Die DNA-Identitätserfassung und -Speicherung in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamtes (BKA) wird von deutschen Gerichten zu leichtfertig und unter Missachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung angeordnet. Zu diesem Ergebnis kommen sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch das Landesverfassungsgericht Brandenburg in fünf Fällen, die ihnen zur Prüfung vorlagen.[1]
Nach dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz dürfen Beschuldigten und Verurteilten Blut oder Speichel für die DNA-Analyse und -Speicherung entnommen werden, um in zukünftigen Strafverfahren die Identität des Täters feststellen zu können. Voraussetzung ist, dass der Betroffene einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ verdächtig bzw. wegen ihr verurteilt worden ist und dass Grund zu der Annahme besteht, gegen ihn werden künftig erneut Strafverfahren wegen einer solchen Tat zu führen sein.
In den vier vom BVerfG beanstandeten Fällen waren die Betroffenen mehrfach wegen Diebstahls, Körperverletzung und Betäubungsmitteldelikten zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren jeweils auf Bewährung verurteilt worden. Im brandenburgischen Fall wurde die DNA-Erfassung im Strafverfahren gegen einen wegen gefährlicher Körperverletzung Beschuldigten angeordnet, der an einer gewalttätig endenden Demonstration teilgenommen hatte, aus der heraus ein Polizist durch einen Steinwurf am Bein verletzt worden war.
In ihren Entscheidungen kritisierten die Verfassungsgerichte, dass die richterliche Anordnung für die Entnahme des genetischen Fingerabdrucks in allen Fällen ohne genaue Prüfung des Einzelfalls erfolgt war. Es sei weder geprüft worden, ob die zugrunde liegenden Taten tatsächlich „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ seien, noch hätten sich die Gerichte mit der Gefahrenprognose hinreichend auseinandergesetzt.
Diese Fälle müssen alarmieren, denn sie deuten auf eine exzessive Anordnungs-Praxis hin, die sich in der Anzahl der gespeicherten DNA-Datensätze beim BKA widerspiegelt: seit dem 17.4.1998 sind dort 130.000 Datensätze erfasst, davon lediglich 20% im Zusammenhang mit Sexualdelikten. Im Gesetzentwurf (BT-Drs. 13/10791) war von 10.000 Fällen pro Jahr ausgegangen worden.
(Martina Kant)