Ausweitung grenzüberschreitender Observation

Deutsche Hartnäckigkeit zahlt sich offenkundig aus: Im Juni 2002 erzielte der Rat der Innen- und Justizminister der EU eine politische Einigung über einen Vorschlag, den das Bundesinnenministerium (BMI) bereits 1999 – anläßlich der Überführung der Schengen-Kooperation in die EU-Strukturen – in einem Memorandum an die anderen Mitgliedstaaten formuliert hatte: die Ausweitung der polizeilichen Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Observation.[1] Hierzu soll nun Art. 40 des Schengener Durchführungsübereinkommens in zweierlei Hinsicht geändert werden: Zum einen wird der Katalog der Straftaten, aufgrund dessen eine derartige Überwachung erfolgen kann, um sechs Delikte erweitert (darunter die sog. Schleuserkriminalität und Mitgliedschaft und Unterstützung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen).

Zweitens wird der Kreis der Personen vergrößert, denen die Polizei über die Staatsgrenze hinweg hinterher schnüffeln darf. Dies war bislang nur bei Tatverdächtigen zulässig. Nun soll eine Person auch grenzüberschreitend beobachtet werden können, wenn von ihr „anzunehmen ist, dass (sie) zur Identifizierung oder Auffindung [des Tatverdächtigen] führen kann.“ Hierunter fallen nicht nur FreundInnen und Bekannte – im deutschen Polizeijargon „Kontaktpersonen“. Auch Lebens- und Ehepartner, die im Strafprozess ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, können von einer solchen Maßnahme betroffen sein. Ein Wermutstropfen aus Sicht des deutschen Innenministeriums: Eine Eilkompetenz – also die Durchführung einer grenzüberschreitenden Observation ohne vorherige Genehmigung des hiervon betroffenen EU-Landes – wird es auch in Zukunft nur für die Observation von Tatverdächtigen geben.

Polizeivertreter erwarten einen weiteren deutlichen Anstieg dieser Form der grenzüberschreitenden Überwachung. Gemäß den Schengen-„Erfahrungsberichten“ des BMI haben sich derartige Observationseinsätze deutscher PolizistInnen bereits von 1997–2000 mehr als verdoppelt (von 48 auf 129). Ob diese Einsätze irgendein messbares Ergebnis für die Aufklärung des zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren erbracht haben, weisen die Berichte allerdings nicht aus – ein grundlegendes Defizit bei der statistischen Auswertung verdeckter Polizeimethoden.

Randnotiz: Das seit 1999 konservativ dominierte EP hat sich auch in dieser Frage hinter die Maximalforderungen aus Berlin gestellt.[2]

(Mark Holzberger)

[1]      Sch/I (99) 20 rev. 2 v. 22.4.1999, s. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 65 (1/2000), S. 87
[2]     EU-Ratsdok. 11896/01 v. 25.9.2001; 5404/02 v. 21.1.2002; 7925/02 v. 15.4.2002, 9620/02 v. 13.6.2002