von Heiner Busch
Siebzehn Jahre nach der Auskoppelung der Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes aus dem Nachrichtendienstlichen Informationssystem des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat das Parlament die informationstechnische Wiedervereinigung von Polizei und Geheimdiensten beschlossen.
Am Ende konnte es der Bundesregierung und ihrer Großen Koalition nicht schnell genug gehen. Im Juni 2004 – kurz nach dem Anschlag in Madrid – hatte die Innenministerkonferenz (IMK) den Aufbau einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten des Bundes und der Länder gefordert, um der angeblich so zerstückelten föderalistischen „Sicherheitsarchitektur“ der Bundesrepublik informationstechnisch auf die Sprünge zu helfen. Die Parteien diskutierten, ob es sich um eine Volltext- oder „nur“ um eine Indexdatei handeln sollte und ob man darin „nur“ Daten zum Terrorismus oder gleich auch solche zum Extremismus zu speichern hätte. Dann kamen das Ende der rot-grünen Ehe, die Wahlen und der halbe Regierungswechsel.
Am 4. September 2006 erneuerte die IMK ihre Forderung, diesmal mit dem Rückenwind zweier nicht explodierter Kofferbomben in deutschen Regionalzügen. Keine drei Wochen später lag der Gesetzentwurf dem Bundesrat vor. Er sei „besonders eilbedürftig“, mahnte die Bundeskanzlerin in ihrem Anschreiben. Die Ländervertretung hatte denn auch inhaltlich nichts auszusetzen und empfahl am 3. November, einerseits die „sunset“-Klausel, das Auslaufen eines Teils des Gesetzes nach fünf Jahren, zu streichen und andererseits gleich auch noch dafür zu sorgen, dass die bei der Erfassung der LKW-Maut auf den Autobahnen anfallenden Daten von ihrer lästigen Zweckbindung befreit würden. Der Bundestag überwies seinerseits den Entwurf im Oktober an die Ausschüsse. Bei der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am 1. November durften die KritikerInnen noch einmal kurz auf das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten hinweisen. Am 1. Dezember lehnte das Plenum des Bundestages sämtliche Anträge der kleinen Oppositionsparteien ab und nahm das Gesetz ohne viel Federlesen an.[1] Das endgültige Plazet des Bundesrates am 15. Dezember war dann nur noch Formsache. Pünktlich zu Weihnachten war die Bescherung perfekt.
Terrorismus im Konjunktiv
Das zweifelhafte Geschenkpaket enthält fünf Artikel: Das Anti-Terror-Datei-Gesetz (ATDG) ist dabei nur der erste. Eingerichtet wird die Datenbank beim Bundeskriminalamt (BKA). Zugriff haben sollen zum einen die sechzehn Landeskriminalämter, die Bundespolizeidirektion, das Bundesamt (BfV) und die Landesämter für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst (BND) und schließlich das Zollkriminalamt (ZKA). In der Errichtungsanordnung, also durch einen exekutiven Federstrich, können zum andern neben diesen 38 Ämtern und Diensten noch weitere Polizeibehörden beteiligt werden, „soweit diesen Aufgaben zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus … nicht nur im Einzelfall besonders zugewiesen sind“ (§ 1 Abs. 2). Laut Begründung des Entwurfs kommen hierfür „in erster Linie die Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes der Länder“ in Frage.
Die „beteiligten Behörden“ können nicht nur Daten abrufen, sondern sie müssen auch die ihnen vorliegenden einschlägigen „Erkenntnisse“ hier erfassen. „In der Antiterrordatei dürfen nur bereits erhobene Daten gespeichert werden“, beteuert die Bundesregierung in der Begründung. Das ist Augenwischerei, denn die Pflicht zur „unverzüglichen Speicherung“ betrifft nicht nur die heute vorliegenden „Erkenntnisse“, sondern auch die, die jeweils neu erhoben werden. Das Gesetz enthält zwar keine Befugnis, Daten eigens für die Speicherung in der neuen Datenbank zu erheben, aber eine Pflicht zur Doppelerfassung, und zwar in den eigenen Datensammlungen der jeweiligen Behörden und in der gemeinsamen Anti-Terror-Datei.
Dass die Datei „Vorfelderkenntnisse“ enthalten wird, wie die GesetzesmacherInnen in der Begründung eigens betonen, ergibt sich zunächst daraus, dass sich die geheimdienstliche Hälfte der beteiligten Behörden in aller Regel im Vorfeld von strafrechtlichen Ermittlungen tummelt. Wie weit ins Vorfeld die Erfassung reicht, zeigt der nur mit großer Mühe verstehbare § 2 ATDG, der festlegt, welche Personen, Organisationen etc. gespeichert werden müssen. Eine Übersetzung aus dem Behördendeutsch ergibt folgendes Bild: Zum einen legt der Paragraf vier Kategorien von Personen fest:
- Mitglieder oder UnterstützerInnen von terroristischen Vereinigungen (§§ 129a und b Strafgesetzbuch), die entweder im Inland agieren, aber einen Auslandsbezug haben, oder im Ausland tätig sind und eine Verbindung zu Deutschland aufweisen (Nr. 1a)
- Mitglieder oder UnterstützerInnen einer „Gruppierung“, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, m.a.W. auch UnterstützerInnen der UnterstützerInnen, was immer das auch sein mag (Nr. 1b)
- Personen, die rechtswidrige politisch oder religiös motivierte Gewalt anwenden, aber auch solche, die eine Gewaltanwendung „unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen“. Mit letzterem seien insbesondere „Hassprediger“ gemeint, heißt es in der Begründung (Nr. 2)
- Kontaktpersonen: Darunter hat man Leute zu verstehen, über die „tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“, dass sie „in nicht nur flüchtigem oder zufälligem Kontakt“ zu den unter den Nrn. 1a und 2 genannten Hauptpersonen stehen und dass „durch sie Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus gewonnen werden können.“ Die Präzisierung „… nicht nur flüchtig oder zufällig …“ ist dem Innenausschuss des Bundestages zu verdanken, der allerdings eine von den Grünen geforderte weitere Einengung auf Personen, die vom Terrorismusbezug der Hauptpersonen wissen, ablehnte (Nr. 3).
Hinzu kommen zwei weitere Kategorien: einerseits Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen und Unternehmen (Nr. 4a), andererseits Sachen sowie Bank- und Kommunikationsverbindungen (Anschriften, Telekommunikationsanschlüsse, Internetseiten, E-Mail-Adressen). In beiden Fällen müssen „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Verbindung zu einer Person aus den Nrn. 1a, b und 2 da sein.
Schon die Kategorien selbst sind uferlos. Der um sie herum gebaute Text lässt die Grenzen vollends verschwimmen: Er verpflichtet die beteiligten Behörden zur Speicherung von Daten, „wenn sie (die Behörden, d.Verf.) über polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse verfügen, aus denen sich tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, dass die Daten“ sich auf eine der genannten Kategorien „beziehen“. Anhaltspunkte für einen solchen Bezug sind laut der Begründung dann „tatsächlich“, wenn sie „nach nachrichtendienstlichen oder polizeilichen Erfahrungswerten die Einschätzung rechtfertigen, dass die Erkenntnisse … zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus beitragen.“ Es geht also nicht darum, ob eine Person konkret verdächtig ist, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen oder rechtswidrige Gewalt zu befürworten (was ohnehin keine Straftat darstellt). Entscheidend ist vielmehr, dass Polizei oder Geheimdienste davon ausgehen, dass die Person eine UnterstützerIn oder BefürworterIn sein könnte. Unter den möglichen Voraussetzungen für eine Speicherung hat sich der Gesetzgeber damit die am weitesten gehende Formulierung ausgesucht. Die im selben Paragrafen enthaltene Forderung, dass die gespeicherten Daten für die Zwecke der „Aufklärung“ bzw. „Bekämpfung“ des Terrorismus „erforderlich“ sein müssten, erscheint vor diesem Hintergrund als groteske Datenschutzlyrik, weil es dann, wenn „Erfahrungswerte“ und „Einschätzungen“ die Erfassung bestimmen, nichts mehr gibt, woran die Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit zu messen wäre.
In den folgenden Paragrafen unterscheidet das Gesetz bei den zu erfassenden Personen zwischen „Grunddaten“ und „erweiterten Grunddaten“. Erstere sollen ausschließlich zur Identifikation der Betroffenen dienen, gehen aber bereits über das Übliche hinaus: Gespeichert werden sollen neben Personalien, Aliaspersonalien, Anschrift auch besondere körperliche Merkmale, die gesprochenen Dialekte, Fotos sowie die „Fallgruppe“, d.h. die Kategorie, der die Person nach § 2 zugeordnet wird. Bei der Abfrage zu einer Person erhalten die dazu berechtigten MitarbeiterInnen der beteiligten Behörden zunächst diese Grunddaten sowie die Angabe über die aktenführende Stelle.
Für einen Zugriff auf die „erweiterten Grunddaten“ bedarf es im Normalfall eines Ersuchens an die Behörde, die die Daten eingegeben hat. Im Eilfall, der bei Ermittlungen im Terrorismus-Umfeld leicht zu konstruieren ist, kann eine abfragende Stelle das Ersuchen nachreichen und sich sofort an diesen Informationen bedienen. Auch die „erweiterten Grunddaten“ dienen angeblich der Identifikation der Betroffenen und erlauben laut Begründung „eine fachliche Ersteinschätzung im Sinne einer zuverlässigen Gefährdungseinschätzung“. Die Religionszugehörigkeit ist dabei nur ein Beispiel für hochsensible Daten. Weit gefährlicher ist die Zuordnung zu einer Organisation und die Angabe von „besuchten Orten oder Gebieten“. Hinzu kommen Daten über eigene oder benutzte fremde Telekommunikationsanschlüsse, E-Mail-Adressen, Bankverbindungen, Fahrzeuge etc., die auch eigenständig erfasst werden. Auch wenn hier keine Verknüpfungsmöglichkeit zwischen den verschiedenen Personen- und Sachdaten vorgesehen ist, ermöglicht die Kenntnis der „erweiterten Grunddaten“ einer Person eine weitreichende Recherche ihres Umfelds. Wie die beteiligten Ämter und Dienste das Freitextfeld für „zusammenfassende besondere Bemerkungen, ergänzende Hinweise und Bewertungen“ nutzen, ob sie dort nur drei Zeilen oder ganze Aktenteile hinterlassen, hängt weder vom Gesetz noch von der Technik, sondern nur von ihrem Mitteilungsbedürfnis ab.
Mit diesem Feld verlässt das Gesetz definitiv die ursprüngliche Konzeption der „Indexdatei“. Entstanden ist vielmehr ein umfängliches gemeinsames Register für polizeiliche und geheimdienstliche Informationen; umfänglich wegen der Zahl der beteiligten Behörden, hinsichtlich der Breite des Kreises der zu erfassenden Personen und schließlich der Tiefe der zu ihnen gespeicherten Daten.
Zusammenarbeitspflicht
Dass Polizei und Geheimdienste regelmäßig Informationen austauschen, ist nichts Neues. Mit den Geheimdienstgesetzen von 1990 hat die Pflicht zur Zusammenarbeit und zur Weitergabe von Daten, die seit den 50er Jahren in diversen Weisungen festgehalten war, erstmals eine gesetzliche Fassung erhalten.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass der Datenaustausch zwischen beiden Seiten auf automatisierte Weise erfolgt. Als der polizeiliche Informationsverbund (INPOL) und das Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) des Verfassungsschutzes in den 70er Jahren aufgebaut wurden, erschien beiden Seiten der gegenseitige Online-Zugriff völlig selbstverständlich – und das nicht nur wegen des Terrorismus der RAF. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten wurde diese umfassende Verbindung 1979 gekappt. Allerdings führte die BKA-Staatsschutzabteilung noch bis 1989 ihren Personenindex nicht nur in der eigenen PIOS-Arbeitsdatei, sondern auch in NADIS.[2] Das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) von 1990 setzte diese technische Abkoppelung auch rechtlich um. Es schreibt in § 6 vor, dass Bundesamt und Landesämter für Verfassungsschutz gemeinsame Dateien zur gegenseitigen Unterrichtung betreiben und ein automatisierter Abruf durch andere Stellen unzulässig ist.
Das ATDG macht diese Regelung zur Makulatur. Es behandelt BKA und Landeskriminalämter, Bundespolizei und ZKA sowie sämtliche Geheimdienste als gleichberechtigte Mitglieder der großen Familie von „Sicherheitsbehörden“, die in trauter Eintracht gegen den Terrorismus und sein großes Um- und Vorfeld zusammenarbeitet. Das Gesetz ratifiziert gewissermaßen den seit langem anhaltenden Prozess der Angleichung beider Seiten – der Vergeheimdienstlichung der Polizei einerseits und der Verpolizeilichung der Dienste andererseits. Dass sowohl die Polizei als auch die Dienste im Vorfeld arbeiten, erscheint in diesem Gesetz als selbstverständlich. Worin der qualitative Unterschied zwischen polizeilichen und geheimdienstlichen Vorfelderkenntnissen bestehen könnte, ist nicht ersichtlich. Selbst die unterschiedlichen Aufgabennormen, für die aufgrund der Vorverlagerung polizeilicher Tätigkeiten bisher lange Umschreibungen notwendig waren, reduzieren sich nun auf zwei Worte: „Aufklärung“ einerseits und „Bekämpfung“ andererseits. Das lange Gerede um „Strafverfolgung“, „Gefahrenabwehr“, „Gefahrenvorsorge“ und „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten“ hat ein Ende. Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten ist zwar nicht aufgehoben, sie ist aber nur noch eine organisatorische, die gleichzeitig zur Zusammenarbeit verpflichtet.
Das jetzt verabschiedete Gesetz gibt dieser Zusammenarbeit technische Formen, deren eine die Anti-Terror-Datei darstellt. So wie die Registerdateien der Polizeien von Bund und Ländern im Rahmen von INPOL oder des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz in NADIS ermöglicht die Anti-Terror-Datei zum einen eine „erste fachliche Einschätzung“ über die Grenze zwischen Polizeien und Geheimdiensten hinweg. Sie ist zugleich eine Einladung, mit der aktenführenden Stelle in direkten Kontakt zu treten und mehr zu erfahren. Der automatisierte Datenabruf findet nur da seine Grenze, wo der Quellenschutz, das Grundgesetz der geheimdienstlichen und der verdeckten polizeilichen Tätigkeit, es erfordert. § 4 ATDG ermöglicht deshalb die „beschränkte“ und die „verdeckte“ Speicherung. Bei letzterer werden der Behörde, die die Daten eingegeben hat, automatisch die Abfragedaten übermittelt. Sie hat dann „unverzüglich“ mit der anfragenden Stelle Kontakt aufzunehmen. Während der ursprüngliche Regierungsentwurf eine verdeckte oder beschränkte Speicherung nur bei „besonderen Geheimhaltungsinteressen“ zulassen wollte, hat der Innenausschuss des Bundestages die „besonders schützwürdigen Interessen des Betroffenen“ ergänzt. Das sieht schöner aus, ist aber nicht weiter von Belang.
Projekte und Projektdateien
Während die Anti-Terror-Datei den Austausch von Einzelinformationen automatisiert, regeln die Artikel 2-4 des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes eine erheblich intensivere Kooperation zwischen Polizei und Geheimdiensten, die aber in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Die Artikel ergänzen das BVerfSchG, das BND- und das BKA-Gesetz um nahezu gleichlautende Formulierungen, die dem BfV, dem BND und dem BKA die Führung von Projektdateien für den „Austausch und die gemeinsame Auswertung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen“ erlauben.
An den Projekten können je nach Bedarf die gleichen Behörden beteiligt werden, die auch auf die Anti-Terror-Datei Zugriff haben: Polizeien des Bundes und der Länder, ZKA und sämtliche Geheimdienste. Eine derartige Zusammenarbeit an einem Themenkomplex gibt es schon seit einigen Jahren. Die Begründung nennt zwei Beispiele: ein Projekt zu „Netzwerken arabischer Mudjahedin“ – ab 2001 geführt beim BKA – und ein Nachfolgeprojekt „Ausbildungslager arabischer Mudjahedin“ beim BfV. Die bisherige Rechtslage (z.B. § 6 BVerfSchG) habe dazu gezwungen, Informationen, die allen Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern bereits zur Verfügung stehen oder übermittelt werden dürfen, jeweils getrennt in mehrere inhaltlich gleiche Dateien (einzugeben) oder regelmäßig auf Datenträgern wie CD-ROMs an die übrigen teilnehmenden Behörden“ zu übermitteln. Die gemeinsamen Projektdateien, so lautet die Botschaft, seien nur eine kleine Arbeitserleichterung.
In der Tat begann der Sündenfall nicht erst mit dem technischen Mittel. Wo Personen aus verschiedenen Behörden in einer Arbeitsgruppe am gleichen Thema und mit denselben Informationen arbeiten, haben Bestimmungen, die für die Übermittlung einzelner Informationen gedacht waren, ihren Sinn verloren. Die neue Regelung ermöglicht denn auch nicht nur die gemeinsamen Dateien, sondern legalisiert gleichzeitig die projektmäßige Zusammenarbeit als solche. Sie tut das in der üblichen Art, nämlich ohne wirkliche Grenzen zu setzen.
Der Inhalt der Projektdateien und damit auch der Gegenstand der Projekte ist nur durch bestimmte Aufgabenbereiche der Geheimdienste bzw. des BKA vage angedeutet. So fordert der neue § 22a BVerfSchG nur, dass die „projektbezogene Zusammenarbeit“ sich beziehen soll auf die in § 3 Abs. 1 Nr. 1-4 BVerfSchG genannten „Schutzgüter“ – von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung über die „auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland“ bis hin zum „Gedanken der Völkerverständigung“, den das Terrorismusbekämpfungsgesetz von Januar 2002 in die Aufgabennorm des Verfassungsschutzes einfügte. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass die aufzuklärenden „Bestrebungen“ diese Schutzgüter „durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen“ gefährden sollen.
Im neuen § 9a BKA-Gesetz begnügte sich der Gesetzgeber mit dem Hinweis, dass „polizeiliche oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu Straftaten“ aus einem Deliktkatalog auszuwerten seien (geheimdienstliche Agententätigkeit – § 99 StGB, terroristische Vereinigungen – §§ 129a und b StGB, „bedeutsame“ Straftaten des Außenwirtschaftsgesetzes sowie damit jeweils „unmittelbar“ zusammenhängende Delikte). Auf eine Unterscheidung zwischen Verdächtigen, möglichen Verdächtigen, Kontaktpersonen, ZeugInnen etc. wurde verzichtet. In der Begründung heißt es denn auch nur, dass in Projektdateien „umfassende Informationen zu relevanten Personen“ ausgewertet und „verdichtet“ werden sollen. Bei einer maximalen Projektdauer von vier Jahren (zwei Jahre plus zwei Verlängerungen um jeweils ein Jahr) bedeutet dies, dass der Geruch des Terrorismus ebenso lang an den Betroffenen kleben bleibt.
Um die Folgen dieser intensiven Zusammenarbeit hat sich der Gesetzgeber nicht geschert. Wie sollen gegebenenfalls geheimdienstliche Daten in Strafverfahren eingeführt werden? Wer steht dafür gerade, wer sagt aus? Welche Akten werden dem Gericht und der Verteidigung offengelegt, welche gesperrt? Was ist, wenn die Erkenntnisse von befreundeten Diensten kommen, die sie per Folter in Guantánamo oder in einem anderen geheimen Gefängnis an irgendeinem Ort der Welt erpresst haben? Nach der Umwandlung des bis zur Unkenntlichkeit verwaschenen Trennungsgebots in eines der arbeitsteiligen Kooperation droht die geheimdienstliche Verseuchung des Strafprozesses.