Stellungnahme zum BND-Gesetz-Entwurf vom 6.4.1989

1. Generelle Anmerkungen

Mit ca. 6.000 Mitarbeitern ist der BND der größte der drei Geheimdienste des Bundes. Seine Geschichte führt unmittelbar in den deutschen Faschismus zurück. Als Abt. „Fremde Heere Ost“ operierte unter General Gehlen eine wehrmachtseigene Geheimdienstabteilung in der Sowjetunion. Bei der Flucht aus der Sowjetunion achtete Gehlen weitsichtig darauf, daß die Materialien dieser Abteilung über die Sowjetunion verfilmt und mitgeführt wurden in der Absicht, seine Organisation und ihre Kenntnisse den Amerikanern anzubieten – mit Erfolg. Ab 1945 wurde die nun „Organisation Gehlen“ genannte Truppe von den Amerikanern finanziert. Im Jahre 1956 wurde Gehlens Geheimdienst von der Bundesregierung als Auslandsspionage-Dienst übernommen.

So wurde die Generalstaabsabteilung „Fremde Heere Ost“ dialektisch aufgehoben, d.h. nominell beseitigt, real bewahrt.
Bisher gibt es keine, Aufgaben und Befugnisse regelnde gesetzliche Grundlage für den BND. Der internen Steuerung des BND dienen Organisationserlasse und Dienstanweisungen (derzeit gilt der Organisationserlaß des Bundeskanzlers vom 17. Dez. 1984, BGBl. I, S.1689). Gesetzliche Erwähnung fand der BND zuvor im G-1O-Gesetz von 1968 ( 3). Weitere legitimatorische Weihe erhielt er mit dem Abhör-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1984, in dem dem BND die sog. „strategische Postkontrolle“ für die postalischen Verkehr mit Län-dern des sozialistischen Lagers generell zugestanden wurde (Urteil in NJW, Nr.47/1984). Jahre zuvor war bekanntgeworden, daß der BND täglich in den Postleitstellen säckeweise Postsendungen aus und nach Ländern des sozialistischen Lagers abholte, um sie zu öffnen (vgl. CILIP 3, S.21 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hatte zum Urteilszeitpunkt noch nicht das „informationelle Selbstbestimmungsrecht“ entdeckt.

Nach einer seit 1985 geltenden „Dienstanweisung zur Durchführung der Amtshilfeersuchen der VfS-Behörden und des BND“ ist u.a. der Bundes-grenzschutz verpflichtet, dem BND bei der Anwerbung von Reisenden für die BND-Auslandsspionage zu helfen; bekannt wurde auch, daß der BGS für den BND Reisepässe fotografierte (vgl. CILIP 23, S.33 ff.).

In Vorentwürfen waren Aufgaben und Befugnisse des BNDs im ZAG, später im VfS-Mitteilungsgesetz untergebracht worden. Da diese „Querschnittsgesetze“ nun entfallen sind, bedurfte es eines eigenen BND-Gesetzes. Der Entwurf sei vom ehemaligen BND-Präsidenten und derzeitigen Staatssekretär des BMJ Kinkel ausgearbeitet worden, meldete die FAZ (29.11.88).

2. Detailkommentierung

Zu 1: Aufgaben und Befugnisse

Entgegen der sonstigen Gesetzgebungstechnik, Aufgaben und Befugnisse in getrennten Paragraphen zu regeln, sind sie hier in einem Paragraphen zusammengefaßt – offensichtlich ein Versuch, die inhaltsleere Kargheit der Aufgabendefinition in Abs.1 Nr.1 (Sammlung und Auswertung von Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind) zu kaschieren.

Nach Nr.2 ist der BND befugt, zur Abwehr von Gegenspionage, nach Nr.3 zur Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeitern und potentiell anzusprechenden Mitarbeitern, alle Informationen zu erheben und dabei nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen.

Abs.2 soll klarstellen, so die amtliche Begr., daß „Sachverhalte, Personen und Vorgänge des innerstaatlichen politischen Geschehens in der Bundesrepublik und in Berlin-W … nicht Gegenstand der nachrichten-dienstlichen Aufklärung des BND sind“.
Dies suggeriert, daß der BND im Geltungsbereich des GG nur insoweit nachrichtendienstlich tätig werden darf, als es darum geht, sich selbst vor Gegenspionage zu schützen und (potentielle) Mitarbeiter aus Sicher-heitsgründen auszuspähen.

Gleichwohl, das ganze BND-Gesetz (wie die BND-Verweise im BDSG, im G-10-Gesetz, im Ausländerzentralregister-Gesetz-Entwurf, im ZEVIS-Gesetz, im Entw. BVerfSch-G, im Entwurf MAD-G etc.) erfüllt nur einen einzigen Zweck: Operationen und Informationsinteressen des BND auf dem Gebiet der Bundesrepu-blik und Berlin (West) rechtlich abzusichern.

Der Satz (Abs.2), „auf innenpolitischem Gebiet wird der BND nicht tätig“, bedeutet also nur eine Ressort-Klarstellung (sachl. Zuständigkeit) gegenüber dem BMI und seinem Geheimdienst, dem BfV. Ansonsten aber gelten alle BND-Befugnisse, auch die folgenden Regelungen in den 2 – 9, ausschließlich und nur im Bundesgebiet. Verhielte es sich anders, dann wäre ein solches BND-Gesetz vollkommen überflüssig. Alle anderen Tätigkeiten des BND, im Kern die Auslandsspionage, wären – wenn überhaupt – in Kategorien des internationalen und des Völkerrechts zu thematisieren.

Was heißt also: „Auf innenpolitischem Gebiet wird der BND nicht tätig“?
Nur dies: er hat die Kompetenzbereiche von Polizei und Staatsanwaltschaft, von MAD und VfS-Ämtern zu beachten – um so mehr, als diese alle ihm zuarbeiten müssen.

An der Aufgabenbestimmung gemessen: „Sammlung und Auswertung von Informationen, die von außen- und sicherheitspolit. Interesse sind“, wirkt die Aufgabennorm des BfV im Neu-Entw. geradezu weitschweifig und präzise.
Nur sind innen- und außenpolitische Belange und Interessen viel zu sehr miteinander verschlungen, als daß sie funktional eindeutig trennbar wären. Der Begriff der „sicherheitspolitischen Bedeutung“, der von vornherein auf den außenpolitischen Bezug verzichtet, macht die Grenzenlosigkeit dieser „Aufgabennorm“ besonders deutlich.

Was der BND als Aufgabe sieht, läßt sich mithin nur über seine Praxis erschließen. So wurde, jenseits der Spionage im Ausland (und in der DDR selbstverständlich), u.a. bekannt, daß die bundesdeutsche Industrie den BND zur Terroristen-Fahndung alimentierte, daß er den Seweso-Giftfässern nach-jagte und die internationale Zusammenarbeit der „Ärzte für den Frieden“ zu seinem Beobachtungsobjekt machte.

Zu den 2 – 9:

Wie im MAD-Gesetz entsprechen die Befugnisse des BND zur Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Informationen denen, die im VfS-G für das BfV festgeschrieben sind. Unsere Kritik entspricht mithin der am Entw. des BVerfSchG:
* Wie die VfS-Ämter hat er Zugriff auf Informationen „jeder Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt,
* Wie die VfS-Ämter darf er alle Informationen an jedwede Stelle im In- und Ausland streuen,
* Entsprechend dürfen Beschäftigte des Bundes und bundesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts von sich aus den BND beliefern,
* Entsprechend müssen Polizei und Staatsanwaltschaft sowie der BGS dem BND zuarbeiten.

Dies alles wird noch unangreifbarer, da es nicht die Spur von Kriterien für eine rechtlich greifbare Aufgabenbestimmung gibt, an der gemessen werden könnte, ob die je konkreten Praktiken des BND, sei es, daß er von „Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen“, Informationen abverlangt, sei es, daß er diese ins Ausland transferiert, „rechtmäßig“ wären.
Den BND an das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu erinnern ( 1 Abs.4), ist angesichts der Konturen- und Maßstabslosigkeit in der Aufgabenbestimmung unverhüllter Spott.

Literatur zum BND:

Felfe, Heinz, Im Dienst des Gegners – 1o Jahre Moskaus Mann im BND, Hamburg 1986
Gehlen, Reinhard, Der Dienst – Erinnerungen 1942 – 71, Mainz – Wiesbaden 1971
ders., Verschlußsache, Mainz 1980
Damm, Diethelm, Die Praktiken des BND, in: Kritische Justiz, 1/1975
Höhne/Zolling, Pullach intern – Die Geschichte des BND, „Spiegel“-Serie ab Heft 11/1971 (auch als Buch erschienen)
Naumann, Michael, Operation großes Ohr – Bericht über strategische Abhöraktionen des BND, in: Die Zeit v. 28.3.1980
Wessel, Gerhard, BND – der geheime Auslandsnachrichtendienst der BRD, in: Beiträge zur Konfliktforschung, 2/1985
Simpson, Christopher, Der amerikanische Bumerang – NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA, Wien 1988

Bild: Wikipedia (TomenGreen, NaziUniform, CC BY-SA 4.0)