‚Europäisches Sicherheitsheits-Informations-System‘ (EuSIS) – Eigene Datenbank für privates Sicherheitsgewerbe

von Otto Diederichs

Erstaunlich spät hat das private Sicherheitsgewerbe die Möglichkeiten des Internet als Fahndungsmittel erkannt. Seit März diesen Jahres sind nun die Anfänge des ‚Europäischen Sicherheits-Informations-Systems‘ (EuSIS) aufrufbar (1) ; Entwickler und Betreiber sind die ‚Computer Programmier Service Krohn GmbH‘ (CPS) und die Detektei Peter Krohn im schleswig-holsteinischen Uetersen. Das Internet ist auch in der Bundesrepublik nicht mehr nur die Nische von Computerfreaks und Hackern.

Vorreiter bei der Internetfahndung ist das amerikanische FBI, das als erste Polizeibehörde der Welt zehn der in den USA meistgesuchten Personen über das ‚Netz der Netze‘ ausgeschrieben hatte. Im Mai 1996 konnte FBI-Direktor Louis Freeh den ersten digitalen Fahndungserfolg melden: Ein Einwohner von Guatemala hatte einen der Gesuchten erkannt. Wenngleich meist noch etwas schwerfällig, ist auch die deutsche Polizei unterdessen dazu übergegangen, die Möglichkeiten des Internet als weltweit aufrufbares Medium für ihre Zwecke zu nutzen. Im Entführungsfall Reemtsma fahndete die Hamburger Polizei zum ersten Male auch per Internet; etwa zeitgleich wurde in Essen online nach den Erpressern des ALDI-Konzerns gesucht. Das Bundeskriminalamt startete im Sommer 1996 nach dem Anschlag auf die Quebec-Kaserne in Osnabrück erstmals einen digitalen Fahndungsaufruf. (2) Mit eigenen Programmen sind inzwischen die Polizeibehörden von Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen im Internet vertreten. (3)

„Fahndungs-Ausschreibungen“

Nun wollte auch das private Sicherheitsgewerbe, genauer das private Detektivgewerbe nicht länger außen vor stehen. Da eine privatwirtschaftlich betriebene Datenbank jedoch Gewinne abwerfen soll, ist die Struktur von EuSIS allerdings zwangsläufig eine grundsätzlich andere als die der traditionellen Fahndungsdateien bei der Polizei. Das Spektrum von EuSIS ist dementsprechend breit angelegt: Firmen- und Literaturpräsentationen sowie eine „Börse“ mit Stellenmarkt, Kaufgesuchen und Kooperationsangeboten etc. umrahmen das Herzstück einer „Personen-, Sach- und Ereignisfahndung“.
Während das Rahmenprogramm das Geld bringen soll, richtet sich die „Personen-, Sach- und Ereignisfahndung“ unmittelbar an den Bedürfnissen der privaten Ermittler aus. „Fahndungs-Ausschreibungen“ in diesen Dateien, die im Laufe der Jahre 1997/98 voll ausgebaut werden sollen, können nur von Anwendern vorgenommen werden, die bei der CPS zuvor als Berechtigte registriert wurden (Kosten: DM 350,-). Die Ausschreibung zur Fahndung (DM 50,-) bedarf bei erwachsenen Personen der Einverständniserklärung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde, bei Minderjährigen oder entmündigten Personen reicht laut EuSIS-Geschäftsbedingungen die schriftliche Zustimmung der Erziehungsberechtigten bzw. eines bestellten Vormundes. Die Ausschreibung erfolgt dann für zunächst drei Monate; eine Verlängerung um weitere drei Monate ist möglich. Ähnlich funktioniert die Sachfahndung; hier ist eine schriftliche Zustimmung des Eigentümers notwendig.
Alle über diese Grundvoraussetzungen hinausgehenden kritischen Punkte versucht die Betreibergesellschaft CPS bereits im Vorfeld auf die Ausschreibenden selbst zu verlagern. „In jedem Fall ist der Ausschreibende für den Inhalt, die Richtigkeit und den Verlauf der Fahndung verantwortlich. (…) Eine Haftung der CPS bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes oder des Datenschutzes ist ausgeschlossen“. Diese Klauseln ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamten EuSIS-Geschäftsbedingungen.
Solche Vorsicht macht Sinn. Zwar können die Ausschreibungen grundsätzlich nur von den registrierten EuSIS-Teilnehmern veranlaßt werden, die Fahndungslisten selbst sind jedoch für jeden Internetbenutzer (kostenfrei) zugänglich. Gerade darauf basiert das System: Ein zur ‚Fahndung‘ ausgeschriebenes Fahrzeug, Schmuckstück, Gerät etc. oder eine Person, z.B. ein vermißtes Kind, wird von einem Internet-Surfer wiedererkannt, der sich dann über die ebenfalls eingetragene Adresse direkt mit dem Ausschreibenden in Verbindung setzen kann.

Die Datei ‚Ereignis-Sammlung‘, deren Daten für zwei Jahre eingestellt werden können, wird nur für registrierte EuSIS-Teilnehmer mittels eines Paßwortes (kostenlos) zugänglich sein. Für private Ermittler soll sich hier z.B. die Möglichkeit eröffnen, sich an einen der dort Ausschreibenden wenden zu können, wenn er etwa Parallelen zu einem seiner eigenen Fälle entdeckt oder auch, um seine Dienste anzubieten. Die unmittelbaren Bedingungen für eine Wiederbeschaffung, eine Zusammenarbeit oder allgemeines Tätigwerden regeln die Partner dann unter sich.

Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden

Großen Wert legen CPS und die kooperationsbereiten Sicherheitsunternehmen, allen voran der ‚Bund Internationaler Detektive‘ (BID), auf eine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. Entsprechend der Betreiberphilosophie will EuSIS „die Informationen zur Verfügung stellen, die nicht geschützt sein müssen. Diese Informationen können dazu dienen, den Bürger zu informieren, und die privaten Ermittlungsorgane in ihrer Arbeit zu unterstützen. So kann EuSIS zu einer hochwertigen Schnittstelle zwischen den öffentlichen und privaten Organen der Strafverfolgung und darüber hinaus zur Informationsquelle für präventive Maßnahmen werden.“ (4)

Folgerichtig wurden zum Jahreswechsel 1996/97 entsprechende Kontakte zu den Sicherheitsbehörden – bis hin zum Bundesnachrichtendienst (BND) – aufgenommen. (5) Insbesondere die nachgeordneten Polizeidienststellen, die für private Ermittler die wichtigste Kooperationsebene darstellen, sind nach Darstellung der CPS sehr interessiert. Das Problem besteht allerdings darin, daß das hierarchische Gefüge des Polizeiapparates direkte Kontakte ohne eine vorherige Beteiligung der Zentralstellen nicht zuläßt. Aus diesem Grunde werden derzeit das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter sowie die Staatsanwaltschaften besonders intensiv umworben.

Informationelle Kooperation?

Erste Erfolge dieser Strategie stellen sich nach Auskunft von CPS-Marketingleiter Wolfgang Brenner unterdessen ein, (6) und so verbreiten die Betreiber denn auch professionellen Optimismus. Was aus EuSIS am Ende tatsächlich werden wird, ist gegenwärtig indes noch nicht so recht abzusehen. Das schleswig-holsteinische Innenministerium hat den Start mit einigen Auflagen genehmigt; der Datenschutzbeauftragte des Landes hat keine Bedenken geltend gemacht. (7) Dementsprechend sieht man auch beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz gegenwärtig keinen Entscheidungsbedarf; ein Punkt auf den seitens der CPS immer wieder ausdrücklich hingewiesen wird. „Dieser Punkt“, so Brenner, „ist mir außerordentlich wichtig und ich denke auch, daß wir da ein sauberes Konzept haben“. (8)

Der Berliner Datenschutzbeauftragte gibt EuSIS nach einer Demonstrationsveranstaltung im März 1997 für seinen Zuständigkeitsbereich keine besonders großen Realisierungschancen, da seitens der Berliner Polizei kein Interesse zu erwarten sei. (9) Diese Einschätzung mag derzeit zutreffend sein, für andere Polizeibehörden gilt sie jedoch nicht. So hat bspw. das BKA probeweise die erste Öffentlichkeitsfahndung (nach gestohlenen Gemälden) in EuSIS einstellen lassen. (10) Das bayerische Landeskriminalamt, in Sachen Internetfahndung eines der rührigsten (11) zeigt sich an der verwendeten Technologie interessiert. (12)

Gegenwärtig muß man die Bundesrepublik wohl noch als eine ‚Internet-Wüste‘ betrachten, und auch die Zahl der Anwender, die sich bislang für einen Zugang zur EuSIS-Fahndungsdatei registrieren ließen, ist derzeit mit 10 Unternehmen eher gering. Mit dem Ausbau polizeilicher Internetprogramme und der weitverbreiteten Tendenz, Private zunehmend an Sicherheitsaufgaben zu beteiligen, ist es allerdings fraglich, wie lange eine Zurückhaltung bei der informationellen Kooperation erhalten bleiben wird.

Daß die Qualität des Informationsinputs sowie Art und Umfang der Beteiligung von Sicherheitsbehörden der Dreh- und Angelpunkt für ein Gelingen von EuSIS sein wird, weiß auch die Betreiberfirma. Als Vorleistung für die erhoffte Kooperation sind in der EuSIS-Datenbank deshalb schon einmal in einer Länderübersicht die Adressen von Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sowie einige Basisinformationen eingegeben. Interessierte Behörden können diesen Eintrag um eigene Zusatzinformationen erweitern (kostenfrei).
Der Januarausgabe 1997 der Fachzeitschrift ‚Kriminalistik‘ lagen bereits Informationsblätter über EuSIS bei. Insbesondere aus der Schweiz und Österreich, aber auch aus Frankreich soll es daraufhin zu interessierten Nachfragen gekommen sein. Mit der Einführung von Englisch als EuSIS-Zweitsprache dürfte mit weiterem Interesse zu rechnen sein.

Für den Hauptinteressenten an EuSIS, das Detektivgewerbe, steht ohnehin bereits seit längerem fest, daß die nationalen Grenzen gesprengt werden müssen und eine engere Zusammenarbeit in Europa dringend erforderlich ist. Schon heute betreffen rund 11 Prozent des Auftragsvolumens Ermittlungen im europäischen und außereuropäischen Ausland. (13) Eine eigene Datenbank wie EuSIS könnte da durchaus Sinn machen.
Sollte EuSIS also nicht bereits im Vorfeld daran scheitern, daß sich die wichtigsten Informationsgeber, die an der Wiederbeschaffung von Diebesgut u.ä. häufig nicht besonders interessierten Großversicherer, verweigern, könnte mit EuSIS – allen Versicherungen der Betreiber zum Trotz – am Ende dennoch ein weiterer Rückschlag für den Datenschutz drohen. Langfristig ist dann ein weiterer Deichbruch im Verhältnis von Strafverfolgungsbehörden und privaten Sicherheitsanbietern nicht auszuschließen: Die informationelle Zusammenarbeit zwischen Polizeien und privaten Ermittlern.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP; freier Journalist in Berlin
(1) http://www.eusis.de (2) Siehe hierzu: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 55 (3/96), S. 67ff. (3) Berliner Morgenpost v. 30.3.97 (4) Alle EuSIS-Informationen nach: EuSIS-Werbemappe v. 28.1.97 (5) Auskunft während der EuSIS-Demonstration in Berlin v. 5.3.97 (6) Tel. Auskunft v. 14.5.97 (7) Auskunft während der EuSIS-Demonstration in Berlin v. 5.3.97 (8) Tel. Auskunft v. 14.5.97 (9) Tel. Auskunft v. 11.3.97 (10) Tel. Auskunft v. 14.5.97 (11) Süddeutsche Zeitung v. 15.11.96; Süddeutsche Zeitung v. 19.11.96; http://www.polizei.bayern.de (12) Tel. Auskunft v. 14.5.97 (13) Berliner Zeitung v. 22.6.96