Auch wenn es durchaus dem kritischen alltäglichen Sprachgebrauch entspricht, die Rede vom „Rechtsextremismus“ ruft zwischen den Zeilen förmlich nach seinem linken Pendant. Wer dem „Hufeisen-Modell“ mit seiner Gleichsetzung von rechts und links, die aus derselben Entfernung der „demokratischen Mitte“ resultieren soll, entgehen will, der oder die sollte lieber von der Rechten oder von der extremen Rechten reden, denn so werden Verbindungen, Anschlüsse und Entwicklungspfade deutlich, die zwischen der „Mitte der Gesellschaft“ und extrem rechtem Denken und Handeln bestehen.
Gerade diese Verbindungen spielen im dominierenden Diskurs keine Rolle. Dessen bevorzugte Quellen sind weiterhin die Berichte der Verfassungsschutzämter, die qua staatlichem Auftrag jene Bestrebungen beobachten, die jenseits der von den Ämtern gezogenen Grenze zwischen Radikalismus und Extremismus liegen. Durch diesen Zugang wird das gesamte Feld zugerichtet. Die Beschreibungen der rechtsextremistischen Gefahren abstrahieren von allen ökonomischen, sozialen und sozialpsychologischen Kontexten, um die Unterschiede zwischen der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und ihren rechten Feinden als wesensmäßige darstellen zu können. In solchen Perspektiven findet sich regelmäßig kein Platz für die Rechten im Staatsapparat, weil der per se auf der demokratischen Seite platziert ist. Literatur weiterlesen →
The issue of police and right-wing extremism is en vogue in the media. This article demonstrates the connections between three topics: the (lacking) investigative attention paid to right-wing motives; the police approach in dealing with far-right offenders; and the existence of far-right networks and racist attitudes within the police. In the name of combatting right-wing extremism, security authorities are endowed with expanding powers that are insufficiently applied for this purpose but allow for the criminalization of other phenomena labeled as extremism. This gap between institutional expansion and reluctancy towards substantial change explains right-wing attitudes and networks that reach into security authorities, and the exploration and addressing of which has not been politically implementable so far. Summaries weiterlesen →
Im Januar 2020 verbot das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Neonazi-Gruppe „Combat 18 Deutschland“. Zuvor war 20 Jahre lang die Existenz einer solchen Struktur verneint worden. Das Verbot kommt spät, und es umfasst nur einen Teil des militanten Netzwerks, das weiterhin besteht.
Aus Sicht des Innenministeriums richtet sich „Combat 18 Deutschland“ (C18) sowohl gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ als auch den „Gedanken der Völkerverständigung“ und läuft nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider. Damit sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 3 des Vereinsgesetzes erfüllt.[1] C18 Deutschland wurde somit am 23. Januar 2020 aufgelöst. Die Verbotsverfügung wurde sieben mutmaßlichen Mitgliedern überreicht; bei den betroffenen Neonazis fanden Hausdurchsuchungen statt. Es ist künftig verboten, Ersatzorganisationen zu bilden oder die Kennzeichen der Gruppe zu verwenden. Spätes Verbot: Zum staatlichen Umgang mit Combat 18 weiterlesen →
Am 5. November hat der Bundestag mit den Stimmen der Koalition den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen“ beschlossen. Damit müssen ab dem 2.8. 2021 in allen Personalausweisen die Fingerabdrücke der beiden Zeigefinger gespeichert werden. Bislang war diese Speicherung freiwillig. Mit dem Gesetz sollen außerdem die biometrischen Lichtbilder gegen Manipulation gesichert werden. Mit der Methode des „morphing“ ist es nach Darstellung der Bundesregierung möglich, zwei Lichtbilder so zu kombinieren, dass sowohl ausreichend Ähnlichkeit zum eigentlichen Ausweisinhaber besteht (Sichtkontrolle), die biometrischen Daten aber auch zu einer anderen Person „passen“, so dass diese den Ausweis bei der Einreise „missbräuchlich“ verwenden kann. Fingerabdruck nun obligatorisch weiterlesen →
Der Bundestag hat am 5. November 2020 der Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung zugestimmt, die vor allem die Befugnisse der Nachrichtendienste regeln. Das bisherige Gesetz läuft am 10. Januar 2021 aus. Nach den Anschlägen vom 9. September 2001 in New York war zum 1. Januar 2002 ein Terrorismusbekämfpungsgesetz[1] – befristet – in Kraft getreten. Die aktuelle Evaluation aus der Perspektive des Innenministeriums (InGFA) nahm das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation zwischen Oktober 2016 und September 2017 vor[2]. Im Juli 2018 folgte der Bericht, der den Abbau von Überregulierung fordert. Über die Entfristungen wird nun im Bundestag wieder unter dem üblichen Zeitdruck entschieden, obwohl der Bericht des InGFA bereits länger als ein Jahr vorliegt. Drei Tage nach der Überweisung an den Innenausschuss organisierte dieser eine Sachverständigen-Anhörung, in der vor allem Bedenken zum Ausdruck kamen[3]. Entfristung der Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung weiterlesen →
Die EU-Grenzagentur Frontex hat den langfristigen Einsatz von Drohnen im Mittelmeer beschlossen. Einen Auftrag über 50 Millionen Euro erhält nach eigener Auskunft der Rüstungskonzern Airbus in Bremen,[1] der hierfür eine israelische „Heron 1“ von Israel Aerospace Industries (IAI) anmietet. Airbus und Frontex hatten zuvor auf Kreta eine „Heron 1“ für die EU-Grenzüberwachung erprobt. Laut „Tenders Electronic Daily“, dem Anzeiger für das öffentliche Auftragswesen in Europa, hat auch die israelische Firma Elbit einen Zuschlag von über 50 Millionen Euro für eine Frontex-Drohne erhalten.[2] Dabei handelt es sich vermutlich um eine „Hermes 900“, die über die EU-Agentur für Meeressicherheit (EMSA) bereits für Frontex im Einsatz war. Große Drohnen im Mittelmeer weiterlesen →
Im Rahmen ihres EU-Vorsitzes will die Bundesregierung ein „gemeinsames Verständnis und gemeinsame Kriterien“ zur Einstufung sogenannter „Gefährder“ entwickeln. Das Bundesinnenministerium hat hierfür Schlussfolgerungen entworfen, die auf Antworten auf einen Fragebogen an alle Mitgliedstaaten basieren.[1] Das Dokument vermeidet den Versuch einer EU-weiten Legaldefinition von „Gefährdern“, die es auch in Deutschland nicht gibt, sondern zielt auf die Entwicklung eines einheitlichen „Arbeitsbegriffs“. Auf Englisch werden „Gefährder“ in dem Dokument als „Personen, die eine potentielle terroristische oder gewalttätige extremistische Bedrohung darstellen“ („persons considered a potential terrorist or violent extremist threat“)erläutert. In Übersetzungen des deutschen Vorschlags in andere Sprachen wird jedoch stets das deutsche Wort „Gefährder“ benutzt. „Gefährder“ bald als Arbeitsbegriff der EU? weiterlesen →
Die neue Frontex-Verordnung[1] bestimmt den Aufbau einer „Ständigen Reserve“ („Standing Corps“), die bis 2027 aus 10.000 Polizist*innen für Kurz- und Langzeiteinsätze bestehen soll. Die meisten Einsatzkräfte werden wie bislang üblich aus den Mitgliedstaaten entsandt, 3.000 von ihnen unterstehen aber als „Kategorie 1“ direkt dem Hauptquartier in Warschau. Sie sollen zum 1. Januar 2021 abrufbereit sein.
Die Beamt*innen der „Kategorie 1“ tragen erstmals einheitliche EU-Uniformen, außerdem wird die neue Grenztruppe mit Einsatzmitteln zur Ausübung von Zwang bewaffnet; genannt werden Dienstpistole, Schlagstock, Handschellen und Reizstoffe. Allerdings beinhaltet die neue Verordnung hierfür keine Rechtsgrundlage. Mit ihrem Sitz in Warschau gilt Frontex nach polnischen Gesetzen und dem Sitzabkommen mit der polnischen Regierung nicht als Einheit, die Waffen oder Munition anschaffen, registrieren, lagern oder in Einsatzgebiete transportieren darf. Keine Waffen für Frontex weiterlesen →
Die Bundespolizei-Inspektionen Berlin-Ostbahnhof, Kaiserslautern und Frankfurt/Main-Hauptbahnhof haben Anfang September ein Pilotprojekt zum Einsatz von rund 30 Tasern begonnen. Bislang war bei der Bundespolizei nur die Spezialeinheit GSG 9 mit solchen „DistanzElektroImpulsGeräten“ (DEIG) ausgerüstet, laut einem Bericht des „Spiegel“ wurden sie dort aber nie genutzt.[1] Taser schießen mit einem Draht verbundene Pfeile ab, die in die Haut eindringen und für mehrere Sekunden einen Stromimpuls von 50.000 Volt abgeben. Die Betroffenen spüren einen sehr starken Schmerz und sind für kurze Zeit gelähmt.
Bei der GSG 9 sind die Geräte der Schusswaffe gleichgestellt, in dem neuen Pilotprojekt der Bundespolizei gelten sie als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“. Taser für die Bundespolizei weiterlesen →
Derzeit stehen mehr als 90 Millionen Personen und Gegenstände zur Fahndung oder auch Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem (SIS II), die Ausschreibungen werden vor allem von Grenz-, Polizei-, Zoll- oder Einwanderungsbehörden sowie Geheimdiensten genutzt. Dieser Kreis vergrößert sich nun deutlich, in Deutschland werden im Projekt „SIS 3.0“ rund 2.000 weitere Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden an das Fahndungssystem angeschlossen.[1] Hintergrund ist die Umsetzung von drei neuen EU-Verordnungen zum Rechtsrahmen des SIS II. In Deutschland sollen etwa Zulassungsstellen für Wasserfahrzeuge oder Schifffahrtsämter auf Bundes- und Landesebene, das Luftfahrtbundesamt mit seinen Dienststellen oder die deutschen Botschaften in den SIS-Verbund aufgenommen werden. Letztere dürfen beispielsweise künftig Rückkehrentscheidungen und Einreisesperren für abgelehnte Asylsuchende eigenständig in das SIS II eintragen. 2.000 neue Behörden für das SIS II weiterlesen →
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