Planungen für das SIS II

Mit dem Wind des 11. Septembers im Rücken hat die SIS-Arbeitsgruppe des Rates die Planungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation erheblich vorangetrieben. Das System wird technisch von der EU-Kommission entwickelt und über den Gemeinschaftshaushalt finanziert. Der Rat nahm hierzu am 6. Dezember eine Verordnung (1. Säule) und einen Beschluss (3. Säule) an.[1]

Auch hinsichtlich der „Anforderungen“ an das SIS II[2] sind wesentliche Entscheidungen bereits gefallen oder zumindest vorgezeichnet. Dies betrifft zum einen die Frage, welche zusätzlichen Stellen Zugang zum SIS II erhalten sollen. Weitgehend einig ist man sich über Zugriffsrechte für Eurojust und Europol. Hier bedürfte es zusätzlicher technischer Vorkehrungen, da diese beiden Institutionen nicht über eine nationale SIS-Komponente angeschlossen werden können. Für den technischen Aufbau des SIS irrelevant sind dagegen Zugriffsmöglichkeiten weiterer nationaler Stellen: Grundsätzlich abgesegnet ist der Anschluss von Kraftfahrzeugregisterbehörden, „Behörden, die Aufenthaltstitel erteilen“, sowie Staatsanwaltschaften bzw. Untersuchungsbehörden. Debattiert wird noch, ob Asylbehörden nach Aufbau von Eurodac den Zugang zum SIS brauchen, ob Sozialämter auf Daten über gestohlene, ungültige bzw. gefälschte Identitätspapiere zum Zweck der „Bekämpfung grenzüberschreitender Finanzkriminalität“ (d.h. unrechtmäßigem Sozialhilfebezug) haben sollen und ob nicht-staatliche Stellen, konkret: zentrale Auskunftstellen des Kreditwesens (SchuFa) am SIS beteiligt werden dürfen. Der Zugang von Inlandsgeheimdiensten zum Zweck der „Terrorismusbekämpfung“ wird noch geprüft. Grundsätzlich steht der Rat diesem Vorhaben positiv gegenüber.

Weit fortgeschritten ist auch die Debatte über neue Datenkategorien und „Funktionalitäten“: So sollen Ausschreibungen von Personen, Fahrzeugen und sonstigen Sachen miteinander verknüpft und Abfragen anhand unvollständiger Daten ermöglicht werden. Neue Kategorien wird es zum einen für die Sachfahndung geben (Schiffe, Flugzeuge, Container, ungültige, ge- und verfälschte Identitätsdokumente, Fahrzeugscheine, Visa, Schecks und Aktien, ggf. Kunstgegenstände und Tiere).

Fahnden will man ferner nach Personen, denen die Ausreise verboten ist (minderjährige Kinder, Strafgefangene auf Hafturlaub). Gegen eine Kategorie „potenziell gewalttätige Randalierer“ (Verhinderung der Teilnahme an Demonstrationen oder Fußballspielen) haben Schweden, Finnland und Norwegen noch Vorbehalte. Geprüft wird ferner, ob Nicht-EU-BürgerInnen bei der Einreise automatisch im SIS zu speichern sind oder ob diese Daten nicht besser in einer eigenständigen, aber mit dem SIS verlinkten Datenbank zu erfassen wären. Grundsätzlich einig ist sich der Rat, dass Daten über Visaerteilungen ausgetauscht werden sollen; unklar ist, ob dieser Austausch über das SIS erfolgen soll. Noch offen ist ferner, welche erkennungsdienstlichen Daten im SIS selbst gespeichert werden (ggf. Fotos) und ob zusätzliche Links zu nationalen Datensystemen (Fingerabdrücke, biometrische Daten, DNA-Profile) gesetzt werden dürfen. Als Reaktion auf den 11. September ist auch eine zusätzliche Datenbank über „Terroristen“ im Gespräch, die im Rahmen des SIS errichtet werden soll, auf die aber nur Geheimdienste und politische Polizeien zugriffsberechtigt wären. Das ursprüngliche SIS entsprach dem Konzept eines polizeilichen Fahndungssystems. Das SIS II droht zu einer Allround-Datenbank für den „Sicherheitsbereich“ zu werden.

(Heiner Busch)

[1]      Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 328 v. 13.12.2001, S. 1-6
[2]     Ratsdok. 6164/5/01, 13269/01, 14094/01, 14790/01, 5968/02, 5969/02, 5970/02