Anders als die ständige Ausweitung polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse erwarten lässt, kann der Datenschutz auch im Sicherheitsbereich durchaus etwas ausrichten. Dazu hat nicht nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beigetragen. Dreißig Jahre nach den Anfängen stellen vernünftige VertreterInnen von Polizei und Geheimdiensten die Geltung des Datenschutzes nicht mehr in Frage.
Wer das Verhältnis von Sicherheitsbehörden zum Datenschutz in den letzten dreißig Jahren Revue passieren lässt, erinnert sich an die Auseinandersetzungen des ersten Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Hans-Peter Bull, mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt über NADIS, INPOL und die Richtlinien über kriminalpolizeiliche Sammlungen (KpS-Richtlinien), hat die Konflikte seiner spitzzüngigen baden-württembergischen Kollegin Ruth Leuze mit ihrem Gegenspieler Alfred Stümper vor Augen und denkt an die Terrorismushetze und die Rasterfahndung des BKA-Präsidenten Horst Herold, an den Lauschangriff seit 1975 gegen Klaus Traube oder an die Stammheimaffäre, die auch eine Abhöraffäre war. Datenschutz im Sicherheitsbereich – Möglichkeiten und Grenzen weiterlesen →
Bereits seit Jahren angekündigt, legte das Bundesjustizministerium im November 2006 einen Gesetzentwurf vor, der die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) über verdeckte Ermittlungsmethoden reformieren soll.[1] Indem der Entwurf versucht, ein rechtsstaatlich einwandfreies Fundament für geheime Polizeiarbeit zu liefern, wird er zu deren Ausweitung beitragen.
Nach eigenem Bekunden ist die Novelle aus drei Gründen erforderlich: Erstens verlangten technischer Fortschritt und praktische Schwierigkeiten der Strafverfolgung nach neuen und übersichtlicheren Regelungen für verdeckte Ermittlungsmethoden. Zweitens müsse der Gesetzgeber Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus der jüngeren Vergangenheit Rechnung tragen – namentlich den Urteilen zum Großen Lauschangriff, zur Erhebung von Verkehrsdaten der Telekommunikation (TK) sowie den in verschiedenen Entscheidungen formulierten Maßstäben für Rechts- und Datenschutz bei verdeckten Ermittlungen. Drittens ergäben sich die Änderungen aus den Vorgaben der Cybercrime-Konvention des Europarats, die demnächst ratifiziert werde, sowie aus der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von TK-Verkehrsdaten. Verdeckte Methoden im Strafprozess – Zum Entwurf der aktuellen StPO-Novellierung weiterlesen →
Bei der Bekämpfung der unerlaubten Einwanderung bzw. „terrorverdächtiger“ AusländerInnen arbeiten deutsche Polizeibehörden und Geheimdienste inzwischen eng zusammen.
Den ersten Schritt in diese Richtung unternahm das Bayerische Staatsministerium des Inneren (StMI), als es im Herbst 2004 die Arbeitsgruppe BIRGiT ins Leben rief.[1] BIRGiT steht für „beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus“. Die Arbeitsgruppe trifft sich etwa alle zwei Wochen. Neben dem StMI gehören ihr zunächst die Ausländerbehörden der Städte München und Nürnberg sowie der Bezirksregierungen Oberbayern und Mittelfranken an. Bei denen hatte das StMI im Juli 2005 eigens die Zuständigkeiten für Ausweisungsverfügungen und Überwachungsmaßnahmen (§ 54a Aufenthaltsgesetz, AufenthG) konzentriert.[2] Weil „die meisten Gefährderfälle einen Asylbezug haben“, ist auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beteiligt.[3] Mit von der Partie sind ferner VertreterInnen des Landeskriminalamts (LKA) und des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Anlassbezogen werden auch die Landesanwaltschaft sowie andere bayerische Behörden und Kommunen hinzugezogen.
Hauptziel der AG BIRGiT ist es, sog. Gefährder unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Ausreise aus Deutschland zu bewegen. Wenn eine Ausreise rechtlich (noch) nicht möglich sein sollte, so will die Arbeitsgruppe den Handlungsspielraum der betroffenen Person so weit wie möglich einschränken. … was nicht zusammen gehört – Polizei und Geheimdienste kooperieren gegen Ausländer weiterlesen →
Die Geheimdienste dürfen weiterhin Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsfirmen verlangen. Am 1. Dezember 2006 verlängerte und erweiterte der Bundestag die Befugnisse, die er den Diensten vor fünf Jahren eingeräumt hatte.
Das jetzt beschlossene „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ (TBEG) ist der deutliche Beweis dafür, dass die Befristung von Sicherheitsgesetzen eine Farce ist. Ende Dezember 2001 hatte das damals von Otto Schily geführte Bundesinnenministerium (BMI) das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ über die parlamentarischen Hürden gepeitscht.[1] Als Zückerchen für den kleinen grünen Koalitionspartner hatte man die darin enthaltenen neuen Befugnisse der Geheimdienste auf fünf Jahre befristet. Vor Ablauf der Frist sollten sie „evaluiert“ werden. Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation weiterlesen →
Die Bremer Polizei hält es für „verhältnismäßig“, festgenommene DemonstrantInnen nicht nur zu fesseln, sondern ihnen zur Desorientierung auch abgedunkelte Brillen aufzusetzen.
Samstag, 9. September 2006: Die Hamburger Polizei hat vorsorglich um Unterstützung aus den benachbarten Bundesländern gebeten. Beim Fußball-Pokalschlager St. Pauli gegen Bayern muss sie die Fans betreuen, und nebenan steigt das alljährliche Schanzenfest. Dort macht eine Bremer Festnahmeeinheit von sich reden, die den Festgenommenen nicht nur, wie üblich, die Hände auf dem Rücken in Plastikfesseln legt: Sie setzt ihnen zusätzlich abgedunkelte Brillen auf, um sie bis zum Abtransport zu „desorientieren“.
Der Vorgang hat einiges öffentliches Aufsehen erregt und Nachfragen im politischen Raum provoziert. Es laufen nicht nur interne Ermittlungen der Hamburger Polizei, gegen die Verantwortlichen ist auch Strafanzeige erstattet worden. Die Ermittlungen gestalten sich offenbar schwierig, die Rechtslage soll sich aber – jedenfalls durch die Brille der Bremer Polizei betrachtet – einfach gestalten. Polizeirecht durch die Bremer Brille – Zum Einsatz beim Hamburger Schanzenfest weiterlesen →
01.09.: Konfrontationen im Berliner Wahlkampf: Zwölf Angehörige der linken Szene attackieren einen Wahlstand der Republikaner in Friedrichshain. Sechs der Angreifer werden vorläufig festgenommen. Nachdem es bei Veranstaltungen von SPD und CDU zu wiederholten Konfrontationen kommt, attackieren am 8. September in Marzahn zwei Anhänger der rechten Szene zwei SPD-Mitglieder beim Aufhängen von Plakaten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Körperverletzung gegen die beiden Neonazis.
Deutsch-niederländischer Polizei- und Justizvertrag in Kraft: Durch den Vertrag wird die Kooperation der Polizeien erweitert. Unter anderem dürfen PolizistInnen nun zur Gefahrenabwehr und TäterInnenverfolgung die gemeinsame Landesgrenze überschreiten. Chronologie weiterlesen →
Sicherheitsbehörden können ohne den Umgang mit Informationen nicht arbeiten. Das gilt für die geheimen Nachrichtendienste, die nach herrschender Lesart exklusive Informationen beschaffen, auswerten und vornehmlich die Regierungen mit derartig gewonnenen Erkenntnissen versorgen sollen. Das gilt aber auch für die Polizeien, die ohne Informationen weder abzuwehrende Gefahren zur Kenntnis nehmen noch Straftaten aufklären könnten. Im Informationszeitalter hat sich nicht nur die Bedeutung von Informationen für die Sicherheitsbehörden erhöht, zugleich hat das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983 bewirkt, dass der Schutz personenbezogener Daten Anlass und Gegenstand umfangreicher gesetzgeberischer Reaktionen wurde. Als Folge der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist der Umfang der Polizeigesetze seit den 1980er Jahren erheblich gewachsen; und jede neue Technik, jede neue polizeiliche Maßnahme wird im Hinblick auf ihre Folgen für den Datenschutz diskutiert und ggf. auf eine gesetzliche Basis gestellt. Das Sicherheitsrecht ist derart über weite Strecken zu einem Informationsrecht unter der Fahne des Datenschutzes geworden. Literatur weiterlesen →
Der Kampf um die Speicherung sog. Vorratsdaten über das Telekommunikationsverhalten der BürgerInnen und die Nutzung dieser Daten für die Strafverfolgung geht in die nächste Runde. Am 8. November 2006 stellte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries einen Referentenentwurf vor, der u.a. die umstrittene EU-Richtlinie vom März dieses Jahres umsetzen soll.[1]
Die Möglichkeit, für Strafverfolgungszwecke auf Informationen über Telekommunikations-(TK)-Verbindungen zuzugreifen, lässt sich bis ins Jahr 1928 zurückverfolgen, als mit § 12 des damaligen Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) eine entsprechende Befugnisnorm geschaffen wurde. Zu einem wichtigen Ermittlungswerkzeug wurden Daten über hergestellte Fernmeldeverbindungen allerdings erst, als die heutige Telekom 1989 begann, die bis dahin manuelle und elektromechanische durch digitale Vermittlungstechnik zu ersetzen. Seitdem wird für jede Kommunikationsbeziehung ein Datensatz erzeugt und digital auf den Servern der TK-Unternehmen abgelegt, um auf dieser Grundlage den KundInnen die in Anspruch genommenen Leistungen in Rechnung zu stellen. Grundrechtseingriffe auf Vorrat – Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung weiterlesen →
Während der Entwurf des Justizministeriums noch in den vorparlamentarischen Beratungen steckt, haben Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf zur „Reform der Telekommunikationsüberwachung“ (TKÜ) in den Bundestag eingebracht.[1]
Der Entwurf weist im Hinblick auf Ziele und Mittel streckenweise erstaunliche Ähnlichkeiten mit der Regierungsvorlage auf: Er will die Anordnungsfristen auf zwei Monate verkürzen, die Qualität der gerichtlichen Anordnung bzw. Kontrolle verbessern, die Berichtspflichten gesetzlich verankern, der Kernbereich privater Lebensgestaltung vor der TKÜ schützen und das Zeugnisverweigerungsrecht stärken. In den Details unterscheiden sich die Entwürfe: Während die Grünen die Anschlüsse aller Zeugnisverweigerungsberechtigten von der TKÜ ausnehmen wollen (es sei denn, der Zeugnisverweigerungsberechtigte ist selbst Beschuldigter), differenziert der Regierungsentwurf zwischen Geistlichen, Verteidigern und Parlamentariern, die mehr geschützt werden sollen als die anderen in § 52 StPO genannten Gruppen. Grüne TKÜ-Novelle – Abschied vom Straftatenkatalog als Alternative? weiterlesen →
Rolf Gössner sei kein „Linksextremist“, sagt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Dennoch hat es in 36 Jahren der „Beobachtung“ eine Menge Daten über ihn zusammengetragen. Die eigentlich interessanten will das Amt dem Rechtsanwalt und Publizisten jedoch nicht offen legen.
Seit zehn Jahren streitet sich Rolf Gössner mit dem BfV darüber, wie weit sein Recht auf Auskunft geht und ob die Daten zu seiner Person zu Recht erfasst wurden. Der heute 58-jährige Rechtsanwalt hat über Jahre hinweg grüne Parlamentsfraktionen beraten, ist Autor zahlreicher Aufsätze und Sachbücher zu Themen der „inneren Sicherheit“ und seit 2003 Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte.
1996 verlangte er erstmals Auskunft über seine Daten und fragte das BfV, ob er sich als damaliger Redakteur und Autor der Zeitschrift „Geheim“ als amtlich geprüfter „Linksextremist“ bezeichnen lassen müsse. Das Amt antwortete mit dem Hinweis auf Gössners Beiträge in als linksextremistisch eingestuften Publikationen. Die Liste beginnt 1970. Darüber hinaus seien auch personenbezogene Daten über seine „Kontakte zur Zusammenarbeit mit linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten Personenzusammenhängen“ gespeichert. Kontakt-Extremismus – (K)ein Recht auf Auskunft beim Verfassungsschutz? weiterlesen →
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