Am 12. März 2003 verwarf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Verfassungsbeschwerden von JournalistInnen. Edith Kohn vom „Stern“ und die beiden ZDF-RedakteurInnen Beate Thorn und Udo Frank hatten unabhängig voneinander gegen die Überwachung ihrer Telefonanschlüsse in den Jahren 1995 bzw. 1998 geklagt. In beiden Fällen war es nicht um den Inhalt der geführten Gespräche, sondern um eine „Zielwahlsuche“ genannte Sonderform der Rasterfahndung gegangen. Dabei wird die Gesamtheit der in und nach Deutschland abgewickelten Anrufe (ca. 220 Mio. Datensätze) mit fixen Anschlussnummern (hier diejenigen der JournalistInnen) abgeglichen.
Beide Male waren die Medienschaffenden nicht als Beschuldigte, sondern als „Nachrichtenmittler“ überwacht worden. Ins Visier der ErmittlerInnen waren sie geraten, weil angenommen wurde, dass sie mit den Beschuldigten in Kontakt stünden. Kohn hatte jahrelang über das Ex-Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ Hans-Joachim Klein berichtet, dem die Staatsanwaltschaft dreifachen Mord während des Überfalles auf die OPEC-Konferenz 1975 vorwarf. Die Überwachungsaktion führte zu seiner Festnahme in der Normandie am 8.9.1998. Klein stand damals kurz davor, sich den Behörden zu stellen. Thorn und Frank hatten im ZDF-Magazin „Frontal“ eine Tonbandkassette mit der Stimme des gesuchten Milliarden-Pleitiers Jürgen Schneider präsentiert. Durch die Überwachung gelang auch Schneiders Verhaftung am 18.5.1995 in Miami.
Das BVerfG hielt beide Überwachungen für gerechtfertigt. Zwar sei von der Zielwahlsuche eine Vielzahl Unbeteiligter betroffen, dieser Eingriff sei aber verhältnismäßig, wenn er der Verfolgung schwerer Straftaten diene. Letztere rechtfertige auch einen Eingriff in die Pressefreiheit recherchierender JournalistInnen. Die ErmittlungsrichterInnen müssten sich aber in jedem Falle „eigenverantwortlich“ ein Urteil bilden und dürften nicht nur die Anträge der Staatsanwaltschaft gegenzeichnen.
Letztlich sei es „Sache des Gesetzgebers über die Freistellung von Journalisten … von strafprozessualen Maßnahmen zu entscheiden“.
(Stephan Stolle)