Archiv der Kategorie: CILIP 114

Die Cyberpolizei (November 2017)

„Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia

Interview mit einem Betroffenen

Am 25. August machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das vereinsrechtliche Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia bekannt. Am gleichen Tag durchsuchte die Polizei das autonome Zentrum KTS sowie die Wohnungen mehrerer angeblicher Mitglieder des nun verbotenen „Vereins“. Matthias Monroy sprach mit einem Betroffenen.

Weil das Bundesinnenministerium mutmaßliche Verantwortliche der Webseite in Freiburg im Breisgau ausmachte, wurde das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit dem Vollzug beauftragt. Die Betroffenen werden nach dem Vereinsgesetz verfolgt. Als BetreiberInnen hätten sie Kenntnis strafbarer Inhalte gehabt, aber ihre Möglichkeit nicht genutzt, diese zu löschen. Bei den Razzien wurde auch das autonome Zentrum in Freiburg durchsucht. Dort gefundene Technik und Gelder wurden als „Vereinsvermögen“ beschlagnahmt. „Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Sich die „Cyberpolizei“ durch Veröffentlichungen zu erschließen, stößt auf drei grundsätzliche Schwierigkeiten: Erstens liegen ihre Besonderheiten in der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen, die regelmäßig verdeckt gewonnen werden. Das Verdeckte resultiert zum einen aus der technischen Natur (schon das Mithören von Telefonen sollten die Abgehörten nicht merken können), zum anderen verwenden die Behörden viel Aufwand darauf, dass ihr Mithören, -lesen und -sehen nicht auffällt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Zahl und Qualität der Veröffentlichungen eher gering ist. Dies wird durch einen zweiten Umstand verschärft, der darin besteht, dass die Bezeichnung „Cyberpolizei“ insofern missverständlich ist, weil in diesem Feld die Unterschiede zwischen Polizeien und Geheimdiensten verschwimmen, weil beide an der Entwicklung entsprechender Überwachungstools ein gemeinsames Interesse haben. Und drittens wirkt hemmend auf die öffentliche Berichterstattung, dass die technische Entwicklung rasant voranschreitet und getrieben wird durch die Kooperation staatlicher Behörden und privatwirtschaftlicher IT-Unternehmen. Die einen scheuen die Öffentlichkeit wegen vermeintlicher Sicherheitsbedenken, die anderen wegen der Konkurrenz anderer Anbieter. Kein Wunder, wenn Externen nur selten der Einblick in diese Bereiche gelingt. Literatur weiterlesen

Digitale Migrationskontrolle: Geflüchtete als Versuchskaninchen neuer Ermittlungsmethoden

Veranstaltung mit Anna Biselli von Netzpolitik.org und Britta Rabe vom WatchTheMed-Alarmphone

Sprachanalyse-Software, Überwachung von Finanztransaktionen, Satellitenaufklärung – das sind nur einige der digitalen Maßnahmen, mit denen Behörden MigrantInnen auf die Pelle rücken. Hinzu kommen die massenhafte Handydatenauswertung und die Nutzung von Geodaten in Asylverfahren. In Europa angekommen, landen Asylsuchende in riesigen Fingerabdruckdatenbanken, die jetzt mit Gesichtserkennung aufgerüstet werden. Längst wird die Migrationskontrolle auch auf das Internet ausgeweitet. Facebook, WhatsApp und Google Maps spielen auf der Flucht eine besondere Rolle, was die Ausforschung der Sozialen Netzwerke auch für Polizei und Geheimdienste interessant macht. Doch auch antirassistische Initiativen nutzen digitale Medien zur Verbreitung unabhängiger Informationen.

Freitag, 26. Januar 2018, 19.30 Uhr in der c-base, Rungestraße 20, Berlin-Mitte (S- und U-Bhf Jannowitzbrücke, Zugang auch entlang der Spree )

Die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP widmet ihre Ausgaben immer wieder der Migrationskontrolle. Im aktuellen Heft resümiert Anna Biselli von Netzpolitik.org neue technischen Maßnahmen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Asylverfahren. Britta Rabe vom WatchTheMed-Alarmphone erläutert in der Veranstaltung die Bedeutung von Mobiltelefon und Internet auf der Flucht und die Begehrlichkeiten zu ihrer Überwachung.

Britta Rabe:

Anna Biselli:

Diskussion:

Veranstaltet vom Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.

Militarisierung des Protest Policing:  Polizeikrieger als autoritäre Konfliktlösung

Von Martin Kirsch

Die paramilitärische Aufrüstung der deutschen Polizeien im Namen des Antiterrorismus zeigt Stück für Stück sichtbare Wirkungen im Bereich des Protest Policing. Der „Bürgerkriegseinsatz“ der Spezialkräfte während des G20-Gipfels in Hamburg könnte sich als Wendepunkt entpuppen.

Noch 2014 erschienen die Bilder von militärisch bewaffneten Polizeikräften zur Niederschlagung der Proteste in der US-Kleinstadt Fergusson als erschreckender Anblick, der einer Erklärung bedurfte. Beispielhaft wies die Deutsche Welle damals darauf hin, dass die lokalen Polizeibehörden der USA seit dem Krieg gegen die Drogen in den 1990er Jahren im Rahmen eines Regierungsprogramms mit ausrangierten Waffen und Ausrüstungen des US-Militärs ausgestattet werden.[1] Mit dem Krieg gegen den Terror und der Beendigung des Kriegseinsatzes im Irak wurde das Programm mit dort verwendetem Material aufgestockt. In besagtem Beitrag wurde an kritischen Stimmen – sogar solchen aus den Reihen der US-Regierung – nicht gespart. Eine Bezugnahme zu den hiesigen Verhältnissen fand jedoch nicht statt. Das stellt sich mittlerweile als bedeutende Leerstelle heraus. Militarisierung des Protest Policing:  Polizeikrieger als autoritäre Konfliktlösung weiterlesen

Die Datenschatten: Zum staatlichen Umgang mit vernetzten Datenbeständen

von Rainer Rehak

Mit der zunehmenden Digitalisierung hinterlassen die Handlungen von Menschen Metadaten in den jeweiligen Systemen. Sie werden für die kommerzielle Profilerstellung, aber auch für folgenschwere polizeiliche und geheimdienstliche Zwecke ausgewertet. Über diese technikgläubige Herangehensweise muss dringend diskutiert werden.

Seit ihrer Existenz sammeln und speichern staatliche Stellen Informationen über ihre BürgerInnen. Auch die damit eng verbundene Grenze zwischen als notwendig erachteter Verwaltung und weit darüber hinausgehenden Kontrollabsichten ist seit jeher Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen. Seit Jahrzehnten befinden wir uns nun im Prozess einer zunehmenden automatisierten Datenverarbeitung persönlicher, geschäftlicher sowie gesellschaftlicher Interaktionen – inzwischen lapidar „Digitalisierung“ genannt. Informationen werden nicht mehr in dunklen Kellern in Form von papierenen Aktenmetern abgelegt, aufbewahrt und mühsam manuell durchsucht, sondern können in vernetzen informationstechnischen Systemen erzeugt und verarbeitet werden. Volltextsuche, Mehrfachindexierung, Sortieren, Filtern und effizientes Speichern sind dabei nur noch Fingerübungen der Informatik, die in jedem Informatikbuch über Algorithmen nachzulesen sind.[1] Die Datenschatten: Zum staatlichen Umgang mit vernetzten Datenbeständen weiterlesen

Digitalisierte Migrationskontrolle: Wenn Technik über Asyl entscheidet

von Anna Biselli

Sprachanalyse-Software, Fingerabdruckabgleich und Handydatenauswertung – das sind nur einige Maßnahmen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in den letzten Monaten eingeführt hat. Asylverfahren werden digital, die Entscheidungen über menschliche Schicksale zunehmend Maschinen überlassen.

Das BAMF greift immer stärker auf technische Mittel zurück, wenn es darum geht, die Identität und Herkunft von Asylsuchenden zu bestimmen und zu prüfen. Laut BAMF könnten nur etwa 40 Prozent der AntragsstellerInnen einen Pass vorlegen. Ein sogenanntes digitales Assistenzsystem soll dem „besseren Flüchtlingsmanagement“ dienen und helfen, das Problem der Identitätsfeststellung zu bewältigen. Das System wurde zunächst in der Aufnahmeeinrichtung des BAMF in Bamberg getestet und wird nun bundesweit eingesetzt.[1] Digitalisierte Migrationskontrolle: Wenn Technik über Asyl entscheidet weiterlesen

Redaktionsmitteilung

„Es wäre doch keinem zu erklären, wenn wir zum Beispiel die Polizei bei Nachrichten über Messengerdienste blind und taub lassen würden“, erklärte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl am 13. November 2017 – zwei Tage bevor eine ganz große Koalition aus Grünen, CDU und SPD im Landtag die Polizei zur präventiven Überwachung der Telekommunikation und zur Nutzung von Trojanern ermächtigte. Mit dem Verweis auf die Messengerdienste bewegt sich der Minister zwar auf dem neuesten Stand der Technik, die Kernaussage seines Statements ist jedoch von vorgestern. Sie besagt, dass es erstens keine überwachungsfreie Kommunikation geben dürfe und dass zweitens die Polizei stets rechtlich in die Lage versetzt werden müsse, alle vorhandenen Überwachungstechniken auch nutzen zu dürfen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Leipzig: Größte Strukturermittlung seit 1989

Stephan Martin

Von Oktober 2013 bis zur Einstellung im November 2016 führte zunächst die Staatsanwaltschaft Dresden und schließlich die der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft angegliederte „Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen“ (INES) ein Verfahren gegen insgesamt 14 Beschuldigte wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch.[1] Dessen Ausgangspunkt war ein Vorfall im April 2013: Zwei „Rechte“ waren am Besuch des „Impericon Festival“ gehindert und anschließend von bis zu acht vermummten Personen verprügelt worden. Drei der mutmaßlichen Täter hatte die Polizei feststellen können. Sie vermutete jedoch von Anfang an, dass eine kriminelle Organisation, die „systematisch und gewaltsam gegen politisch unliebsame Personen“ vorgehe, hinter dieser und anderen Attacken stecken würde.[2] Leipzig: Größte Strukturermittlung seit 1989 weiterlesen