von Fredrik Roggan
Die Generalklauseln in den Polizeigesetzen, mitunter auch als Generalermächtigungen bezeichnet,[1] sind sprachlich weit gefaßte Eingriffsnormen, die der Polizei allerdings nur auf den ersten Blick ebenso weite Eingriffsbefugnisse verschaffen. Stellten die Generalklauseln der Polizei tatsächlich solch umfassende Befugnisse aus, so wären nicht nur die meisten Regelungen der Standardmaßnahmen schlicht überflüssig,[2] sondern sie machten die Polizeibehörden auch zu einem Machtapparat, der bei jeglicher Gefahr unbegrenzt in die Rechte der BürgerInnen eingreifen dürfte.
Die Polizei greift immer wieder auf die Generalklausel zurück, wenn die speziellen Normen in den Polizeigesetzen die gewünschten polizeilichen Eingriffe nicht decken. Wenn etwa die Videoüberwachung von Wohnungen nicht mit den ohnehin schwer eingrenzbaren Regelungen über polizeirechtliche „große Lauschangriffe“ erfaßt wird, so könnte der Rückgriff auf die Generalklausel diese dennoch erlauben. Die Anwendung der Generalklauseln ist also auf bestimmte Bereiche zu beschränken, soll die Polizei nicht eine unbegrenzte Machtfülle erhalten.
Die praktische Funktion der polizeirechtlichen Generalklauseln liegt insbesondere darin, generelle Verbote (etwa aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht) zu konkretisieren, störendes Verhalten zu untersagen oder auch bestimmte Handlungen anzuordnen, z.B. ein verbotswidrig geparktes Kraftfahrzeug zu entfernen. Da die Generalklauseln grundsätzlich subsidiären Charakter besitzen [3], also hinter spezielle Eingriffsnormen zurücktreten und damit als Grundlage für polizeiliches Einschreiten ausgeschlossen werden (Sperrwirkung), dürfen sie nur dann herangezogen werden, wenn die beabsichtigte Maßnahme nicht auf spezielle Regelungen mit abschließendem Charakter gestützt werden kann. Von diesem abschließenden Charakter ist bereits im Zweifelsfall auszugehen. [4] Solche Konstellationen bestehen nicht nur bei Verstößen gegen Verhaltensgebote ohne gesetzliche Grundlage für ihre Durchsetzung (sog. normvollziehende Verfügungen), sondern auch bei sog. atypischen Maßnahmen, bei denen die speziellen Regelwerke keine abschließenden Grundlagen geschaffen haben.[5] Daraus folgt, daß die Generalklauseln keinesfalls für all diejenigen Maßnahmen herangezogen werden können, die keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage in den speziellen Eingriffstatbeständen finden, sondern nur dort, wo die Eingriffsintensität der vergleichbaren Standardmaßnahmen (typischen Maßnahmen) nicht überstiegen wird. Lassen die polizeilichen Standardbefugnisse also beispielsweise nur unter bestimmten Voraussetzungen die Ingewahrsamnahme von Personen zu, so ist hinsichtlich von präventiven Freiheitsentziehungen generell anzunehmen, daß sie als „abschließend“ im genannten Sinne zu betrachten sind.
Der Wortlaut der Generalklauseln ist notwendigerweise sehr unspezifisch und damit weit gefaßt. Um aber der Polizei keine ebenso umfassende Ermächtigungsgrundlage zuzugestehen, nach der sie auch alles das darf, was in den (speziellen) Standardregelungen nicht ausdrücklich geregelt ist, ist die strikte Einhaltung der beschriebenen Grundsätze unabdingbar.
Die Vielzahl der polizeilichen Spezialgesetze hat dazu geführt, daß die Generalklauseln ihre überragende Bedeutung als Eingriffsermächtigung weitgehend verloren haben. [6] Praktisch alle früheren Anwendungsfälle können sich heute auf spezielle Regelungen in den Polizeigesetzen stützen. Es hat allerdings den Anschein, daß in einer Zeit, in der zunehmend nach neuen und immer weitergehenden Eingriffsbefugnissen für Präventions- und Repressionsorgane gerufen wird, die Bedeutung der Generalklauseln wieder steigt. Denn sofern es (noch) keine spezialgesetzlichen Normen für bestimmte (Grundrechts-)Eingriffe gibt, werden sie von der Polizei als Ermächtigungsgrundlage für ihr Handeln in Betracht gezogen. Auf diese Versuche der vermehrten Ausweitung der polizeilichen Macht durch die Generalklauseln soll im folgenden anhand ausgewählter Beispiele aus Bremen und Hamburg eingegangen werden. Dabei handelt es sich keinesfalls um Aus- oder Einzelfälle polizeilichen Verhaltens, sondern die Auswahl der Beispiele orientiert sich an Gesichtspunkten der Aktualität.
Bremer Aufenthaltsverbote
Bremen besitzt eine relativ offene Drogenszene, die seit langer Zeit für immer wiederkehrende Diskussionen über ihre Beseitigung sorgt. Dabei hat die Polizei auch zu sog. Aufenthaltsverboten gegriffen, die DrogennutzerInnen das Betreten von Gegenden untersagte, in denen die bevorzugten Umschlagplätze für illegalisierte Rauschmittel liegen oder vermutet werden. Diese Aufenthaltsverbote verwehrten unter Bußgeldandrohung einschlägig bekannten Personen das Betreten von ganzen Stadtteilen für einen mehrmonatigen Zeitraum. Diese Verfügungen wurden auf die Generalklausel des Bremer Polizeigesetzes (BremPolG) gestützt, die der Polizei die notwendigen Maßnahmen erlaubt, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, sofern die Standardbefugnisse keine besonderen Regelungen vorsehen (§ 10 I BremPolG).
Das Aufenthaltsverbot ist im Bremer Polizeigesetz nicht geregelt. Es enthält – wie die anderen Polizeigesetze auch – das Instrument des Platzverweises. Richtigerweise ging die Polizei davon aus, daß sie ihre Maßnahme nicht auf diese Vorschrift stützen konnte, da Gefahren, die von einem ständigen Aufenthalt von Personen ausgehen, nicht mittels einer Platzverweisung, also einer per definitionem kurzfristigen Maßnahme, [7] bewältigt werden können. Es blieb daher nur der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel des § 10 BremPolG, [8] um die unmittelbar bevorstehende Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz zu verhindern. [9]
Damit ein Aufenthaltsverbot rechtlich zulässig ist, muß es geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen. Das „Dealen“ mit illegalisierten Drogen ist grundsätzlich örtlich nicht gebunden. Die Drogenabhängigen sollen jedoch nach der Begründung durch das Aufenthaltsverbot daran gehindert werden, Straftaten zu verabreden und zu begehen. Wenn sich aber die Tatorte bei einer Beachtung der Verfügungen durch die Abhängigen allenfalls verlagern, [10] so werden damit die unmittelbar bevorstehenden Gefahren nicht verhindert. [11] Da tatbestandliche Voraussetzung der Generalklausel ist, daß die Entstehung der Gefahr verhindert wird, ist bereits fraglich, ob die Generalklausel überhaupt anwendbar ist. Die bloße Behauptung einer Gefährdung von besonders wichtigen Rechtsgütern – Leib, Leben und Gesundheit – durch den Aufenthalt einer Person in einem bestimmten Bereich [12] vermag diese Zweifel kaum auszuräumen.
Doch selbst wenn man davon ausgeht, daß ein Aufenthaltsverbot geeignet ist, Drogenhandel und sog. offenen Szenen zu verhindern, [13] stellt sich die Frage nach der Sperrwirkung des Platzverweises hinsichtlich weitergehender und auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Aufenthaltsbeschränkungen.
Von einer fehlenden Sperrwirkung, und damit der Zulässigkeit der Generalklauselanwendung, kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Regelung über die Platzverweisung keinen abschließenden Charakter besäße. Das wird vereinzelt mit der Begründung angenommen, daß der Gesetzgeber bei der Einführung des Platzverweises vor vielen Jahren nicht erkannt habe, daß es heute die Notwendigkeit zur Regelung eines auf einen längeren Zeitraum angelegten befristeten Platzverweises gibt. [14] Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugen. Denn es ist von einer permanenten Möglichkeit des Gesetzgebers auszugehen, [15] solche Regelungen, würden sie für notwendig gehalten, in die Polizeigesetze einzufügen.[16] Macht der Gesetzgeber keinen Gebrauch von seiner Möglichkeit zur Normsetzung, stellt dies seinerseits die gesetzgeberische Wertung dar, daß er von einer solchen Erforderlichkeit nicht ausgeht und es bei der lediglich vorübergehenden Aufenthaltsbeschränkung in Form des Platzverweises bleiben soll. Schon nach der Wesentlichkeitstheorie hat der Gesetzgeber alle Eingriffsmöglichkeiten der Polizei selbst zu regeln, [17] daher kann nicht der Polizei die Einschätzung der generellen und damit vom Landesgesetzgeber zu beantwortenden Frage der Aufenthaltsgebote, z.B. gegen die „offene Drogenszene“, überlassen werden. [18] Es muß demnach von der Sperrwirkung der Norm über den Platzverweis ausgegangen werden.
Nicht vertretbar erscheint dann allerdings, das Aufenthaltsverbot auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen. Denn die Regelung über die Verweisung einer Person von einem Ort (§ 14 BremPolG) ist abschließend. Das ergibt sich aus der Bestimmung des Platzverweises als kurzfristige Maßnahme, die der Polizeigesetzgeber regeln wollte. Das Aufenthaltsverbot dagegen ist von längerfristiger Natur. [19] Seine Eingriffsintensität ist weitergehender als die der Platzverweisung. Eine spezialgesetzliche, längerfristige Eingriffsnorm hinsichtlich des Verbotes, bestimmte Stadtteile zu betreten, ist nicht ersichtlich. Nach den oben skizzierten Grundsätzen ist dann ein Rückgriff auf die Generalklausel aber nicht zulässig, [20] da der Platzverweis mit seiner kurzfristigen Ausgestaltung die Aufenthaltsbeschränkungen abschließend geregelt hat. Nach der gesetzlichen Systematik, also der Subsidiarität der Generalklausel, ist das Aufenthaltsverbot der Polizei rechtswidrig.
Das Ergebnis dieser Erörterung ist indessen wenig überraschend, in der Literatur besteht darüber eine – soweit ersichtlich – uneingeschränkte Einigkeit. Die Versuche von Polizeipraktikern, die Subsidiarität der Generalklausel mittels der Annahme eines mehrjährigen gesetzgeberischen Tiefschlafes zu umgehen, vermögen kaum zu überzeugen.
Mitunter kann die Polizei auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bauen. Von dieser wird zum einen die polizeirechtliche Systematik verkannt und die Rechtswidrigkeit der Aufenthaltsverbote erst wegen Verstoßes gegen Art. 11 GG für gegeben gehalten. [21] Zum anderen wird selbst die Einschlägigkeit dieses Grundrechts verneint, [22] sofern diese überhaupt in Erwägung gezogen wird. [23] Daß die Gerichte sich zu Fragen der Subsidiarität von polizeilichen Generalklauseln überhaupt nicht äußern, ist zu kritisieren und trägt mit dazu bei, daß die Begrenzungen, die im Polizeirecht vorgesehen sind, geschwächt werden.
Das gilt umso mehr, da die Rechtsprechung neuerdings und entgegen der hier vertretenen Auffassung die Sperrwirkung der Regelung über den Platzverweis verneint. Begründet wird dies mit dem qualitativen Unterschied der Maßnahmen, da mit einem Platzverweis und einem längerfristigen Aufenthaltsverbot jeweils auf nach Art und Ausmaß nicht vergleichbare Gefahrenlagen reagiert würde. [24] Die Notwendigkeit eines Auffangtatbestandes sei hinsichtlich von Aufenthaltsverboten etwa bei Unglücksfällen und Naturkatastrophen anzunehmen. Diese Auffassung verkennt in nicht nachvollziehbarer Weise die Unterschiedlichkeit von seit langer Zeit bekannten Verhältnissen (etwa bei bestimmten Kriminalitätsformen) und unvorhersehbaren Ereignissen, bei denen unzweifelhaft eine spontane Verweisung von Personen auch über einen längeren Zeitraum erforderlich sein mag. Während im ersten Fall eine gesetzliche Regelung durchaus möglich ist, wenn sie denn gesetzgeberisch gewollt wäre, scheidet sie im zweiten naturgemäß aus. Diese Gleichsetzung verkennt daher die nicht vergleichbare Möglichkeit – und damit die Notwendigkeit – zur Normsetzung. Ein Rückgriff auf die subsidiäre Generalklausel erscheint also auch bei dieser Rechtsauffassung kaum nachvollziehbar.
Hamburger Gefahrerforschungen
Ein weiterer Fall, in dem sich die Polizei auf die Generalklausel stützte und sich damit jenseits der Rechtmäßigkeit begab, ereignete sich in Hamburg.
Die Hamburger Polizei, Abteilung Staatsschutz, hatte einen verdeckt operierenden Polizeibeamten in verschiedene politisch arbeitende Gruppen in der Hansestadt eingeschleust. Betroffen von dessen Datenerhebungen waren insbesondere antirassistisch arbeitende Gruppen wie etwa das ‘Hamburger Bündnis zum Lübecker Brandanschlag’. Aufgabe dieses Polizeibeamten war es, Gefahrerforschung zu betreiben. Nach Auffassung des Hamburger Senats handelt es sich trotz der Verwendung einer Legende nicht um einen Verdeckten Ermittler (VE), sondern um einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (NoeP). Die Voraussetzungen zum Einsatz eines VE (§ 12 PolDVG) [25] hätten nicht vorgelegen. Die Anordnung des LKA zum Einsatz des NoeP erfolgte im Rahmen der Gefahrenabwehr. Gesetzliche Grundlage sei in soweit die Generalklausel für die Datenerhebung in § 2 III S. 3 PolDVG. [26]
Nach Auskunft des Hamburger Senats handelte es sich bei den Datenerhebungen des NoeP um Gefahrerforschungen. Ein solcher Eingriff setzt nicht notwendigerweise das tatsächliche Vorliegen einer (unmittelbar bevorstehenden) Gefahr voraus, [27] denn ob eine Gefahr tatsächlich vorliegt oder nicht, kann zum Zeitpunkt eines polizeilichen Tätigwerdens nicht immer mit hinreichender Bestimmtheit festgestellt werden. [28] Maßnahmen zur Gefahrerforschung sind aber nur dann zulässig, wenn ein konkreter Gefahrenverdacht vorliegt, der aufgeklärt bzw. vorläufig bewältigt [29] werden soll. [30] Dieser muß seinerseits darlegungsfähig sein und den Unterschied zwischen bloßer Möglichkeit und hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr erkennen lassen. [31]
Nach Auffassung des Hamburger Senats (bzw. der Polizei) müsse die Polizei in die Lage versetzt werden, Analysen über sog. Problemfelder zu erstellen, die es ihr ermöglichen, in der Zukunft sinnvolle Einsatzplanungen zu treffen. U.a. die auch gewaltsamen Proteste gegen die Asyl- und Abschiebepolitik seien Auslöser für die Tätigkeit des NoeP gewesen. Der NoeP habe neben seiner Arbeit in den genannten Gruppen Informationen auch an Orten sammeln sollen, an denen sich Gruppen träfen, von denen nach polizeilicher Erfahrung die Gefahr von Gewalttaten ausgehe. Grundsätzlich hänge die Dauer des Einsatzes eines NoeP von den Erkenntnissen über die Gefahren ab, die von der (hier wohl autonomen) Szene ausgehen. [32]
Daraus ergibt sich, daß ein konkreter Gefahrenverdacht als Voraussetzung für Gefahrerforschungen selbst nach Kenntnis der Polizei nicht vorlag. Denn eine Verdachtslage, bei der im einzelnen Fall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird, [33] wird nicht belegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr schien es der Polizei darum zu gehen, sich gefahr unabhängig von einer bestimmten Szene ein Bild zu machen, um diese Erkenntnisse bei irgendwelchen Gelegenheiten berücksichtigen zu können.
Selbst wenn man von der Zulässigkeit der Generalklauselanwendung zur Gefahrerforschung ausginge, [34] so konnte sich die Hamburger Polizei in diesem Fall nicht darauf berufen. Statt einen konkreten Gefahrenverdacht darzulegen, erschöpften sich ihre Begründungen vielmehr in Spekulationen über „gefahrenträchtige Problemfelder“ und Erwägungen hinsichtlich eines sinnvollen und angemessenen Ressourceneinsatzes. [35]
Zusammenfassend soll hier zunächst festgestellt werden, daß sich die Gefahrerforschungen der Hamburger Polizei allenfalls in irgendeinem Vorfeld von irgendeiner Gefahr abspielten. Dieses kann mit einem Gefahrenverdacht jedoch nicht verwechselt werden. Der Hamburger NoeP-Einsatz stellt somit eine polizeiliche Vorfeldermittlung ohne gesetzliche Grundlage dar und ist rechtswidrig.
Die datenverarbeitungsrechtliche Generalklausel
Nach der Vorschrift des § 2 III S. 3 PolDVG ist eine verdeckte Datenerhebung neben den ausdrücklich geregelten Fällen nur zulässig, wenn die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe bei anderem Handeln aussichtslos wäre. Es handelt sich bei ihr um die speziellere Generalklausel im Verhältnis zu § 3 HambSOG, [36] da sie sich ausschließlich auf die Datenverarbeitung der Hamburger Polizei bezieht.
Die Anwendbarkeit der Generalklausel ist hier ebenfalls zu verneinen, da die Regelung über die verdeckte Datenerhebung durch VE (§ 12 PolDVG) als abschließend zu betrachten ist. § 12 PolDVG knüpft an eine unmittelbar bevorstehende Gefahr an, bzw. an Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, „daß Strafaten von erheblicher Bedeutung in der From organisierter Kriminalität begangen werden sollen“ [37] (§ 12 I PolDVG). Die Vorschrift begrenzt damit den VE-Einsatz vergleichsweise eng. [38]
Nach diesen Bestimmungen sind VE-Einsätze zur Erforschung von Gefahren nicht zulässig. Raum für verdeckte Datenerhebungen bei polizeilichen Vorfeldermittlungen läßt § 12 I PolDVG nicht. Die Regelung über Datenerhebungen durch VE ist damit als abschließend zu qualifizieren. Stützt die Hamburger Polizei den NoeP-Einsatz auf die Generalklausel des § 2 III S. 3 PolDVG, erweitert sie damit die Einsatzvoraussetzungen von verdeckten Datenerhebungen in den gefahrunabhängigen Bereich. Das ist aber nach der Sperrwirkung der speziellen Norm des § 12 PolDVG nicht zulässig.
Es zeigt sich, daß der Einsatz des NoeP bei Beachtung von Grundregeln des Polizeirechts kaum als rechtmäßig betrachtet werden kann. Dagegen spicht nicht nur das Fehlen eines Gefahrenverdachts, sondern auch die Sperrwirkung der Norm über Verdeckte Ermittler. Auch auf die Generalklausel konnte die verdeckte Datenerhebung nicht gestützt werden. Das „Ausweichen“ auf die Begrifflichkeit des NoeP für alle VE, bei denen die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen, kann darüber nicht hinwegtäuschen. [39]
Fazit
Die Bremer Aufenthaltsverbote wie auch die Hamburger Gefahrenerforschungen können nicht auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden. In beiden Fällen wird die polizeirechtliche Systematik verlassen, da abschließende Eingriffsregelungen eine Anwendung der Generalklausel ausschließen. Bei Zweifeln darüber hätte ein flüchtiger Blick in ein Lehrbuch oder einen einschlägigen Kommentar bei der Hamburger und Bremer Polizei für Sicherheit in der rechtlichen Beurteilung sorgen können.
Will man der Polizei nicht unterstellen, daß sie ihre rechtlichen Grundlagen nicht kennt, entsteht die Frage nach den Motiven für ihr offenkundig rechtswidriges Handeln.
Die jeweils angestrebten polizeilichen Zwecke stehen im Einklang mit der aktuellen politischen Stimmungslage. Für die sog. innere Sicherheit gehört dazu der Ausschluß von ganzen Personengruppen (etwa DrogennutzerInnen) aus bestimmten Stadtteilen genauso wie die effektive Kontrolle von politisch oppositionell arbeitenden Gruppen. Die Polizei kann sich auf entsprechende Rückendeckung von politischer Seite verlassen. Die Argumentation des Hamburger Senats belegt dies gleichermaßen wie die Absicht des Bremer Innenresorts, an der beschriebenen Polizeipraxis festhalten zu wollen. Der Verdacht liegt nahe, daß dem Polizeirecht von politischer Seite eine zunehmende Kompetenz zur „Bewältigung“ von sozialen und politischen Konfliktfeldern zugeschrieben werden soll.
Der rechtswidrige Rückgriff auf die Generalklausel resultiert zudem aus den präventiven Bedürfnissen der Polizei. Für diese wird das Polizeirecht als zu einschränkend empfunden, und die Polizei versucht, sich aus den engen tatbestandlichen Normen zu lösen und sich illegale Befugnisse zu verschaffen.
Insofern wird im Mißbrauch der Generalklausel das Eigeninteresse der Polizei sichtbar, bestimmte Konfliktbereiche in der Gesellschaft zu verpolizeilichen bzw. das Polizeirecht zu diesem Zweck immer weiter zu entgrenzen. [40]