Schlagwort-Archive: LKA

Fahndung ins Blaue hinein: Daten der Freiburger Studierendenschaft beschlagnahmt

von Udo Kauss

Das Verbot von linskunten.indymedia.org hat Auswirkungen auf die studentische Selbstverwaltung (VS) der Universität Freiburg. Zufällig ist ein Sicherheits-Backup der VS der Polizei in die Hände gefallen – was die Sicherheitsbehörden als willkommene Gelegenheit sehen, das gesamte Leben der studentischen Selbstverwaltung auf Bezüge zu der verbotenen Internetplattform auszuwerten. Verhindert wurde dies bisher nur durch die noch nicht überwundene Verschlüsselung der Daten.

Am 25. August 2017 fanden im Zuge des Verbots der Internetplattform linksunten.indymedia.org Wohnungsdurchsuchungen bei fünf in Freiburg wohnenden Personen statt, die vom Bundesminister des Innern (BMI) als Mit-Verantwortliche der Internetplattform bezeichnet werden.

Grundlage war ein Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Freiburg vom 21. August 2017, wonach deren Wohnungen zu durchsuchen und „aufgefundene Gegenstände, Unterlagen, Dokumente und Druck­werke, … die als Beweismittel für das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Verein linksunten.indymedia.org von Bedeutung sein können“, zu beschlagnahmen seien. Fahndung ins Blaue hinein: Daten der Freiburger Studierendenschaft beschlagnahmt weiterlesen

„Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia

Interview mit einem Betroffenen

Am 25. August machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das vereinsrechtliche Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia bekannt. Am gleichen Tag durchsuchte die Polizei das autonome Zentrum KTS sowie die Wohnungen mehrerer angeblicher Mitglieder des nun verbotenen „Vereins“. Matthias Monroy sprach mit einem Betroffenen.

Weil das Bundesinnenministerium mutmaßliche Verantwortliche der Webseite in Freiburg im Breisgau ausmachte, wurde das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit dem Vollzug beauftragt. Die Betroffenen werden nach dem Vereinsgesetz verfolgt. Als BetreiberInnen hätten sie Kenntnis strafbarer Inhalte gehabt, aber ihre Möglichkeit nicht genutzt, diese zu löschen. Bei den Razzien wurde auch das autonome Zentrum in Freiburg durchsucht. Dort gefundene Technik und Gelder wurden als „Vereinsvermögen“ beschlagnahmt. „Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia weiterlesen

Auch die Vorgeschichte im Blick – Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss

Interview mit Martina Renner

Die Geschichte des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ beginnt nicht erst mit dem Abtauchen des Trios Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998. Das Gewaltpotenzial der Neonazi-Szene wurde verharmlost. Der Verfassungsschutz agierte mit seinen V-Leuten „rechts- und regellos“, sagt Martina Renner. Heiner Busch befragte die Landtagsabgeordnete der LINKEN und stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses.

Was ist der Auftrag des Untersuchungsausschusses?

Der Untersuchungsausschuss wurde im Januar 2012 auf gemeinsamen Antrag aller Fraktionen im Thüringer Landtag eingesetzt. Er soll mögliches Fehlverhalten der Sicherheits- und Justizbehörden des Landes im Zusammenhang mit Aktivitäten rechtsextremer Strukturen, insbesondere des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS), unter die Lupe nehmen. Zum Auftrag des Ausschusses gehört auch die Rolle der zuständigen Ministerien einschließlich ihrer politischen Leitungen sowie der mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitenden Personen, der so genannten menschlichen Quellen, der V-Leute also. Auch die Vorgeschichte im Blick – Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss weiterlesen

Im Schutz der Anonymität – LKA Niedersachsen fördert Denunziation

von Rolf Gössner

Seit Oktober 2003 läuft beim niedersächsischen Landeskriminalamt (LKA) ein bundesweit einmaliges Projekt, das der Korruptionsbekämpfung dienen soll. Per Internet können Bürger anonym Tipps geben, wer angeblich wen wo schmiert oder welche öffentlichen Leistungen erschleicht. Sein Projekt hat dem LKA eine „tadelnde Erwähnung“ bei den diesjährigen Big-Brother-Awards eingebracht.[1]

In zehn Monaten verzeichnete das LKA bereits 15.000 Zugriffe auf dieses „Business Keeper Monitoring System“.[2] 456 Verdachtsmeldungen seien eingegangen, davon 269 mit angeblich strafrechtlicher Relevanz. Rechtskräftige Urteile gibt es noch nicht. Die Denunziationsquote soll laut LKA bei nur 5 Prozent liegen; das wären etwa 23 Fälle – 23 Fälle zu viel. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Im Schutz der Anonymität – LKA Niedersachsen fördert Denunziation weiterlesen

Außer Spesen nichts gewesen – Polizeilich bestellte Drogenlieferung

von Anja Lederer

Zur effizienten Bekämpfung der vermeintlich zunehmenden und sich perfektionierenden „organisierten Kriminalität“ brauche es ausgedehnte polizeiliche Befugnissen, den Einsatz technischer Mittel und Verdeckte Ermittler. So schallt es seit Jahren aus den Reihen der RepressionstrategInnen. Dass die Erfolge im Zweifel bescheiden sind, zeigt das folgende Beispiel aus der Strafverfolgungspraxis.

Im Frühjahr 2004 wird das Landgericht Berlin drei Männer wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen zwischen siebeneinhalb und neun Jahren verurteilen. Die Geschichte ihres Falles beginnt damit, dass einer der drei einen Arbeitskollegen anspricht, der – wie er selbst – im schlecht bezahlten privaten Sicherheitsgewerbe arbeitet. Er fragt, ob dieser nicht junge deutsche Männer kenne, die gegen gutes Geld für ein paar Tage nach Südamerika fliegen und auf dem Rückweg „Stoff“ in die Niederlande bringen könnten, wo die „Ware“ dann von anderen Personen in Empfang genommen würde. Der Kollege geht prompt zur Polizei, wird dort mit seiner Geschichte jedoch zunächst weggeschickt. An der Wache hält man ihn dann doch noch zurück und fragt, ob er (im Folgenden: Zeuge X) bereit sei, „ggf. aktiv mit der hiesigen Dienststelle zusammenzuarbeiten“, insbesondere seinem Kollegen einen von der Polizei gestellten „Scheintransporteur“ vorzustellen. Er bejaht dies.[1] Außer Spesen nichts gewesen – Polizeilich bestellte Drogenlieferung weiterlesen

Polizeiliche Intelligence – Informationsverarbeitung und -auswertung als neue Strategie

von Sabine Strunk

Beschaffung und Speicherung von Informationen sowie deren Verarbeitung und Weitergabe sind seit jeher Grundlage kriminalpolizeilicher Tätigkeit, um aus vergangenen Ermittlungen und Erkenntnissen Aufklärungshinweise für aktuelle oder zukünftige Fälle zu gewinnen. Im Rahmen der pro-aktiven Verbrechensbe-kämpfung allerdings erweitert sich die Zielsetzung von der ‚Aufklärungsperspektive‘ hin zu einer Perspektive, die das frühzeitige Erkennen von Straftätern, die Verdachtsschöpfung, zum Gegenstand der Informationsverarbeitung macht. Die Übernahme der anglo-amerikanischen Terminologie ‚Intelligence‘ für den Prozeß der Auswertung signalisiert den skizzierten Strategiewandel und gibt dessen Richtung präziser an als der deutsche Begriff Auswertung: Gemeint ist die aktive Informationsgewinnung weit über das traditionell retrospektive polizeiliche Informationsfeld hinaus. Polizeiliche Intelligence – Informationsverarbeitung und -auswertung als neue Strategie weiterlesen

Polizeiliche Beobachtung – Mit der Stange im Nebel

von Heiner Busch

Ende der 70er Jahre wurde der Begriff der ‚Beobachtenden Fahndung‘ (BeFa) durch den der ‚Polizeilichen Beobachtung‘ (PB) ersetzt. Zu einer inhaltlichen Änderung kam es dabei jedoch nicht. Ob BeFa oder PB, das Kürzel steht für die heimliche Überwachung von Reisebewegungen. Möglich wurde dies durch den Auf-bau der elektronischen Fahndung mit Hilfe des INPOL-Systems in den 70er Jahren. In den Fahndungsdateien können Personen oder Fahrzeuge mit dem Fahndungszweck ‚Beobachtung‘ ausgeschrieben werden. ‚Fahndungstreffer‘ vor allem an Kontrollstellen, sollen den ausschreibenden Dienststellen ein Bild über die Kontakte und Bewegungen der beobachteten Person liefern. An der Effektivität dieser Vorfeldmaßnahme sind Zweifel aber durchaus angebracht.

Im Mai 1990 begab sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, der die Vorgänge um den Mordfall Schmücker unter die Lupe nehmen sollte, nach Nordrhein-Westfalen. In der polizeilichen Fortbildungseinrichtung ‚Schloß Schellenberg‘ sollten die ehemaligen V-Leute des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz, Volker Weingraber, Deckname „Wien“, und Christian Hain, Deckname „Flach“, in öffentlicher Sitzung befragt werden. Die für die Sicherheit der einstigen Spitzel verantwortliche nordrhein-westfälische Polizei bestand darauf, eventuelle ZuhörerInnen vorher durch eine Anfrage im INPOL-Datensystem zu überprüfen. Aufgrund der dabei zutage geförderten Ergebnisse sollte einigen Zuhörern der Zugang zu den Sitzungen verwehrt werden. Erst nach Protesten der Ausschußmitglieder wurden sie eingelassen. Polizeiliche Beobachtung – Mit der Stange im Nebel weiterlesen

Operative Zusammenarbeit über Grenzen – Verdeckte Aktionen und kontrollierte Lieferungen

von Heiner Busch

„In- und ausländischen Fahndungsbehörden ist ein Schlag gegen den internationalen Rauschgifthandel gelungen.“ Immer wenn größere Drogenmengen sichergestellt werden, gehören solche oder ähnliche Sätze zum festen Bestandteil polizeilicher Presseerklärungen und gelangen über diesen Weg – zumeist ohne hinterfragt zu werden – in die Zeitungsmeldungen. Wie die polizeiliche Zusammenarbeit konkret aussah, bleibt nebulös. Allenfalls erhalten die LeserInnen noch den lapidaren Hinweis, die Täter seien über einen längeren Zeitraum observiert worden, man habe einen Tip erhalten oder ein ‚Verdeckter Ermittler‘ sei an dem Einsatz beteiligt gewesen. Operative Zusammenarbeit über Grenzen – Verdeckte Aktionen und kontrollierte Lieferungen weiterlesen