Literatur

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Sicherheitsbehörden können ohne den Umgang mit Informationen nicht arbeiten. Das gilt für die geheimen Nachrichtendienste, die nach herrschender Lesart exklusive Informationen beschaffen, auswerten und vornehmlich die Regierungen mit derartig gewonnenen Erkenntnissen versorgen sollen. Das gilt aber auch für die Polizeien, die ohne Informationen weder abzuwehrende Gefahren zur Kenntnis nehmen noch Straftaten aufklären könnten. Im Informationszeitalter hat sich nicht nur die Bedeutung von Informationen für die Sicherheitsbehörden erhöht, zugleich hat das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983 bewirkt, dass der Schutz personenbezogener Daten Anlass und Gegenstand umfangreicher gesetzgeberischer Reaktionen wurde. Als Folge der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist der Umfang der Polizeigesetze seit den 1980er Jahren erheblich gewachsen; und jede neue Technik, jede neue polizeiliche Maßnahme wird im Hinblick auf ihre Folgen für den Datenschutz diskutiert und ggf. auf eine gesetzliche Basis gestellt. Das Sicherheitsrecht ist derart über weite Strecken zu einem Informationsrecht unter der Fahne des Datenschutzes geworden.

Eine aktuelle monografische Darstellung des Datenschutzes im Sicherheitsbereich sucht man vergebens; kein Weg führt deshalb an den einschlägigen Kommentaren des Polizei- und Strafprozessrechts vorbei. (Ein Kommentar zum Recht der Geheimdienste steht seit Ende der 80er Jahre aus!) Die fachliche und wissenschaftliche Öffentlichkeit ist mit der Erörterung der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – namentlich zum Großen Lauschangriff und zum Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz – sowie den Folgen moderner, meist technikgestützter polizeilicher Instrumente befasst. Neben den Dauerbrennern der Telefonüberwachung – einschließlich „stiller SMS“ und Standortortung – oder der Speicherung von DNA-Daten stehen gegenwärtig die Vorratsdatenspeicherung, die Weitergabe von Fluggastdaten an die USA, die Nutzung der Kfz-Kennzeichen-Erfassung für polizeiliche Zwecke an der Spitze der Debatte.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz: Tätigkeitsbericht 2003-2004 – 20. Tätigkeitsbericht –, Bonn 2005 (BT-Drs. 15/5252 v. 19.4.2005; www bfdi.bund.de)

Die Tätigkeitsberichte des Bundes- und der Landesdatenschutzbeauftragten sind eine Fundgrube für alle, die sich über die Entwicklung des Datenschutzrechts und über die Praxis des Datenschutzes in Deutschland informieren wollen. Soweit ersichtlich fehlt es sowohl an einer systematischen Aufbereitung der Berichte (allein in Hessen sind bislang 34 Berichte erschienen) als auch an einer Untersuchung der Wirksamkeit datenschützerischer Interventionen. Stellvertretend für die Arbeit des institutionalisierten Datenschutzes soll an dieser Stelle ein Blick auf den jüngsten Bericht des Bundesbeauftragten geworfen werden.

Der Bericht umfasst 247 Seiten; die Seiten 52 bis 76 gelten dem Thema „Innere Sicherheit“. Nach einer „Neue Sicherheitsarchitektur“ überschriebenen Einleitung werden aktuelle Datenschutzfragen der ein­zelnen Sicherheitsbehörden des Bundes dargestellt: Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei (damals noch „Bundesgrenzschutz“), Zoll sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst. Die Tätigkeiten des Beauftragten bestehen in Stellungnahmen zu und Beteiligungen an einzelnen Gesetzgebungsvorhaben sowie in Überprüfungen behördlicher Praktiken.

Die Stellungnahmen zum Gesetzgebungsverfahren beziehen sich zum einen auf anstehende Novellierungsvorschläge (Folgen verfassungs­gerichtlicher Urteile, Kfz-Kennzeichen-Scan), zum anderen auf Regelungen, die im Berichtszeitraum bereits verabschiedet wurden. Hierzu zählen die Novellierungen des Bundesgrenzschutz- und des Außenwirtschaftsgesetzes und das Luftsicherheitsgesetz. Inhaltlich erschöpft sich die Rolle des Bundesdatenschutzbeauftragten – und seiner KollegInnen aus den Ländern, auf die Entschließungen der Konferenz der Datenschutzbeauftragten wird mehrfach verwiesen – darin, die Belange des Datenschutzes anzumahnen. Dies bedeutet etwa im Hinblick auf die jetzt realisierten Pläne, gemeinsame Dateien von Polizei und Nachrichtendiensten zu schaffen, dass Datenerhebung und -weitergabe an die Aufgaben der Behörden geknüpft werden sollen, dass die Zweckbindung der Daten „strikt“ zu wahren sei, dass Protokollierungen für alle Zugriffe auf die Daten vorzuschreiben und dass Auskunftsrechte der Betroffenen „uneingeschränkt zu gewährleisten“ seien. Ähnlich ist die Stellungnahme zur Kfz-Kennzeichenerfassung. In der im Bericht zitierten Entschließung der Datenschutzbeauftragten wird der „Sorge“ Ausdruck verliehen, dass „sich diese Maßnahmen zu einem weiteren Schritt zur Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger entwickeln könnte“. Dies führt jedoch nicht zur Ablehnung des automatisierten Kennzeichen-Scans; auch wenn unkommentiert bemerkt wird, „dass schon mehrere Länder eine Kfz-Kennzeichen-Erfassung ablehnen“. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass der Abgleich einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Sofern gesetzliche Regelungen geschaffen würden, müsse „auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass Daten über unverdächtige Personen gespeichert werden und dass ein allgemeiner Datenabgleich mit polizeilichen Informationssystemen durchgeführt wird“. Im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren warnen und mahnen die institutionalisierten Sachwalter des Datenschutzes; in konkreten Fragen bleibt Umfang und Reichweite ihrer Kritik auf die strikte Beachtung datenschutzrechtlicher Standards beschränkt.

Aus dem Bericht ergeben sich auch Hinweise auf die Bedeutung des Amtes des Datenschutzbeauftragten. Im Berichtszeitraum wurde das Bundesgrenzschutz-Gesetz verlängert, weil die 1998 geschaffene erweiterte Befugnis zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen Ende 2003 ausgelaufen wäre. Im Hebst 2003 ersuchte der Bundesbeauftragte das Innenministerium mehrfach um Beteiligung an einer eventuell geplanten Novelle. Diese Anfragen blieben zunächst unbeantwortet. Erst einen Tag vor der abschließenden Beratung der Novelle im Bundestag wurde dem Bundesbeauftragten der Bericht über die Erfahrungen mit den BGS-Kontrollen zugeleitet. Die Befugnis wurde ohne seine Beteiligung bis Mitte 2007 verlängert; erneut wurde eine Evaluierung der Maßnahme vorgeschrieben. Der Bundesbeauftragte hofft, „an der Evaluation diesmal rechtzeitig beteiligt“ zu werden. Bei anderen Vorhaben wurde er „von Beginn an beteiligt“. Etwa bei der Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG), die durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004 notwendig geworden war. Inhaltlich bemängelt der Bericht, dass die Neuregelung den Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht ausreichend schütze. Wegen dieses Mangels war das Gesetz bis Ende 2005 befristet worden – was der Datenschutz­beauftragte „ausdrücklich“ begrüßt. (Im nächsten Bericht wird er dazu Stellung nehmen müssen, dass das AWG Ende 2005 unverändert verlängert wurde!)

Interessanter als die Rolle des Datenschutzbeauftragten im Gesetzgebungsverfahren sind die Hinweise, die der Bericht auf den Stand polizeilicher Datenverarbeitung enthält. Leider fehlt ein systematischer
Überblick über die bei den Polizeien gebräuchlichen Datenverarbeitungsprogramme und Dateien. Der Bericht des Bundesbeauftragten gibt aber immerhin einen Einblick in einige Praktiken bzw. Entwicklungen. Im Bereich des BKA etwa wurden die Dateien zur Geldwäschebekämpfung kontrolliert. Das BKA führt zum einen die Verbunddatei „Geldwäsche“, in der sämtliche auf Verdachtsanzeigen beruhende Informationen eingestellt werden. Zum anderen führt das BKA die Datei „FIU“ (für „Finance Intelligence Unit“), die Analysezwecken und dem Datenaustausch mit dem Ausland dient. Der Bericht kritisiert, dass in der „Geldwäsche“-Datei die Daten Verdächtiger auch dann nicht gelöscht werden, wenn über sie keine (weiteren) Erkenntnisse vorliegen. Es ist ihm lediglich gelungen, die Speicherungsdauer für diese Fälle auf vier Jahre zu begrenzen. Zum Vorhaben des BKA, beide Dateien zusammenzufügen, steht eine abschließende Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten aus.

Im Hinblick auf „INPOL-neu“ will er die weitere Entwicklung „sorgfältig begleiten und darauf achten, dass der gesetzliche Rahmen … beachtet wird.“ Seine Sorge äußert der Bericht über die Schaffung „schlafender Bestände“ von DNA-Identifizierungsmustern, die die Innenministerkonferenz im November 2004 befürwortet hat. Beim „schlafenden Bestand“ handelt es sich um DNA-Informationen, die nach Ablauf der allgemeinen Aussonderungspflichten gelöscht werden müssten, aber stattdessen in einen „gesonderten Recherchepool“ überführt werden. Die Innenminister ließen sich von der Argumentation des Datenschutzbeauftragten, dass ein „schlafender Bestand“ nicht erforderlich sei, nicht überzeugen.

Einen kleinen Erfolg meldet der Bericht bei den „Auswertedateien“ des BKA. Nach der Kritik im vorherigen Tätigkeitsbericht und einem „Beratungs- und Kontrollbesuch“ im BKA wurde die Datei „Global“ gelöscht. In der Datei sollten Informationen über gewalttätige Aktionen und andere Straftaten militanter Globalisierungsgegner gespeichert werden. Die Kontrolle des Datenschutzbeauftragten ergab, dass sich „die Polizeirelevanz einzelner Daten allein daraus (ergab), dass diese von Polizeidienststellen des In- und Auslandes stammten“. So waren Daten von TeilnehmerInnen an und AnmelderInnen von Protestveranstaltungen gespeichert worden, ohne dass es zu strafrechtlichen Ermittlungen gekommen war. Obgleich die Datei „Global“ gelöscht wurde, besteht das generelle Problem der „Auswertedateien zur Erkenntnisgewinnung“ fort, das der Bundesbeauftragte im Fehlen einer „normenklare(n) Rechtsgrundlage“ sieht.

Der Bericht gibt auch Hinweise auf den Stand der Datenverarbeitung bei den anderen Sicherheitsbehörden des Bundes: Der Bundesgrenzschutz entwickelte das Projekt PAVOS (Polizeiliches Auskunfts- und Vorgangsbearbeitungssystem), das die bundesweite Online-Recherche im gesamten Bestand ermöglicht, der sich aus den „Elektronischen Tagebüchern“ der BGS-Dienststellen speist. Der Zoll unterhält eine eigene Geldwäschedatei mit mindestens sechsjähriger Speicherungsdauer. Das nachrichtendienstliche Informationssystem „NADIS“ soll auch für Informationen der Verfassungsschutzämter über „Organisierte Kriminalität“ genutzt werden. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wird die Einführung der „Elektronischen Akte“ vorbereitet. Der Militärische Ab­schirmdienst hat weiterhin Zugriff auf das Personalführungs- und Informationssystem der Bundeswehr (was der Bericht für unzulässig hält). Und der Forderung, einen behördlichen Datenschutzbeauftragten für den MAD zu bestellen, wurde bislang nicht entsprochen – wie gesagt, eine Fundgrube für alle Interessierten.

Rena Tangens; padeluun (Hg.): Schwarzbuch Datenschutz. Ausgezeichnete Datenkraken der Big Brother Awards, Hamburg (Edition Nautilus) 2006, 192 S., EUR 13,90

Seit dem Jahr 2000 werden auch in der Bundesrepublik die „Big Brother Awards“ verliehen, mit denen Vorreiter von Überwachungstechniken und Überwachungsstaat ausgezeichnet werden. Der vorliegende Band versammelt eine Auswahl der Preisreden aus den ersten sechs Jahren; er gibt damit zugleich einen Einblick in die sich entwickelnde Überwachungskultur in Deutschland. In den vielen der mittlerweile sieben Preiskategorien tauchen immer wieder Akteure und Institutionen der Inneren Sicherheit auf: vom Berliner Innensenator Eckart Werthebach, dem der Preis in der Kategorie „Politik“ im Jahr 2000 exemplarisch für die Investitionen zur Telefonüberwachung zugesprochen wurde, über das BKA, das wegen seiner Präventiv-Dateien 2002 mit dem Preis für „Behörden und Verwaltung“ geehrt wurde, bis zum rot-grünen Innenminister Otto Schily, der den Preis 2005 für sein „Lebenswerk“ erhielt. Die vielen anderen Preisträger zeigen aber zugleich, dass keineswegs nur staatliche ÜberwacherInnen am Werke sind.

(sämtlich: Norbert Pütter)

Sonstige Neuerscheinungen

Oschmann, Frank: Die Finanzierung der Inneren Sicherheit am Beispiel von Polizei und Sicherheitsgewerbe, Köln, Berlin, München (Carl Heymanns Verlag) 2005, 381 S., EUR 108,–

„Ohne Fleiß kein Preis“, weiß der Volksmund, und der hier vorgelegte Band verbindet das Credo dieses unreinen Binnenreims aufs Vortrefflichste, handelt es sich doch bei dieser juristischen und rechtspolitischen Abhandlung zu Finanzierungsmöglichkeiten polizeilicher und sicherheitsgewerblicher Tätigkeiten um eine mehrere hundert Seiten umfassende Fleißarbeit, und es sind die 108 Euro für diesen Band, die seinen Kauf zu einer echten Preisfrage machen. Um es vorweg zu nehmen, eine lohnende Investition ist die als Dissertation vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg angenommene Schrift nicht.

In vier Teilen legt die Arbeit zunächst knapp die Finanzierung von Polizei und Sicherheitsgewerbe als Rechtsproblem dar (Teil 1), beschreibt sodann die bisherige und zukünftige Finanzierung der Polizei in der Bundesrepublik (2) und befasst sich mit der Finanzierung des privaten Sicherheitsgewerbes, die sowohl in Hinblick auf private Auftraggeber wie auf die Einbeziehung durch die öffentliche Hand untersucht wird (3). Im vierten Teil wird schließlich das Ergebnis der Arbeit mit „50 Thesen zur Finanzierung der inneren Sicherheit“ zusammengefasst.

Nachdem sich Oschmann, der vor wenigen Monaten bereits im Alter von 30 Jahren an einer schweren Krankheit gestorben ist, mit den Hauptfinanzierungsformen der Polizeiarbeit – Steuerfinanzierung und Polizeikostenrecht – sowie im letzteren Fall mit deren Anwendungsfällen auseinandergesetzt hat (Großveranstaltungen, Demonstrationen, Hausbesetzungen, Abschleppen/Umsetzen von Kraftfahrzeugen, Luftsicherheitsgebühr), geht er auf weitere (nicht) mögliche Polizeifinanzierungsformen ein. Detailliert setzt er sich mit der Finanzierung des Bahnschutzes durch die Bundespolizei auseinander (S. 157 ff.). Er entwickelt sodann Grundzüge einer künftigen Polizeifinanzierung (S. 183 ff.), zu der er insbesondere die finanzielle Beteiligung von kommerziellen Veranstaltern an den Polizeikosten rechnet (Love Parade), während er „aus rechtspolitischen Gründen“ eine Polizeikostenerhebung bei nicht-kommerziellen Veranstaltungen – wiewohl möglich – für nicht opportun hält. Beim Schutz von Atommüll-Transporten sieht er die Möglichkeit einer stärkeren Kostenbeteiligung der Kraftwerksbetreiber, nicht jedoch mit Blick auf die damit in Zusammenhang stehenden Kosten wegen der Demonstrationen gegen diese Transporte, denn diese seien „eine politisch zu behandelnde Aufgabe“ (S. 211). Erträge aus der verstärkten Bestreifung von Wohngebieten schließt Oschmann aus, „in Einkaufspassagen bzw. Energieanlagen“ (S. 230) seien sie jedoch rechtlich möglich, bisher fehle es an der Nachfrage. Zudem schlägt er die Schaffung einer Veranstaltungskostenverordnung vor, die über eine Umlagefinanzierung „Zeit- und Kilometergebühren … sowie eine Rahmengebühr“ (S. 247) umfassen solle. Schließlich favorisiert er das Polizeisponsoring als weitere Einnahmequelle (S. 248 ff.), bevor er sich – nach Würdigung EU-rechtlicher Aspekte – der finanziellen Inanspruchnahme kommerzieller Sicherheitsdienste zuwendet.

Eine informelle Indienstnahme des Sicherheitsgewerbes durch die Polizei hält Oschmann für rechtlich möglich, doch sei dies „rechtspolitisch derzeit abzulehnen“ (S. 301), weil eine entsprechende Normierung kontraproduktiv auf die Motivation wirken und – bei etwaigen Prämienzahlungen – eine „Kopfgeldjäger-Mentalität“ fördern könnte; insoweit sei der „Ausbau der freiwilligen Kooperationsmodelle“ zu bevorzugen (S. 300); schließlich sieht der Autor rechtlich die Möglichkeiten für die Aufgaben- und Abgabenbeleihung der kommerziellen Sicherheitsdienste etwa bei Großveranstaltungen und Verkehrskontrollen gegeben und begrüßt sie als „rechtspolitisch sinnvoll“ (S. 319), zumal, wie er bereits zu Beginn des Buches schreibt, „der Tätigkeit privater Sicherheitsdienste eine staatsmonetäre Bedeutung“ im Präventionsstaat zukommt (S. 7). Mit dieser Orientierung auf die weitere Integration des kommerziellen Sicherheitsgewerbes in die Gewährung innerer Sicherheit liegt der Autor auf der Linie der vom kommerziellen Sicherheitsgewerbe geschaffenen Forschungsstelle Sicherheitsgewerbe an der Universität Hamburg – seinem bisherigen Wirkungsort.

Insgesamt plädiert Oschmann für eine stärkere Einbeziehung des kommerziellen Sicherheitsgewerbes und eine intensivierte Nutzerfinanzierung, zu der er im Besonderen die Aufnahme von Bagatellschäden im Straßenverkehr und die Nutzung von Autobahnen rechnet. Die Steuerfinanzierung der Polizei „könnte und sollte“ durch eine Umlagefinanzierung ergänzend in Angriff genommen werden und dabei vor allem „besonders gewinnträchtige Veranstaltungen“ in den Blick nehmen (S. 326). Zur Durchsetzbarkeit seiner Vorschläge sagt Oschmann relativ wenig, auch empirische Daten, die etwa fiskalische Effekte zumindest skizzieren, fehlen vollständig. Eine kritische Würdigung der Handlungslogik von kommerziellen Dienstleistern – namentlich deren Profitorientierung – im Unterschied zu der der Polizei unterbleibt zugunsten der einfachen Feststellung, diese seien von „stetig steigender Bedeutung“ (S. VII). Eine detaillierte rechtliche Würdigung, aber kein rechtspolitisch-kritischer Beitrag zur Diskussion.

Jones, Trevor; Newburn, Tim (eds.): Plural Policing. A comparative perspective, Oxford (Routledge) 2006, 242 S., £ 24,50

In den vergangenen rund 30 Jahren haben weltweit die Polizeien neue Kollegen hinzugewonnen, die entweder als lokale Polizei- oder Ordnungsamtskräfte, vor allem aber als kommerzielle Sicherheitsdienste in Erscheinung treten und bei der Produktion von Sicherheit und Ordnung eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit hat diese Entwicklung vor allem in den angelsächsischen Ländern unter dem Oberbegriff „Pluralization“ gefunden – mithin in jenen Staaten (USA, Kanada und Großbritannien), die als am weitesten entwickelte kapitalistische Länder gelten. Pluralization meint dabei zunächst das exorbitante Wachstum des privaten Sicherheitsgewerbes neben der staatlichen Polizei; der Begriff verweist aber auch auf die Kommodifizierung der Sicherheitsproduktion insgesamt, die auf den Bedeutungsgewinn von Management-Logiken in Polizeiapparaten hinweist, auf einen Konsum-Begriff bei der Gewährung von Sicherheit verweist („Der Bürger als Kunde, der Beamte als Dienstleister“) und eine werbende Komponente enthält (Marketing, „Das Produkt Sicherheit“).

Dass diese Prozesse – ergänzt um Trends zu stärkerer Bürgerbeteiligung, die Verpolizeilichung weiterer staatlicher Verwaltungstätigkeiten und auch den Rückzug von besser situierten Teilen der Bevölkerung in gated communities (und quasi unter CCTV-Kameras) – sich weltweit finden, zeigen die Herausgeber in diesem Sammelband und verdeutlichen, dass es sich um „broad structural forces“ (S. 9) handelt, die hier am Werke sind, die aber zugleich in „local political cultures“ (S. 9) eingebunden bleiben und von ihnen überformt werden. Erstmals liegt hier ein Band vor, der sich der Pluralisierung von Sicherheits- und Ordnungsproduktion über das kommerzielle Sicherheitsgewerbe hinaus in komparativer Perspektive widmet.

Die Herausgeber konzentrieren sich auf Großbritannien, das mit seinen Neighbourhood Wardens und Police Security Officers sowie einer Vielzahl von privaten Sicherheitsdiensten eines der ausdifferenziertesten Systeme pluraler Polizeipraktiken aufweist. Beiträge über die Niederlande (van Stedten/Huberts), Frankreich (Ocqueteau) und Griechenland (Papanicolaou) beschließen den europäischen Block. Die Berichte über die USA (Manning), Kanada (Rigakos/Leung), Brasilien (Wood/Cardia), Australien (Prenzler/Sarre), Südafrika (Shearing/Berg) und Japan (Yoshida/Leishman) dokumentieren die globale Dimension des Pluralisierungsprozesses. Plausibilisiert wird diese Länderauswahl freilich nicht, und das Fehlen von wenn schon nicht Deutschland, so doch der skandinavischen Länder und Osteuropas irritiert, selbst wenn man, wie die Herausgeber, in Rechnung stellt, dass ein „general lack of foreign language skills“ (S. 2) ein Problem darstellt.

Die Herausgeber verzichten ebenso auf ein Nachwort wie auf eine Einordnung der dargelegten Entwicklungen in Prozesse der Globalisierung oder Neoliberalisierung. Vielmehr werfen sie vorsichtig Fragen nach der Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols auf, das in einigen Ländern (Brasilien, Südafrika) wohl ohnehin als eher schwach ausgeprägt gelten muss; sie stellen Beziehungen zwischen dem subjektiven (Un)Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung und dem Bestreben staatlicher Akteure her, die ihre Verwaltungen von der Produktion von Sicherheit – vor allem der öffentliche Raum ist hier von Bedeutung – durch die Beteiligung kommerzieller Sicherheitsdienste mal mehr (USA, Großbritannien) und mal weniger (Japan, Griechenland) „entlasten“ wollen. Das Beispiel Japan (S. 222-238) zeigt, dass die Beteiligung der Dienste ein Mehr an Arbeit für die staatlichen Polizeistellen gebracht hat. Deutlich wird an den Fallstudien auch, dass das kommerzielle Sicherheitsgewerbe bei der Markteroberung in einigen Ländern „erfolgreicher“ agiert (Kanada, USA), als dies in anderen (Frankreich) bisher der Fall ist.

Was die empirische Würdigung des Pluralisierungsprozesses mit Blick auf Bürgerbeteiligungsmodelle, die Integration von Beschäftigungsprojekten für Erwerbslose und lokale Sicherheits- und Ordnungskonzepte angeht, bietet der Band sehr gute (Niederlande, Großbritannien), aber auch schwache Überblicksbeiträge (Frankreich); nicht alle Autoren haben das Ziel des Sammelbandes, „[to] summarize the latest empirical material to illustrate and inform current debates about trends in policing“ (S. 3) wirklich einlösen können. Was die angekündigte komparative Perspektive anbetrifft, betonen die Autoren neben der Fremdsprachenproblematik die nur wenig vergleichbaren Datengrundlagen (S. 3). Sie haben aber andererseits keinen Versuch unternommen, das hier ausgebreitete Material mit diesen Einschränkungen – und bei aller Vorsicht – in einem abschließenden Kapitel vergleichend so zu würdigen, dass die von ihnen angesprochenen „commonalities“ zwischen den Ländern ebenso herausgearbeitet würden wie die „countervailing trends“ (S. 10). Diese Aufgabe, so scheint es, haben sie, wie die Suche nach „sites of political and social resistance“ (S. 10) bewusst und zunächst den lesenden Kollegen übertragen. Der Band ist dafür allemal ein guter Anfang – und eine lesenswerte Grundlage.

(beide: Volker Eick)

Bosold, Christiane: Polizeiliche Übergriffe. Aspekte der Identität als Erklärungsfaktoren polizeilicher Übergriffsintentionen, Baden-Baden (Nomos Verlagsgesellschaft) 2006, 211 S., EUR 32,–

Endlich auch für Deutschland einmal eine wissenschaftliche Studie zu polizeilichen Übergriffen. Das klingt gut für die Arbeit von Menschen- und Bürgerrechtsgruppen, vielleicht sogar für die Polizei selbst – zumindest für etliche der inzwischen neu herangewachsenen progressiveren PolizeiführerInnen. Doch was die Nachwuchswissenschaftlerin Christiane Bosold mit ihrer Dissertationsschrift vorgelegt hat, ist für deren Alltagsarbeit schlichter Murks. Im Rahmen eines Forschungsprojektes des „Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen“ mit Unterstützung des niedersächsischen Innenministeriums wurden dabei insgesamt 2.800 PolizistInnen zur Mitarbeit ausgewählt; von den 1.706 zurückgesandten Fragebögen waren immerhin 1.674 auswertungsfähig (S. 113 ff.). Ein Rücklauf von rund 61 % ist eine äußerst gute Quote, dies weiß jeder, der jemals Ähnliches versucht hat. (Ob’s am Ministerium lag?) Jedenfalls hätte daraus etwas werden können – selbst wenn die Mehrheit der Befragten die Frage nach der Beteiligung oder Beobachtung von
Übergriffen nicht beantwortet hat. Auch das sagt ja viel. Doch was macht die Autorin daraus! In ellenlangen, schwerverständlichen Kapiteln erläutert sie ihr Vorgehen sowie ihr „experimentelles Forschungsdesign“ (S. 99 ff.) und diskutiert mögliche Erklärungsmuster (S. 57-98).

Insgesamt erfährt man nichts Neues, außer dass sich polizeiliches Gewaltverhalten aus der Gruppenzugehörigkeit und dem individuellen Selbstwertgefühl entsprechend Faktor „r.33“ ergibt. Danke, das hilft wirklich weiter. Unterm Strich liest sich das Werk eher wie die Rechtfertigungsschrift eines vom Anwalt eines angeklagten Polizeibeamten beauftragten Gutachters. Nein!! Noch schlimmer: Es ist ein Übergriff auf alle, die sich ernsthaft mit Polizeigewalt auseinandersetzen (müssen). Allein das Buch zu lesen, bereitet körperlichen Schmerz.

(Otto Diederichs)

Aus dem Netz

www.datenschutz.de

Wer sich über den Datenschutz (in Deutschland) informieren will, sollte den Einstieg über dieses Portal wählen. Es wird von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie einiger in- und ausländischer Partner betrieben. Zugänglich über das Portal sind nicht nur die Beschlüsse der Konferenzen der Datenschutzbeauftragten (seit 1992), sondern auch Features zu aktuellen Themen (gegenwärtig z.B. „Flugdaten-Affäre“ und „RFID“ oder die Data mining Projekte der USA), (eher bescheidene) Literaturhinweise sowie über direkte Links die Homepages der Beteiligten und damit deren Stellungnahmen, Tätigkeitsberichte und sonstige Dokumente. Die Unterlagen sind über die Suchfunktionen des Portals unmittelbar recherchierbar. Wegen der Doppelfunktion als Informationsfreiheitsbeauftragte (im Bund und in einigen Ländern) gibt die Seite auch Auskunft über den Stand der Informationsfreiheit.

www.epic.org.privacy

Das Electronic Privacy Information Center (EPIC) bietet nicht nur umfassende Informationen über Datenschutzprobleme, die in den USA politisch diskutiert werden – vom Umgang mit KonsumentInnendaten über RFID-Tags bis hin zu den Überwachungsprogrammen im Bereich Antiterrorismus. EPIC ist auch eine der besten Quellen für Fragen des transatlantischen Datenverkehrs und deren Regelung durch die EU und die USA (Fluggastdaten etc.).

www.privacyalliance.com 

Wer sich darüber informieren will, was die Soft- und Hardwareindustrie über „privacy“ zu sagen hat, der oder die kann sich bei der „online privacy alliance“ informieren, in der sich von Microsoft über Nestlé bis hin zur Filmindustrie alle finden, die ein kommerzielles Datenschutzinteresse haben. Zu Fragen des Datenschutzes im Sicherheitsbereich äußert sich diese Allianz jedoch nur selten.

(Albrecht Funk, Norbert Pütter)