Archiv der Kategorie: CILIP 124

Alles, was rechts ist (Dezember 2020)

Redaktionsmitteilung

Hakenkreuz-Postings, Holocaust-Leugnen und Verbreitung verbotener Pornographie. Am 17.Oktober wird bekannt: Polizeianwärter*innen für den gehobenen Dienst betrieben eine rechte Chatgruppe – trotz liberaler Lehrinhalte an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht. Am 27. November nahezu der gleiche Vorfall, diesmal bei der Bundeswehr. Dazwischen der „tägliche Einzellfall“, so die Kritik in sozialen Medien angesichts der sich häufenden Meldungen über Polizeigewalt und rechte Netzwerke im Sicherheitsapparat (diese dokumentieren wir online in unserer monatlichen Chronologie der Inneren Sicherheit).
Trotzdem wollen die AfD, einige Unionspolitiker*innen und allen voran Bundesinnenminister Horst Seehofer weiterhin nichts auf die Polizei kommen lassen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Von Staatsschutz bis Schattenboxen: Polizei gegen rechts – eine Einleitung

Das Thema „Polizei und Rechtsextremismus“ hat in den Medien Konjunktur. Dabei werden unterschiedliche Aspekte beliebig zusammengerührt: die (fehlende) kriminalistische Aufmerksamkeit für rechte und rassistische Tatmotive, das polizeiliche Vorgehen ge­gen rechtsextremistische Täter*innen sowie die Existenz rechtsextremer Netzwerke und rassistischer Einstellungen innerhalb der Polizei selbst. Erst eine tiefergehende Betrachtung jeder dieser Aspekte ermöglicht Erkenntnisse jenseits der wiederkehrenden Empörung über einzelne Skandale.

Nachdem die Anschläge von Kassel, Halle und Hanau offenbar als Weckruf für die bislang in Sachen Rechtsextremismus und -terrorismus eher träge Bundesregierung dienten, sollen Polizei und Strafjustiz es nun richten. Nur wenige Wochen nach dem Angriff auf die Synagoge und die Gäste eines Dönerladens in Halle präsentierte die Bundesregierung Ende Oktober 2019 ein „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“.[1] Dies umfasste insbesondere Pläne, den Hass im Netz besser zu verfolgen. Hierfür will die Große Koalition nun das Strafrecht verschärfen und etwa Drohungen mit körperlicher Gewalt oder die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten kriminalisieren. Von Staatsschutz bis Schattenboxen: Polizei gegen rechts – eine Einleitung weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Auch wenn es durchaus dem kritischen alltäglichen Sprachgebrauch entspricht, die Rede vom „Rechtsextremismus“ ruft zwischen den Zeilen förmlich nach seinem linken Pendant. Wer dem „Hufeisen-Modell“ mit seiner Gleichsetzung von rechts und links, die aus derselben Entfernung der „demokratischen Mitte“ resultieren soll, entgehen will, der oder die sollte lieber von der Rechten oder von der extremen Rechten reden, denn so werden Verbindungen, Anschlüsse und Entwicklungspfade deutlich, die zwischen der „Mitte der Gesellschaft“ und extrem rechtem Denken und Handeln bestehen.

Gerade diese Verbindungen spielen im dominierenden Diskurs keine Rolle. Dessen bevorzugte Quellen sind weiterhin die Berichte der Verfassungsschutzämter, die qua staatlichem Auftrag jene Bestrebungen beobachten, die jenseits der von den Ämtern gezogenen Grenze zwischen Radikalismus und Extremismus liegen. Durch diesen Zugang wird das gesamte Feld zugerichtet. Die Beschreibungen der rechtsextremistischen Gefahren abstrahieren von allen ökonomischen, sozialen und sozialpsychologischen Kontexten, um die Unterschiede zwischen der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und ihren rechten Feinden als wesensmäßige darstellen zu können. In solchen Perspektiven findet sich regelmäßig kein Platz für die Rechten im Staatsapparat, weil der per se auf der demokratischen Seite platziert ist. Literatur weiterlesen

Summaries

Thematic Focus: All the Right Things

Police on Their Way to the Right?
by Dirk Burczyk

The issue of police and right-wing extremism is en vogue in the media. This article demonstrates the connections between three topics: the (lacking) investigative attention paid to right-wing motives; the police approach in dealing with far-right offenders; and the existence of far-right networks and racist attitudes within the police. In the name of combatting right-wing extremism, security authorities are endowed with expanding powers that are insufficiently applied for this purpose but allow for the criminalization of other phenomena labeled as extremism. This gap between institutional expansion and reluctancy towards substantial change explains right-wing attitudes and networks that reach into security authorities, and the exploration and addressing of which has not been politically implementable so far. Summaries weiterlesen

Spätes Verbot: Zum staatlichen Umgang mit Combat 18

von Hendrik Puls

Im Januar 2020 verbot das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Neonazi-Gruppe „Combat 18 Deutschland“. Zuvor war 20 Jahre lang die Existenz einer solchen Struktur verneint worden. Das Verbot kommt spät, und es umfasst nur einen Teil des militanten Netzwerks, das weiterhin besteht.

Aus Sicht des Innenministeriums richtet sich „Combat 18 Deutschland“ (C18) sowohl gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ als auch den „Ge­danken der Völkerverständigung“ und läuft nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider. Damit sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 3 des Vereinsgesetzes erfüllt.[1] C18 Deutschland wurde somit am 23. Januar 2020 aufgelöst. Die Verbotsverfügung wurde sieben mutmaßlichen Mitgliedern überreicht; bei den betroffenen Neonazis fanden Hausdurchsuchungen statt. Es ist künftig verboten, Ersatzorganisationen zu bilden oder die Kennzeichen der Gruppe zu verwenden. Spätes Verbot: Zum staatlichen Umgang mit Combat 18 weiterlesen

Fingerabdruck nun obligatorisch

Am 5. November hat der Bundestag mit den Stimmen der Koalition den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen“ beschlossen. Damit müssen ab dem 2.8. 2021 in allen Personalausweisen die Fingerabdrücke der beiden Zeigefinger gespeichert werden. Bislang war diese Speicherung freiwillig. Mit dem Gesetz sollen außerdem die biometrischen Lichtbilder gegen Manipulation gesichert werden. Mit der Methode des „morphing“ ist es nach Darstellung der Bundesregierung möglich, zwei Lichtbilder so zu kombinieren, dass sowohl ausreichend Ähnlichkeit zum eigentlichen Ausweisinhaber besteht (Sichtkontrolle), die biometrischen Daten aber auch zu einer anderen Person „passen“, so dass diese den Ausweis bei der Einreise „missbräuchlich“ verwenden kann. Fingerabdruck nun obligatorisch weiterlesen

Entfristung der Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung

Elke Steven

Der Bundestag hat am 5. November 2020 der Entfristung von Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung zugestimmt, die vor allem die Befugnisse der Nachrichtendienste regeln. Das bisherige Gesetz läuft am 10. Januar 2021 aus. Nach den Anschlägen vom 9. September 2001 in New York war zum 1. Januar 2002 ein Terrorismusbekämfpungsgesetz[1] – befristet – in Kraft getreten. Die aktuelle Evaluation aus der Perspektive des Innenministeriums (InGFA) nahm das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation zwischen Oktober 2016 und September 2017 vor[2]. Im Juli 2018 folgte der Bericht, der den Abbau von Überregulierung fordert. Über die Entfristungen wird nun im Bundestag wieder unter dem üblichen Zeitdruck entschieden, obwohl der Bericht des InGFA bereits länger als ein Jahr vorliegt. Drei Tage nach der Überweisung an den Innenausschuss organisierte dieser eine Sachverständigen-Anhörung, in der vor allem Bedenken zum Ausdruck kamen[3]. Entfristung der Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung weiterlesen

Große Drohnen im Mittelmeer

Die EU-Grenzagentur Frontex hat den langfristigen Einsatz von Drohnen im Mittelmeer beschlossen. Einen Auftrag über 50 Millionen Euro erhält nach eigener Auskunft der Rüstungskonzern Airbus in Bremen,[1] der hierfür eine israelische „Heron 1“ von Israel Aerospace Industries (IAI) anmietet. Airbus und Frontex hatten zuvor auf Kreta eine „Heron 1“ für die EU-Grenzüberwachung erprobt. Laut „Tenders Electronic Dai­ly“, dem Anzeiger für das öffentliche Auftragswesen in Europa, hat auch die israelische Firma Elbit einen Zuschlag von über 50 Millionen Euro für eine Frontex-Drohne erhalten.[2] Dabei handelt es sich vermutlich um eine „Hermes 900“, die über die EU-Agentur für Meeressicherheit (EMSA) bereits für Frontex im Einsatz war. Große Drohnen im Mittelmeer weiterlesen