Hart an der Grenze – Technische Aufrüstung für die Abschottungspolitik

von Heiner Busch

Seit die Abdichtung der Grenzen gegen Flüchtlinge und (illegale) MigrantInnen zu einem zentralen Bezugspunkt der Politik Innerer Sicherheit westeuropäischer Staaten geworden ist, hat die Technisierung der Grenzüberwachung und -kontrolle einen enormen Aufschwung erlebt.

So wird z.B. seit dem Sommer 1997 im schweizerischen Kanton Tessin die Grenze zu Italien nicht nur vom Grenzwachtkorps kontrolliert, sondern auch von einem Kontingent von anfangs 20 und seit Mai dieses Jahres 100 Berufssoldaten aus dem Festungswachtkorps. Die Militarisierung einer zivilen Angelegenheit brachte auch eine besondere technische Errungenschaft: Seit einigen Monaten testen die eingesetzten Soldaten ein System, das sie sich von der israelischen Armee besorgt haben. Sie hören den Mobiltelefonverkehr jenseits der Grenze ab und wollen auf diese Weise Schlepper lokalisieren, die ihre Kunden – derzeit meist Flüchtlinge aus Kosovo – an die Orte bringen, von denen aus sie die Grenze überqueren sollen. Das Militärministerium hatte zunächst beteuert, mit der Apparatur könnten die Benutzer von Handys nur lokalisiert, die Gespräche selbst aber nicht abgehört werden – eine Behauptung, die schon am nächsten Tag revidiert wurde. [1]

Für Telefonüberwachungen bedarf es auch in der Schweiz einer richterlichen Genehmigung. Da die in diesem Falle nicht möglich ist, belauscht man ‘nur’ Gespräche jenseits der Grenze in Italien. Dies sei legal, es handele sich um militärische Auslandsaufklärung, von Militärs betrieben und vom Völkerrecht gedeckt.

Überwachung der grünen Grenze

Dieser Fall ist in der Tat ein Grenzfall. Vollkommen ungewöhnlich ist er aber nicht. Die neue Grenze in Deutschlands Osten brachte nicht nur eine neue Aufgabe – Grenzüberwachung statt ‘einzeldienstlicher’ Grenz kontrolle –, sondern auch neue technische Mittel, die mit den traditionellen Instrumenten nicht mehr viel gemein haben. Dazu gehören nicht nur Hubschrauber, geländegängige Fahrzeuge und Schnellboote, die auf der Oder eingesetzt werden, sondern auch Geräte, die die Nacht zum Tage werden lassen. Derartige Technik, die eigens für den militärischen Einsatz entwickelt wurde, war bis Anfang der 90er Jahre in bundesdeutschen Polizeiarsenalen nicht zu finden. Im Februar 1993 wurden dann jedoch mehr als 400 Soldaten formell von der Bundeswehr beurlaubt, um BGS-Personal an Nachtsichtgeräten aus Beständen der Bundeswehr zu schulen.
Für das Sehen in der Nacht werden grundsätzlich zwei Techniken verwandt: zum einen sog. Restlichtverstärker, bei denen die auch in der Nacht minimal vorhandenen Lichtquellen mittels einer Röhre verstärkt werden; zum anderen Wärmebildgeräte, die die von Menschen ausgehende thermische Strahlung als Schwarzweißkontraste auf einem Bildschirm sichtbar machen können.
Beide Techniken sind mittlerweile an den deutschen Grenzen im Einsatz. 1996 verfügte der BGS insgesamt schon über 66 Wärmebildgeräte. Inzwischen liegt deren Zahl bei über 100. [2] Allein beim Grenzschutzpräsidium (GSP) Ost – zuständig für die brandenburgische und die sächsische Grenze – sind laut Angaben des Pressesprechers zur Zeit 50 solcher Apparate der Herstellerfirma Zeiss-Oberkochen in Gebrauch. Einige davon sind in Hubschraubern, die meisten jedoch in VW-Bussen eingebaut. Der Preis eines so ausgestatteten Fahrzeugs liegt bei ca. DM 330.000 (davon ‘nur’ 30.000 für den Bus). Die alten Geräte der Bundeswehr, die aus Panzern ausgebaut worden waren, sind mittlerweile ausgemustert. Sie hatten einen ziemlichen, auf die Dauer für den Benutzer unerträglichen und zudem für die Zielperson verräterischen Lärm verursacht. Die Sichtweite der neuen Geräte soll bis zu drei Kilometern betragen. Voraussetzung ist allerdings unverstellte Sicht, und die ist selbst im vom Waldsterben ausgedünnten Erzgebirge selten zu haben. Bei Regen oder dichtem Nebel verringert sich die Sicht auf etwa 500 Meter.
Mit Restlichtverstärkern hat man sich ebenfalls neu ausgestattet. Allein im Haushaltsjahr 1997 wurden vom BGS weitere 133 „Bildverstärker/Nachtbeobachtungsgeräte“ zugekauft; zusätzliche 25 sind für 1998 budgetiert, so erfuhren die Grünen im Haushaltsausschuß des Bundestages. Ebenfalls 1997 schaffte man eine mobile Videoüberwachungsanlage an, die offenbar bei den Einsätzen von Hubschraubern genutzt werden soll.
Radargeräte setzt der BGS nach Angaben des GSP Ost nicht ein. Sie sind für den Einsatz an der grünen Grenze nicht tauglich, da sie Dinge aus Metall statt lebende Menschen anzeigen. Für die Überwachung der Schengen-Außengrenzen werden sie aber z.B. in Italien genutzt, dessen ‘blaue Grenze’ von der Marine kontrolliert wird. Daß die Schiffe mit kurdischen Flüchtlingen im Herbst und Winter 1997 an der kalabrischen Küste stranden konnten, verdankt sich vor allem dem Umstand, daß dieser Küstenabschnitt noch nicht mit Radarüberwachung versorgt war. [3] Die italienische Marine hatte sich davor auf Apulien konzentriert, wo Anfang der 90er Jahre vollbesetzte Schiffe aus Albanien ankamen. Kleinere Boote, die heute meist zur Überfahrt genutzt werden, können aber nur selten vom Radar erfaßt werden.

Kontrolle am Grenzübergang und im Hinterland

Die Kontrolle von Papieren gehört seit jeher zu den normalen Tätigkeiten eines Grenzpolizisten. Seit einiger Zeit genügt auch dieser einzeldienstlichen Tätigkeit der bloße Augenschein nicht mehr. Der Visumzwang, den die westeuropäischen Staaten den BürgerInnen großer Teile der restlichen Welt, insbesondere den Herkunftsländern von Flüchtlingen, auferlegt haben, hat dazu geführt, daß immer mehr Menschen auf falsche Pässe und Visa angewiesen sind. Um diese Fälschungen entdecken zu können, hat man sich diverse technische Lösungen einfallen lassen.
Im allgemeinen beruhen diese beim BGS wie bei fast allen westeuropäischen Grenzpolizeien „auf optischen Geräten zur Vergrößerung unter Zuhilfenahme verschiedener Lichtquellen“, so die Antwort der Pressestelle der BGS-Direktion auf unsere Anfrage. „Ich bitte um Verständnis, daß ich im Hinblick auf Hersteller und Kosten aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine weitergehenden Ausführungen machen kann.“
Mitteilen konnte man immerhin, daß die Ausrüstung um so komplizierter wird, je höher man auf der organisatorischen Stufenleiter kommt. An der „Kontrollinie“, d.h. am Grenzübergang oder auch bei mobilen Streifen im Grenzgebiet, sei eine „einfache Grundausstattung ausreichend, die ‘am Mann’ getragen oder in unmittelbarer Reichweite des Kontrollbeamten an der Kontrollposition abgelegt werden kann.“ Hier dürfte es sich um einfache UV-Lampen und Lupen handeln. Die bayerische Polizei hat die mobilen Einsatzgruppen, die die „Schleierfahndung“ im Landesinnern übernehmen, mit sog. Doku-Boxen ausgestattet, zu denen neben UV-Lampen auch sog. Fadenzähler gehören. [4]
Im ‘Geschäftszimmer’ größerer Grenzübergänge finden sich dagegen bereits kompliziertere Dokumentenanalysegeräte mit den Beleuchtungsarten Auflicht, UV-Auflicht, Durchlicht und Spot- bzw. Streiflicht. In den ‘regionalen Schwerpunktprüfstellen’ werden Videospektralanalysegeräte eingesetzt. Das zentrale Urkundenlabor des Bundesgrenzschutzes ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von Urkundendelikten bei der Grenzschutzdirektion. Seit 1992 unterstützt sie die nachgeordneten Dienststellen u.a. mit der Herausgabe einer Loseblattsammlung über echte Dokumente und deren neueste Fälschungsmöglichkeiten. Bis 1991 wurden diese Auswertungen beim BKA durchgeführt, das eine entsprechende Bilddatenbank betrieb. „Ideal wäre es“, so BKA-Abteilungspräsident Steinke schon 1991, „diese Sammlung für die Grenzdienststellen im online-Betrieb abrufbar“ zu machen. [5]
Dieses Ziel hat man in den Niederlanden und in Frankreich mittlerweile erreicht. Die französische Polizei nutzt ein Informationssystem mit Namen ‘SINDBAD’, die niederländische gab dem ihren den Titel ‘EDISON’. [6] Laut Angaben des Bundesinnenministeriums arbeiten BKA und BGS an einer Übernahme von ‘EDISON’ in der BRD.

Neben Personen und deren Dokumente wird auch der Güterverkehr überprüft– und zwar nicht nur nach geschmuggelten Drogen und sonstigen Waren, sondern auch nach Menschen, die versteckt in Lastwagen und Containern die Grenzen überqueren. Um Menschen in verplombten Lastwagen aufzuspüren, werden neuerdings CO 2-Meßgeräte eingesetzt. Mit Sonden, die unter der Abdeckung in die Laderäume, aber auch durch kleinste Öffnungen in Container eingeführt werden, kann erkannt werden, ob der Anteil an CO 2 im Innern überdurchschnittlich hoch ist und damit auf ausgeatmete Luft hindeutet. Insgesamt sind derzeit 88 solcher Geräte beim BGS im Einsatz, im laufenden Haushaltsjahr sollten weitere 25 gekauft werden.

Informationstechnik – die Unterstützung der Grenzkontrolle aus dem Hinterland

Der Anschluß der Grenzübergänge gehörte in den 70er Jahren zu den vordringlichen Zielen beim Aufbau der polizeilichen Informationstechnik. Um eine breite Versorgung insbesondere mit Fahndungsinformationen zu gewährleisten, wurde der Zugang zu INPOL nicht nur durch Terminals, sondern auch durch Fernschreiber ermöglicht.
Seit diesen Anfangsjahren hat sich die polizeiliche Informationstechnik weiterentwickelt. In der Sachbearbeitung ging beim BGS, ähnlich wie bei der Kripo, der Trend hin zu kleineren Geräten, zu vernetzten PCs, sog. Arbeitsplatzcomputern (APC). Der BGS-Tätigkeitsbericht von 1995 verzeichnet insgesamt 250 APCs.
Nach wie vor bildet aber nicht die Sachbearbeitung und damit die Ausrüstung mit APCs, sondern die Abfrage zentral gespeicherter Informationen das wichtigste informationstechnische Ziel im grenzpolizeilichen Betrieb. Seit Anfang der 90er Jahre wurden die Grenzübergänge mit dem sog. Grenzterminalsystem ausgerüstet. Diese Terminals (Ende 1995 insgesamt 213) verfügen laut Aussagen eines Mitarbeiters im Bundesinnenministerium u.a. über Ausweislesegeräte, die die Kontrolle von maschinenlesbaren Ausweisen und Pässen vereinfachen. Maschinenlesbar sind heute neben deutschen Personalausweisen auch die der meisten anderen EU-Staaten und die EU-Pässe. Daten aus nicht maschinell lesbaren Ausweisen müssen nach wie vor eingetippt werden.
Die Zahl der abfragbaren Informationssysteme hat sich erhöht. Zur Verfügung stehen nicht nur die Personen- und die Sachfahndungskomponenten von INPOL. Über die Zentralrechner des BKA können auch das Ausländerzentralregister sowie das Zentrale Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) angefragt werden. Hinzu kommt das Schengener Informationssystem (SIS). Wie wir in der letzten Ausgabe [7] anhand der INPOL- und der SIS-Statistik demonstriert haben, sind Personenfahndungssysteme in erster Linie nicht Systeme zur Suche nach Straftätern oder Verdächtigen, sondern zur Abschiebung und Einreiseverweigerung. Fast 60% der Ausschreibungen in INPOL-Personenfahndung und über 85% der Personendaten im SIS beziehen sich auf Nicht-EU-AusländerInnen, die aus- oder zurückgewiesen werden sollen. Auch die überwiegende Zahl der „Fahndungstreffer“ richtet sich gegen AusländerInnen und hat nichts mit Strafverfolgung im eigentlichen Sinne zu tun. Daß dies nicht zufällig ist, ergibt sich allein schon daraus, daß das Schengener Durchführungsübereinkommen der Kontrolle der Einreisenden, und insbesondere der einreisenden AusländerInnen aus Drittstaaten gegenüber der von Ausreisenden den Vorrang gibt.
Kontrolliert wird aber nicht nur am Grenzübergang selbst. Bereits seit Anfang der 80er Jahre ermöglichen Datenfunkterminals die mobile Kontrolle in fahrenden Zügen. Die Kontrolle von Zugreisenden muß sich seither nicht mehr auf die bloße Paßnachschau beschränken, sondern kann sich auf zentral gespeicherte Fahndungsdaten stützen, ohne daß der Zug am Grenzbahnhof länger anhalten oder die zu kontrollierende Person aussteigen muß.
Da in den 90er Jahren das Augenmerk der Kontrolleure verstärkt dem Hinterland der Grenze gilt, haben auch mobile Datenfunkterminals an Bedeutung gewonnen. BGS und Zoll konnten bisher schon in einem Umkreis von 30 Kilometern hinter der Grenze Personen anhalten und überprüfen. Bayern hat 1994 mit einer Polizeigesetz-Änderung seiner Landespolizei die Kontrollmöglichkeit im weiteren Hinterland eröffnet. Praktischerweise hat man dafür Beamte der aufgelösten Bayerischen Grenzpolizei eingesetzt und mit Notebooks ausgerüstet, von denen aus die Abfrage von Informationssystemen möglich ist. Andere Bundesländer folgten dem Beispiel und ermöglichten auch in ihrem Polizeirecht die sog. Schleierfahndung. [8] Am 25.6.1998 hat der Bundestag dem BGS ähnliche Befugnisse verliehen. Die Grenze ist keine starre Linie mehr. Es bleibt abzuwarten, ob der Grenzschutz nun auch mit entsprechender Technologie zur Grenzkontrolle im Innern nachgerüstet wird.

Fingerabdruckdaten

Bulgarien war 1925 der letzte europäische Staat, der Fingerabdruckregister einführte und damit die bis dahin vorwiegend verwandte Bertillonage, das Vermessen von Körper und Kopf, als Identifizierungstechnologie zurückdrängte. Die Daktyloskopie, eine der ältesten polizeilichen Techniken, ist keine Grenztechnologie im eigentlichen Sinne. Die schnelle Computerisierung der alten manuellen Fingerabdruckregister in den letzten Jahren ist in Europa aber nicht von der Politik der Abschottung gegenüber Flüchtlingen zu trennen.
In allen westeuropäischen Staaten werden heute Asylsuchende sofort nach ihrer Ankunft erkennungsdienstlich (ED) behandelt und damit einem Verfahren unterzogen, das bei InländerInnen im Regelfall nur im Rahmen von Ermittlungsverfahren möglich ist. In der BRD ist eine Erfassung von Fingerabdrücken bei Flüchtlingen seit 1965 möglich gewesen, wenn ihre Identität nicht zweifelsfrei feststand. Diese Ausnahmeregel hatte sich seit den 80er Jahren mehr und mehr zum Normalfall entwickelt. Als die Datenschutzbeauftragten Ende 1991/Anfang 1992 gegen diese Praxis protestierten, reagierte die ‘Große Koalition’ der Inneren Sicherheit im Bundestag schnell. Sie beendete das uneinheitliche Vorgehen der Bundesländer und schrieb im Juni 1992 die ED-Behandlung von Flüchtlingen verpflichtend in § 16 Asylverfahrensgesetz fest. Begründung: der „Mißbrauch des Asylrechts“ solle verhindert werden.
Auch die technischen Konsequenzen waren schnell gezogen. Da das bis dahin betriebene halbautomatische Bund-Länder-System für die Erfassung von Fingerabdrücken schon durch die Teilerfassung der Asylsuchenden vor 1992 überlastet war, wurde im Dezember 1992 ein Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) in Betrieb genommen. Zwar geschehen Erfassung und Vergleich von Fingerabdrücken nach wie vor nicht einfach auf Knopfdruck hin, das beim BKA geführte System verringert die dafür nötige Arbeitszeit jedoch erheblich. Fingerabdruck-Daten von Asylsuchenden und solche von StörerInnen, Verdächtigen, Verurteilten und Inhaftierten, also Daten aus dem eigentlichen Arbeitsbereich der Polizei, werden nach wie vor im selben System geführt.
Andere westeuropäische Staaten hatten diesen Schritt schon länger vollzogen. Spanien betreibt seit Anfang der 80er Jahre ein AFIS der Firma ‘NEC’, die Schweiz benutzt seit 1988 ein System der Firma ‘PRINTRAK’, Frankreich arbeitet wie die BRD mit einem Produkt des französischen Herstellers ‘MORPHO’ Electronics. Diese Uneinheitlichkeit erweist sich nun als Hindernis für den Aufbau eines EU-weiten AFIS unter dem Namen EURODAC.
Die Einrichtung eines solchen gemeinsamen Systems stand seit der Unterzeichnung des Dubliner Abkommens im Juni 1990 auf der Tagesordnung. Auch dieses Abkommen soll „Asylmißbrauch“ – hier: Doppel- und Folgeanträge eines Flüchtlings in verschiedenen EU-Staaten – bekämpfen und sieht dafür vor, daß nur noch ein Asylgesuch pro Flüchtling erlaubt wird. Dieses ist im zuständigen Staat zu stellen, und das ist im Normalfall der EU-Staat, den der Flüchtling als ersten betreten hat. Alle anderen können die Betroffenen dorthin zurückschieben.
Voraussetzung dieses Verfahrens ist, daß die Identität der Person festgestellt wird. Das im September 1997 in Kraft getretene Dubliner Abkommen erlaubt hierzu die Verwendung von Fingerabdrücken. Weil es als Rechtsgrundlage für ein gemeinsames Informationssystem nicht ausreicht, ist ein gesonderter Vertrag für EURODAC notwendig. Der Entwurf hierzu vom März dieses Jahres sah noch vor, daß nur Asylsuchende ab 14 Jahren in dem System erfaßt würden. [9] Deutschland und Österreich haben sich auf der Tagung des Rates der EU-Innen- und Justizminister am 29. Mai durchgesetzt. [10] In einem Zusatzprotokoll soll nun festgehalten werden, daß alle illegalen Zuwanderer ED-behandelt und ihre Fingerabdrücke in EURODAC gespeichert werden. Begründet wird dies mit der Zunahme von Flüchtlingen aus dem irakischen Teil Kurdistans im vergangenen Jahr.
In EURODAC selbst werden die digitalisierten Fingerabdrücke, Ort und Zeitpunkt der Erfassung, der zuständige Staat und die von ihm verwendete Kennnummer der Person sowie deren Geschlecht erfaßt. Die sonstigen Daten registriert der „Herkunftsmitgliedstaat“. Die Übermittlung und der Vergleich von Fingerabdrücken sind auf zwei Wegen möglich. Die Blätter können auf konventionellem Wege an die Zentraleinheit geschickt werden, die den Vergleich vornimmt und die Ergebnisse zurückmeldet. Zugelassen ist auch ein online-Verfahren, bei dem die zuständige Behörde den Vergleich selbst direkt im System vornimmt.
Voraussetzung für letzteres ist die Kompatibilität des jeweiligen nationalen AFIS mit EURODAC, und dafür wiederum ist die Herstellerfirma ausschlaggebend. Die EURODAC-Durchführbarkeitsstudie wurde von der französischen Firma Bossard besorgt. Welche Firma den Zuschlag für die Errichtung erhält, steht laut BMI-Auskunft erst nächstes Jahr fest. Da im deutschen Falle das BKA zwischen die Asylbehörden und die EURODAC-Zentraleinheit geschaltet sei, könne man auch ohne ein online-Verfahren leben.

Kosten und Effizienz

Die Technisierung von Grenzkontrolle und -überwachung sowie überhaupt der Abschottungspolitik ist, wie das Beispiel der Wärmebildgeräte zeigt, eine teure Angelegenheit. Teurer als die Technik bleiben auf Dauer jedoch die personellen Ressourcen. Alleine an der Ostgrenze leben 6.200 BGS-PolizistInnen, ca. 1.000 grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte sowie etwa weitere 3.100 Beamte des Zolls und anderer Behörden von dieser Arbeit.
Auch der Mauerbau neuen Typus wird auf Dauer nicht zu einer vollständigen Abdichtung der Grenzen führen. Sein Ergebnis besteht vor allem darin, daß diejenigen, die es schaffen, heimlich die Grenze zu überqueren, im Innern des Landes zunehmend illegalisiert werden. Gesichert ist damit auch, daß den Vertretern der Abschottungspolitik nicht die politische Munition ausgeht. Mit einem Ausbau der technischen und personellen Ressourcen an den Grenzen und im grenzpolizeilichen Hinterland muß daher auf Dauer gerechnet werden.

Heiner Busch ist Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] Tagesanzeiger (Zürich) v. 8./9.5.1998
[2] Bundesministerium des Innern (Hg.): BGS-Tätigkeitsbericht für 1995, Bonn 1996, S. 10; Süddeutsche Zeitung v. 2.7.1998
[3] Pressekonferenz des Bürgermeisters von Badolato, Bern 19.2.1998
[4] Spörl, K.-H.: Zur Einführung einer verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrolle (‘Schleierfahndung’) in Bayern, in: Die Polizei 1997, H. 8, S. 217-219 (219)
[5] Steinke, W.: Kriminaltechnik in Europa, in: Kriminalistik 1991, H. 6, S. 377-380 (378)
[6] Synthesebericht der Besuchsteams, die im Auftrag des Schengener Exekutivausschusses die Außengrenzen bereisten, Sch/I-Front-com (97) 1, 2. Rev., Brüssel 20.3.1997
[7] Busch, H.: Die elektronischen Instrumente der Abschiebung, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 59 (1/98), S. 17-22
[8] vgl. Kutscha, M.: Große Koalition der Inneren Sicherheit?, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 59 (1/98), S. 57-69 (61ff.)
[9] Ratsdok. 6191/ 2/ 98, Rev. 2, ASIM 46, Brüssel, 13.3.1998
[10] Presseeklärumg des BMI, 29.5.1998