BDSG und Verwaltungsverfahrensgesetz
Die vorliegenden Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind auf dem Hintergrund des Datenschutzgesetzes zu betrachten. Im BDSG-Entw. hat die Koalition einen restriktiven Dateienbegriff durchgesetzt, der nur die Verarbeitung personenbezogener Daten in automatisierten Dateien, nicht aber in Akten oder manuell geführten Karteien umfaßt. Ausgenommen sind nur diejenigen Akten, die Grundlage von automatisierten Hinweisdateien sind. Das BDSG und der darin festgelegte besondere Schutz für personenbezogene Daten gilt damit für einen großen Bereich der Verwaltungstätigkeit nicht.
Der Umgang der öffentlichen Verwaltung mit Bürgerdaten in Akten und manuellen Karteien soll stattdessen im VwVfG geregelt werden, das allerdings für einen großen Bereich der öffentlichen Verwaltungen nicht gilt, darunter den der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden. In den Entwürfen für die Geheimdienstgesetze werden die entsprechenden Regelungen des VwVfG systematisch außer Kraft gesetzt und durch eigenständige Regelungen ersetzt, die vom Datenschutz fast nichts mehr übrig lassen.
Schlechte Fortsetzung der BDSG-Regelungen
Es wäre allerdings irrig anzunehmen, der vorliegende Entwurf würde den Schutz von in Akten enthaltenen Daten, in der Diktion der Gesetzesmacher: Informationen, einfach nur gesetzestechnisch verschieben. Vielmehr werden die Anforderungen für die manuelle Informationsverarbeitung gegenüber den ihrerseits schon eingeschränkten Schutzvorkehrungen des BDSG noch weiter eingeschränkt mit der Begründung, „die erheblichen Unterschiede , die in der Gefährdungslage zwischen automatisierter und herkömmlicher Informationsverarbeitung bestehen“, berücksichtigen zu wollen (vgl. allg.Begr.).
Die bereits in der Stellungnahme zum BDSG skizzierten und kritisierten Änderungen werden zum Teil wortgleich ins VwVfG übertragen. Dies gilt insbesondere für die Paragraphen, die die Nutzung, Verarbeitung und Weitergabe von Daten sowie den Auskunftsanspruch von Betroffenen behandeln. Zum anderen werden weitergehende Rechte des Bürgers, die sich aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht ergeben, auf das Niveau des BDSG zurückgeschraubt.
Zu einzelnen Regelungen:
Erhebung (3a):
Im BDSG ist keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Erhebung enthalten. Aufgrund des restriktiven Dateienbegriffs wird die Erhebung von Daten als eine Form manueller Informationsverarbeitung gefaßt und ins VwVfG eingefügt. Die Erhebung soll grundsätzlich beim Betroffenen erfolgen. Die Erhebung ohne seine Mitwirkung wird gebunden an das Vorliegen einer Rechtsvorschrift sowie an die Bedingung, daß die Erhebung „keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde“, eine Bedingung, die auch an anderen Stellen des Entwurfs wieder auftaucht.
Diese – wenn auch eingeschränkte – Bindung an die Erhebung beim Betroffenen ist in den vorliegenden Geheimdienst-Gesetzentwürfen ausdrücklich aufgehoben worden. Für die anderen gesetzlichen Regelungen des Datenschutzes im sog. Sicherheitsbereich wird diese Aufhebung ebenfalls zu erwarten sein.
Zweckbindung (3c):
Auch hier operiert der Entwurf fast ausschließlich mit den schon kritisierten Regelungen des BDSG-Entw. In Abs.1 wird die Zweckbindung – Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet und weitergegeben werden, zu dem sie erhoben wurden – als Phrase formuliert, auf die dann in Abs.2 die Aufhebung folgt: Entsprechend dem Katalog des 10 BDSG (Verarbeitung von Daten) wird die Zweckbindung weitgehend eingeschränkt: z.B. wenn es „offensichtlich ist, daß (die Verarbeitung und Übermittlung) im Interesse des Betroffenen liegt und er in Kenntnis des anderen Zwecks einwilligen würde“, bei Strafverfolgung, Abwehr von Nachteilen für das Gemeinwohl oder bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit etc.
Der Paragraph hat aber auch entscheidende Wirkung auf die geltenden Rechtsvorschriften der Amtshilfe ( 4ff. des VwVfG). Eine ganz zentrale und sicher gewollte Folge dürfte sein, daß die Restriktionen der Amtshilfe-Regelungen im VwVfG nicht mehr für den Informationsbereich gelten werden.
Auskunftsrecht (3e):
Die Auskunftsregelung entspricht im wesentlichen der des BDSG, d.h. sie schließt Auskunftsansprüche gegenüber den Geheimdiensten vollständig und gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft weitgehend aus. Wird im BDSG vom Antragsteller gefordert, daß er die Art der personenbezogenen Daten näher bezeichnen soll, so geht der vorliegende Paragraph sogar noch weiter. Der Antragsteller muß nicht nur sein Auskunftsinteresse offenlegen, dieses Interesse muß ferner auch so beschaffen sein, daß es der Verwaltung keinen unverhältnismäßigen Aufwand bereitet.
Berichtigung und Sperrung personenbezogener Informationen ( 3f):
Die „Gnade des Vergessens“, unter dem Begriff des „programmierten Vergessens“ als eines der wesentlichen Prinzipien des Datenschutzes anerkannt, wird für die konventionelle Datenverarbeitung außer Kraft gesetzt. In 3f Abs.2 wird bestimmt, daß Daten, die nicht mehr für die künftige Aufgabenerfüllung erforderlich sind, nicht gelöscht, sondern nur gesperrt werden dürfen und dann auch nur, wenn der Betroffene einen entsprechenden Antrag gestellt hat, in dem er ein „berechtigtes Interesse“ nachweist. Selbst wenn als falsch erkannte Informationen sich in den Akten befinden, so soll dies nur in der Akte vermerkt werden, die falsche Information jedoch weiter vorhanden bleiben. In der Begr. zu 3f beruft man sich hierfür auf den prinzipiell richtigen Grundsatz der Aktenvollständigkeit, mit dem jederzeit die einzelnen Verwaltungshandlungen nachvollziehbar bleiben sollen. Die Übertragung und Anwendung dieses Grundsatzes auf die manuell geführten Informationen von Sicherheitsbehörden ist jedoch mehr als problematisch, denn der Anspruch auf richtige Daten ist umso wichtiger, wie die Intensität des Eingriffs in Grundrechte steigt.
Die vorliegenden Regelungen für die Geheimdienste (vgl. 9 BVerschG-Entw. und daran anschließend die des MAD- und des BND-Gesetzes) lassen den Anspruch auf Berichtigung nur in Bezug auf Daten in automatisierten Dateien zu, ein Anspruch, der allerdings vom Bürger wegen des Fehlens eines Auskunftsrechts kaum umgesetzt werden kann. Solange keine spezialgesetzlichen Regelungen existieren, bliebe damit der 3f des VwVfG entscheidend.
Fazit
Die Verabschiedung dieses VwVfG würde dem Bürger bereits gegebene Rechtspositionen wieder wegnehmen. Aufgrund der Signalwirkung der Novellie-rung des VwVfG des Bundes für eine entsprechende Novellierung der VwVfG der Länder würde auch eine Verschlechterung gegenüber den wesentlich umfangreicheren Aktenbeständen der Sicherheitsbehörden der Länder eintreten. Überdies haben die Datenschutzbeauftragten keine generelle Kompetenz zur Überwachung der hier betroffenen konventionellen Informationsverarbeitung.