Entschließung der Datenschutzbeauftragten zum Bundesrats-Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität.

Schon seit Jahren haben Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern eine angemessene gesetzliche Regelung zu den in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifenden Strafverfolgungsmaßnahmen, wie der Rasterfahndung, des Einsatzes Verdeckter Ermittler und des Einsatzes besonderer technischer Observationsmittel gefordert. Sie bedauern, daß hierzu die Bundesregierung nicht schon längst einen Entwurf vorgelegt hat. Der Bundesrat mit seinem Ende April 1991 beschlossenen Gesetzentwurf wird diesem Anliegen ebenfalls nicht gerecht.

Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bürger wie im Interesse wirksamer Aufgabenerfüllung durch die Strafverfolgungsorgane bedarf es klarer Rechts-grundlagen. Der Datenschutz stellte sich Bemühungen nicht entgegen, den zunehmenden Herausforderungen, denen die Bürger unseres Staates durch die organisierte Kriminalität, insbesondere durch die Drogenkriminalität ausge-setzt sind, in erforderlicher Weise zu begegnen. Über dieses Ziel schießt der Bundesratsentwurf aber hinaus. Zwar enthält der Entwurf gegenüber früheren Vorschlägen des Bundesrates insofern eine Verbesserung, als nunmehr die Rasterfahndung und der Einsatz Verdeckter Ermittler an einen Straftatenkatalog gebunden werden sollen. Es bestehen aber weiterhin Bedenken, daß schwerwiegende Eingriffe in die Privatspähre, wie der Einsatz von Peilsendern, schon bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ möglich sind.

Mit diesem schwammigen Begriff statt eines präzisen Kataloges von Straftaten wird der Einsatz der geheimen Ermittlungsmethoden weit über den Bereich der organisierten Kriminalität hinaus ausgedehnt. Diese Mittel werden damit für sämtliche Straftaten außerhalb der Bagatell- und Kleinkriminalität verfügbar.

Nach dem Gesetzentwurf wären auch über völlig unbeteiligte Personen heimliche Bild- und Filmaufnahmen zulässig, wenn es „der Erforschung des Sachverhalts“ oder der „Aufenthaltsermittlung des Täters“ dient. Gegen unverdächtige Personen sollen Wanzen und Peilsender eingesetzt werden können, wenn eine „Verbindung“ – was immer darunter verstanden werden soll – mit dem Täter vermutet wird.

Selbst in privaten Wohnungen sollen Gespräche, die im Beisein eines Verdeckten Ermittlers geführt werden, heimlich abgehört und aufgezeichnet werden.

Es ist außerdem problematisch, daß derart schwerwiegende Eingriffe wie der Einsatz Verdeckter Ermittler nach dem Gesetzentwurf nicht in allen Fällen vom Richter angeordnet werden müssen, sondern weitgehende Eilkompetenzen für Polizei und Staatsanwaltschaft vorgesehen sind.

Ein weiteres Problem liegt darin, daß durch den Einsatz geheimer Ermitt-lungsmethoden gewonnene Informationen in zu weitem Umfang für andere Zwecke verwendet werden können. Offen bleibt insbesondere, ob die gewonnenen Erkenntnisse der Polizei für eine jahrelange Speicherung zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung überlassen werden dürfen. Dies sieht der Gesetzentwurf undifferenziert nicht nur für Tatverdächtige, sondern sogar für andere Personen wie Begleiter oder zufällig betroffene Dritte vor.

Die Datenschutzbeauftragten halten es deshalb für dringend geboten, daß Bundestag und Bundesrat im weiteren Gesetzgebungsverfahren diese Probleme aufgreifen und die – wiederholt geäußerten – datenschutzrechtlichen Vorschläge berücksichtigt werden. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Entwurf des Bundesrates sollte diese Bemühungen unterstützen.

Diese Entschließung wurde am 26. Juni 1990 von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (gegen die Stimme Bayerns) verabschiedet.