seit den Anschlägen in Paris und Kopenhagen haben die EU und ihre Mitgliedstaaten die „foreign fighters“ im Visier, EinwohnerInnen oder gar Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten, die nach Kämpfen in Syrien oder im Irak bzw. einer entsprechenden Ausbildung im Jemen nach Europa zurückkehren. Sie sind die Legitimation für eine ganze Serie neuer Anti-Terror-Maßnahmen.
Mit mehreren Gesetzesänderungen will die Bundesregierung „ausländischen Kämpfern“ zu Leibe rücken. Zur Verhinderung einer „Terrorismusfinanzierung“ will sie verdächtigte Finanzströme ausforschen lassen. Die Ausreise zur Teilnahme an „Terror-Camps“ soll unter Strafe gestellt werden. Verdächtigen droht künftig der Passentzug. Und es soll möglich sein, einen „Ersatz-Personalausweis“ auszustellen, der nicht zur Ausreise berechtigt. Die Bundesregierung bezeichnet die neuen Gesetze als „Teil einer seitens des Bundes verfolgten Gesamtstrategie“, zu der auch Maßnahmen im Ausländerrecht gehören.[1]Die neuen Anti-Terror-Pakete der EU: Der Kampf gegen die „ausländischen Kämpfer“ weiterlesen →
Seit 1951 ist das Bundeskriminalamt (BKA) Scharnier zwischen den (Kriminal-)Polizeien der Länder und jenen des Auslands. Mit der zunehmenden Internationalisierung seiner Arbeit hat sich das Amt zu einem wichtigen Akteur der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt.
Als erster Bereich der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung startete die Kriminalpolizei am 1. Oktober 2009 einen Bachelor-Studiengang. Seither qualifiziert sich der Nachwuchs in Bologna-konform modularisierter und angeblich international vergleichbarer Weise für den gehobenen Dienst beim BKA. Das Studium, so eine Pressemitteilung, vereine „wissenschaftliche und kriminalpraktische Disziplinen mit den Anforderungen an eine enge Zusammenarbeit der Polizeidienststellen auf europäischer und internationaler Ebene“.[1] Zum Konzept gehören auch Sprachschulungen und Praktika im Ausland. Das Amt reagierte mit dem neu strukturierten Studium also nicht nur auf die Vorgaben zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums, sondern nutzte die Chance auch zur Anpassung der Ausbildung an die wachsende Internationalisierung seiner Arbeit. Weltpolizist Bundeskriminalamt – Von Interpol Wiesbaden zur Vorverlagerung nach Berlin weiterlesen →
Europol soll „enger Partner und Fokus“, „wirkliche Informationsplattform für die Mitgliedstaaten“ werden, fordert die „Zukunftsgruppe“, die den neuen Fünfjahresplan der EU-Innenpolitik vorbereitete.[1] Die ständige Wiederkehr solcher Formeln zeigt die fortdauernde Skepsis der nationalen Polizeibehörden gegenüber diesem zentralistischen Konstrukt.
Das Europäische Polizeiamt hat im Juli 1999 formell seine Arbeit aufgenommen, nachdem die vier Jahre zuvor unterzeichnete Konvention von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und in Kraft getreten war. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vorläuferinstitution, die Europol-Drogenstelle, bereits sieben Jahre und mehrere Ausweitungen ihres Mandats hinter sich. Die Debatte um den Auftrag und die Befugnisse des Amtes ging danach jedoch erst richtig los.
Der 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag und die „Schlussfolgerungen“ des Europäischen Rates von Tampere aus demselben Jahr forderten die Ausweitung der Tätigkeit in den operativen Bereich, was ohne eine Änderung des Vertrages nicht möglich war. Im Juli 2001 war die Europol-Arbeitsgruppe des Rates bei einer „shopping list“ von insgesamt 26 möglichen Korrekturen angelangt.[2]Die Rolle Europols – Von den Schwierigkeiten des polizeilichen Zentralismus weiterlesen →
Das erste und bisher einzige „Terrorismusverfahren“, das die schweizerische Bundesanwaltschaft bisher zur Anklage gebracht hat, endete am 28. Februar 2007 mit weitgehenden Freisprüchen. Von den Vorwürfen der Unterstützung für Al Qaida und der Bildung einer kriminellen Organisation blieb nichts übrig.
Die Akten des Verfahrens „Saud“ füllen 290 Ordner. 938.000 Franken (gut 610.000 Euro) Untersuchungskosten, davon 210.000 für Telefonüberwachungen, hatte es bereits verschlungen, als die Bundesanwaltschaft (BA) im September 2006 ihre Anklageschrift beim Bundesstrafgericht in Bellinzona einreichte. Jetzt muss die Bundeskasse zusätzlich für 368.000 Franken Anwaltshonorare und für Haftentschädigungen von zwischen 9.000 und 93.000 Franken für die sieben Angeklagten aufkommen, die bis zu fünfzehn Monate in Untersuchungshaft saßen.[1] Sechs von ihnen verurteilte das Gericht wegen Schlepperei und der damit zusammenhängenden Urkundenfälschung: Sie hatten Personen vorwiegend aus dem Jemen in die Schweiz gebracht und sie mit gefälschten somalischen Papieren ausgestattet. Die meisten Eingeschleusten hatten dann einen Asylantrag gestellt. Eine kriminelle Organisation im Sinne des Art. 260ter Strafgesetzbuch wollte das Gericht nicht erkennen, und es sah auch nicht die von der BA beschworene Verbindung zur Al Qaida. Der angebliche ideologische Kopf der Gruppe, ein ehemaliger Imam aus dem Jemen, erreichte einen kompletten Freispruch. 200 Dollar und ein paar SMS – Ein schweizerischer „Terror-Prozess“ weiterlesen →
Die EU will die „Hindernisse“ für den grenzüberschreitenden Austausch von Polizeidaten beseitigen. Sie beseitigt damit gleichzeitig die Voraussetzungen des Datenschutzes.
„Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 sollte sich der Austausch dieser Informationen nach den für den Grundsatz der Verfügbarkeit geltenden Bedingungen richten.“ So steht es im Haager Programm, dem Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik, den die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, im November 2004 angenommen haben.[1] Dieses Prinzip „bedeutet, dass unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter in einem Mitgliedstaat, der für die Erfüllung seiner Aufgaben Informationen benötigt, diese aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann und dass die Strafverfolgungsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat, die über diese Informationen verfügt, sie – unter Berücksichtigung des Erfordernisses in diesem Staat anhängiger Ermittlungen – für den erklärten Zweck bereitstellt …“. Anders ausgedrückt: Wenn die Polizei eines EU-Staates über Informationen verfügt, muss sie diese auf Anfrage an einen anderen Mitgliedstaat herausrücken. Der polizeiliche Datenaustausch im Rahmen der EU wird damit weitgehend denselben Bedingungen unterstellt, die im nationalen Kontext gelten. Freier Markt für Polizeidaten – Das Prinzip der Verfügbarkeit weiterlesen →
Mit der Schaffung eines Straftatbestandes der „Verherrlichung“ will die britische Regierung die Europaratskonvention „zur Prävention des Terrorismus“ umsetzen: ein gefährlicher Schritt zur Kriminalisierung von Meinungen.
Die gute Nachricht vorweg: In der Debatte über den neuesten Anti-Terror-Gesetzentwurf seiner Regierung hat Premierminister Tony Blair am 9. November 2005 erstmals in seiner nunmehr achtjährigen Amtszeit eine Abstimmung im Unterhaus verloren. Mit 322 zu 291 Stimmen lehnten es die „Commons“ ab, die Dauer der Haft ohne Anklage für Terrorismusverdächtige von derzeit 14 auf 90 Tage heraufzusetzen. Anfang der 90er Jahre lag diese Frist noch bei 48 Stunden. Das Unterhaus akzeptierte jetzt einen Kompromiss von „nur“ 28 Tagen.[1]Terrorismus ohne Terroristen? Die Europaratskonvention zur „Terrorismus-Prävention“ weiterlesen →
Die Terrorismusbekämpfung hat der Innen- und Justizpolitik der EU neuen Treibstoff zugeführt. Wohin die Reise gehen soll, ist einem 64 Punkte umfassenden „Fahrplan“ zu entnehmen, der seit Oktober 2001 ständig aktualisiert wird.[1]
Der Entwurf für eine gemeinsame Terrorismus-Definition hat offenbar bereits vor den Anschlägen vom 11. September 2001 in einer Schublade der EU-Kommission gelegen, denn präsentiert wurde er bereits acht Tage danach. Am 22. Juni 2002 trat der entsprechende Rahmenbeschluss in Kraft.[2] Die Mitgliedstaaten haben ihn nun in ihr Strafrecht zu übernehmen; d.h. unter anderem, dass sie entweder einen Straftatbestand der „terroristischen Vereinigung“ neu einführen oder – wie Deutschland und fünf weitere EU-Staaten – bereits bestehende Regelungen anpassen müssen. Terrorismusbekämpfung in der EU – Ein Jahr nach dem 11. September weiterlesen →
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