Fingierte SMS von der Polizei

Im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung darf die Polizei nicht nur den Inhalt der Gespräche belauschen, sondern sie erhält von den Anbieterfirmen zusätzlich die Verbindungsdaten. Bei Mobiltelefonen zählen dazu auch Angaben über den Standort des Telefonierenden. Was aber tut die Polizei, wenn der Verdächtige partout nicht telefonieren will und daher auch keine Verbindungsdaten produziert? Antwort: Sie erzeugt die Telekommunikation künstlich, indem sie dem Betroffenen eine verdeckte SMS schickt. Sobald das Handy eingeschaltet wird, sendet es Signale an die nächste Funkantenne und kann so geortet werden. Der Betroffene bemerkt diesen Vorgang nicht. Die Überwachung der Telekommunikation hat sich damit gänzlich von der Kommunikation losgelöst und dient nur noch der Observation und Aufenthaltsermittlung.

Die Berliner Polizei, so geht aus der Antwort des Innensenators auf eine Anfrage des grünen Abgeordneten Volker Ratzman hervor, hat sich bis Mitte April dieses Jahres 99 Mal dieses Verfahrens bedient.[1] Sie verwendet nicht die marktgängigen Programme „Smart-SMS“ und „SMS-Blaster“, sondern eine Software, die der Bundesgrenzschutz zum „Aufspüren von Menschenhändlern“ entwickelt hat.

Die Polizei stützt sich bei ihrer „stillen Post“ auch auf den neuen § 100g StPO, der mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom Dezember 2001 eingeführt wurde. Die „bloße“ Erhebung von Verbindungs­daten ist danach nicht nur zur Verfolgung einer Katalogstraftat nach § 100a erlaubt, sondern generell bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ – ein Begriff, der bekanntlich noch uferloser ist als der bisher gehandhabte Endloskatalog des § 100a.

(Stephan Stolle)

[1]      Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 15/10559 v. 6.6.2003