Chronologie

zusammengestellt von Hanna Noesselt

September 2006

01.09.: Konfrontationen im Berliner Wahlkampf: Zwölf Angehörige der linken Szene attackieren einen Wahlstand der Republikaner in Friedrichshain. Sechs der Angreifer werden vorläufig festgenommen. Nachdem es bei Veranstaltungen von SPD und CDU zu wiederholten Konfrontationen kommt, attackieren am 8. September in Marzahn zwei Anhänger der rechten Szene zwei SPD-Mitglieder beim Aufhängen von Plakaten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Körperverletzung gegen die beiden Neonazis.

Deutsch-niederländischer Polizei- und Justizvertrag in Kraft: Durch den Vertrag wird die Kooperation der Polizeien erweitert. Unter anderem dürfen PolizistInnen nun zur Gefahrenabwehr und TäterInnenverfolgung die gemeinsame Landesgrenze überschreiten.

09.09.: Einsatz von schwarzen Brillen beim Schanzenfest: Nach dem Hamburger Straßenfest kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese setzt Schlagstöcke und Wasserwerfer ein. Amtshelfende Bremer Beamte verwenden sogenannte „Sichtschutzbrillen“ zur leichteren Kontrolle der Festgenommenen. (Vgl. S. 74 ff. in diesem Heft.)

10.09.: Anschlag auf Futtermittelfirma gescheitert: Im brandenburgischen Eberswalde werden unter vier LKW einer Futtermittelfirma, die gentechnisch veränderten Mais aufkauft, Brandsätze gefunden, die nicht explodiert waren. Gentechnik-GegnerInnen bekennen sich zu dem Anschlagsversuch.

12.09.: Razzia an rechtsextremistischen Treffpunkten: Im Landkreis Löbau-Zittau (Sachsen) durchsucht die Polizei mit 82 BeamtInnen insgesamt 20 Örtlichkeiten der „Kameradschaft Oberlausitz“ und des „Jungsturm 41“ wegen Verdachts auf Volksverhetzung. Auch in Dresden, Bayern und Baden-Württemberg gibt es einzelne Durchsuchungen.

14.09.: Vermeintlicher Terrorist wieder frei: Auf Grund einer Verwechselung hebt der Bundesgerichtshof (BGH) den Haftbefehl gegen den angeblichen dritten Täter des Kofferbomben-Anschlages in NRW wieder auf.

19.09.: Rechtsbelehrung ist Pflicht: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen in Deutschland festgenommene AusländerInnen unverzüglich über ihr Recht, ihr Heimatkonsulat zu informieren, belehrt werden. Das Gericht hebt mit seiner Entscheidung zwei Beschlüsse des BGH auf. (Az.: 2 BvR 2115/01 u.a.)

25.09.: Mehr politisch motivierte Kriminalität in NRW: Laut Verfassungsschutz-Zwischenbericht 2006 stiegen die Delikte um 14,3 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mit 72,3 % hatten rechtsextremistisch motivierte Straftaten den größten Anteil, 16,5 % der Delikte wurden dem Linksextremismus zugerechnet, 2,1 % dem Ausländerextremismus.

26.09.: Festnahme rechtswidrig: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten er­klärt die Festnahme eines 36-Jährigen im Rahmen einer Razzia für rechtswidrig. Im Vorfeld eines Fußballspiels hatte die Polizei eine Berliner Diskothek in der Nacht zum 21. Mai 2005 gestürmt. Bei dem Einsatz waren 158 Menschen festgenommen worden, von denen zwölf der Polizei als Gewalttäter bekannt waren. 20 Menschen wurden verletzt. (Az.: 381 AR 29/06)

4,9 Tonnen Haschisch sichergestellt: Es wird bekannt, dass gemeinsame Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) und der belgischen Polizei zur Sicherstellung von 2.500 kg Cannabis im Mai und weiteren 2.400 kg im September führten.

27.09.: Akustische Wohnraumüberwachung 2005: Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) teilt mit, dass im letzten Jahr in sechs Ermittlungsverfahren Wohnungen abgehört wurden. (Vgl. S. 80 in diesem Heft.)

Telekommunikationsüberwachung 2005: Das BMJ teilt mit, dass es im Jahre 2005 4.925 Ermittlungsverfahren mit Überwachungsmaßnahmen gab. Die Zahl der von den Überwachungen Betroffenen wird mit 12.606 angegeben. (Vgl. S. 81 in diesem Heft.)

29.09.: Geldstrafe für Antifa-Symbole: Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen Versandhändler zu 3.600 Euro Geldstrafe wegen Verwendens und Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung kündigen Revision vor dem BGH an.

Oktober 2006

01.10.: Neue Datei über SexualstraftäterInnen: Bayern führt die Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter (HEADS) ein. (Vgl. S. 83 in diesem Heft.)

03.10.: Konfrontationen bei Neonazi-Aufmarsch in Leipzig: Im Rahmen von Gegendemonstrationen von etwa 2.000 Mitgliedern der linken Szene werden Barrikaden errichtet und Flaschen geworfen. Zehn Menschen werden verletzt, darunter vier Polizisten. Nach Angaben der Polizei werden 59 Personen in Gewahrsam genommen.

05.10.: Demonstration gegen Studiengebühren: Nach der Einführung von Studiengebühren in Hessen kommt es in Wiesbaden zu Protesten. Zwei Menschen werden in Gewahrsam genommen. Die Polizei hindert Demonstrierende mit dem Einsatz von Schlagstöcken daran, die Absperrung der Bannmeile zu übersteigen.

06.10.: Neues Abkommen zu Fluggastdaten: Die EU und die Vereinigten Staaten einigen sich auf ein Abkommen, das bis Juni 2007 gültig ist. Die 34 Datensets dürfen künftig nicht mehr nur an den US-Zoll, sondern auch an andere Sicherheitsbehörden übermittelt werden.

10.10.: Mutmaßlicher Al-Qaida-Unterstützer festgenommen: Auf Ver­anlassung der Bundesanwaltschaft wird ein 36-jähriger Iraker in der Nähe von Osnabrück festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Videobotschaften von Osama bin Laden, Ayman Al Zawahiri und Abu Musab Al Zarqawi im Internet verbreitet zu haben.

Wohnungsdurchsuchungen erneut verfassungswidrig: Das BVerfG veröffentlicht drei Beschlüsse, in denen Wohnungsdurchsuchungen, die ohne richterlichen Beschluss erfolgten oder unverhältnismäßig waren, für verfassungswidrig erklärt wurden. (Az.: 2 BvR 876/06; 2 BvR 1219/05; 2 BvR 1141/05)

Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert: Die Anwälte der Schwester eines im April in Dortmund von einem Polizisten getöteten Kongolesen erheben Vorwürfe wegen der Einstellung des Verfahrens. Es sei nicht ausreichend geprüft worden, ob der Polizist sich nicht auch mit Pfefferspray hätte verteidigen oder einen Warnschuss hätte abgeben können. Daraufhin prüft die Staatsanwaltschaft den Fall erneut.

BKA startet Biometrieprojekt: Mit Hilfe von 200 freiwilligen PendlerInnen werden von Oktober 2006 bis Januar 2007 am Mainzer Hauptbahnhof drei biometrische Gesichtserkennungssysteme getestet. Ziel der sogenannten „Fotofahndung“ ist es, bereits bekannte Gesichter in einer sich bewegenden Menschenmenge durch einen Computerabgleich herausfiltern zu können.

11.10.: PKK-Führer verurteilt: Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verurteilt einen Kurden wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu drei Jahren Haft. (Az.: 2 StE 3/06)

13.10.: Überwachung mit IMSI-Catchern nicht verfassungswidrig: Das BVerfG gibt bekannt, dass es am 22. August den Gebrauch von IMSI-Catchern zu Strafverfolgungszwecken für verfassungsgemäß erklärt hat. Weder das Fernmeldegeheimnis noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seien unzulässig eingeschränkt. (Az.: 2 BvR 1345/03)

Angriff von Rechtsradikalen erfunden: Wegen Vortäuschung eines fremdenfeindlichen Übergriffs im Mai in Berlin wird ein 30-jähriger Italiener vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 1.000 Sozialstunden verurteilt. (Az.: 251 A DS 75/06)

15.10.: Polizist schießt Mann nach Messerattacke an: Nach Polizeiangaben habe in Lennestadt (Nordrhein-Westfalen) ein Mann im Hinterhof eines Hauses ein Feuer entzündet und zwei Beamte bei ihrer Ankunft mit dem Messer angegriffen. Die daraufhin abgegebenen Schüsse der Polizisten verletzen den 37-Jährigen schwer.

19.10.: Untersuchungsausschuss zum Fall Kurnaz: Um die Misshandlungsvorwürfe gegen KSK-Soldaten zu klären, die der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz erhoben hat, wird der Verteidigungsausschuss des Bundestages mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestattet.

20.10.: Big Brother Awards verliehen: Geehrt wird unter anderem die Innenministerkonferenz (IMK) für die Einrichtung der Anti-Terror-Datei, die Kultusministerkonferenz für das Vorhaben, Bildungsdaten von SchülerInnen zu erheben, und der Landtag von Mecklenburg-Vorpom­mern für die gesetzliche Erlaubnis, öffentliche Gebäude und Plätze akustisch zu überwachen.

23.10.: Geldbuße nach Demonstration: Nach einem Pressebericht muss ein 22-jähriger Student nach einer Demonstration in Frankfurt/Main im Mai wegen Landfriedensbruchs eine Geldbuße von 500 Euro bezahlen. Wegen mangelnder Beweise wird das Strafverfahren gegen ihn eingestellt.

25.10.: Geiselnahme durch Schuss beendet: Ein vermutlich psychisch kranker Mann bedroht eine 69-jährige Frau über Nacht mit einem Messer. Die Polizei überwältigt den 35-Jährigen mit einem Schuss in die Schulter. Die Geisel bleibt unverletzt.

26.10.: Mann stirbt in Polizeizelle: Am späten Nachmittag wird die Leiche des 41-Jährigen gefunden, der am Abend zuvor aufgefallen war, da er offenbar betrunken und nur bedingt ansprechbar auf einem Gehweg saß. Die Todesursache bleibt unklar.

Verbindungsdaten müssen gelöscht werden: Nach der Zurückweisung der Beschwerde der Telekom durch den BGH ist ein Urteil des Landgerichts Darmstadt rechtskräftig. Danach muss der Internetprovider Verbindungsdaten bei einer Flatrate nach Beendigung der Verbindung löschen. Ein Internetbenutzer hatte die Deutsche Telekom verklagt, die Verbindungsdaten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben hatte. (Az.: III ZR 40/06)

27.10.: Ausschreitungen bei Fußballspiel: Im Rahmen des Regionalligaspiels Hertha BSC II gegen Dynamo Dresden prügeln sich Anhänger von Dresden mit der Berliner Polizei. 23 Beamte werden nach Polizeiangaben erheblich verletzt, 22 Personen festgenommen. Wasserwerfer kommen zum Einsatz.

Auslieferungsersuchen der Türkei unzulässig: Wegen Teilnahme an einer Demonstration im Ausland darf ein in Mannheim lebender Türke nicht ausgeliefert werden, selbst wenn die Kundgebung gewaltsam verlief. Nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe sind auf Grund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens aus dem Jahr 1957 Auslie­fe­rungen wegen einer politischen Tat nicht zulässig. (Az.: 1 AK 40/05)

28.10.: Anti-Nazi-Demo in Göttingen: Als Reaktion auf einen Aufmarsch von 200 AnhängerInnen der NPD und „Freier Kameradschaften“ demonstrieren in Göttingen 4.000 Menschen. Etwa 6.000 PolizistInnen sind im Einsatz.

31.10.: Polizei stürmt Kirchenasyl: Unter Androhung von Gewalt entfernt die Polizei eine fünfköpfige kurdische Familie aus einer Kirche in Koblenz, um sie in die Türkei abzuschieben. Es ist der erste Fall einer Missachtung des Kirchenasyls in Rheinland-Pfalz.

November 2006

04.11.: Polizeiaktion gegen Rocker: Im Rahmen einer Aktion gegen den Rockerclub „Bandidos MC“ nimmt die Polizei in Cottbus 130 Personen vorläufig fest und stellt 170 Hieb- und Stichwaffen sicher.

09.11.: Räuber bei Überfall erschossen: Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter in Berlin-Friedrichshain schießen zwei Täter auf zwei Wachleute. Als diese zurückschießen, wird einer der Räuber getroffen und stirbt am Tatort, der andere kann fliehen und wird zwei Tage später festgenommen. Es stellt sich heraus, dass der Getötete mit einer Schreckschusspistole geschossen hatte.

10.11.: Keine Teleskopschlagstöcke in Berlin: Nach Auskunft der Polizeipressestelle hat es in Berlin keine Testphase der neuen Stöcke gegeben. Hintergrund der Presseberichte sei eine Privatinitiative eines Beamten des Landeskriminalamtes gewesen; die Tauglichkeit der Waffen sei jedoch verneint worden.

11.11.: Kein Prozess nach Feuertod: Das Landgericht Dessau lehnt es ab, wegen des nach wie vor ungeklärten Todes eines Asylsuchenden einen Prozess zu führen. Der 21-jährige Mann aus Sierra Leone war im Januar 2005 im gefesselten Zustand in seiner Zelle verbrannt.

12.11.: Häftling in Zelle getötet: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg wird ein 20-jähriger Mann getötet. Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen drei Mithäftlinge wegen Mordes, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. In den folgenden Wochen kommt es zu 17 weiteren angezeigten Übergriffen unter Gefangenen in NRW.

Castor-Transport: Vor und während des Atom-Müll-Transportes kommt es zu Konfrontationen zwischen Polizei und DemonstrantInnen. Der Zug erreicht am 13. November das Zwischenlager.

15.11.: Haftbefehle gegen mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder: Wegen Verdachts auf Mitgliedschaft im terroristischen Flügel der türkisch-linksextremistischen Vereinigung nimmt die Bundesanwaltschaft in der Nähe von Uelzen in Niedersachsen einen 50-jährigen Türken fest. Wegen des selben Vorwurfs werden am 28.11. ein 38-jähriger und ein 48-jähriger Türke festgenommen.

Gewalt zwischen Jugendlichen und der Polizei: Im Berliner Wrangel-Kiez kommt es bei der Festnahme von zwei Zwölfjährigen zu Gewaltanwendungen. Nach Angaben der Polizei seien bis zu hundert Jugendliche über vier Beamte hergefallen, als diese die festgenommenen Kinder in Handschellen an die Wand stellten.

Tod in Zelle: Ein 38-jähriger Obdachloser stirbt in einer Einzelzelle der Rüsselsheimer Polizei. Der Mann war wegen eines Streits mit zwei anderen Obdachlosen festgenommen worden.

16.11.: El Motassadeq doch wegen Beihilfe zu Mord verurteilt: In einem Revisionsverfahren erklärt der BGH den Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord an den 246 PassagierInnen und Besatzungsmitgliedern der zum Absturz gebrachten Flugzeuge vom 11.9.2001 für schuldig. Zur Festsetzung einer neuen Strafe wird die Sache an das OLG Hamburg zurück verwiesen. (Az.: 3 StR 139/06)

Stufenmodell für geduldete AusländerInnen: Auf Beschluss der IMK erhalten Familien mit minderjährigen Kindern, die mindestens sechs Jahre und Alleinstehende, die mindestens acht Jahre in Deutschland leben und zudem gut integriert sind und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung.

17.11.: Tod im Polizeigewahrsam: In Immenstadt im Allgäu wird ein 42-Jähriger wegen Widerstandes bei seiner Festnahme gefesselt und auf die Straße gelegt. Der offenbar geistig verwirrte Mann stirbt an Herz-Kreislauf-Stillstand. Gegen den Einsatzleiter wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

20.11.: Urteil im Potsdamer Antifa-Prozess: Zwei wegen eines Angriffs auf einen Neonazi angeklagte Mitglieder der linken Szene werden vom Potsdamer Landgericht zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, zwei erhalten eine Verwarnung. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung gehen in Berufung.

Terrorverdacht: Die Generalbundesanwaltschaft nimmt sechs Personen vorläufig fest. Sie werden verdächtigt, mit Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag auf ein Verkehrsflugzeug begonnen zu haben. In diesem Zusammenhang waren am 17.11. insgesamt neun Wohnungen in Rheinland-Pfalz und Hessen durchsucht worden. Am 23.11. berichtet die Süddeutsche Zeitung aus „Sicherheitskreisen, dass die Ter­ror-Gefahr offenbar aufgebauscht wurde. Gegen die sechs arabisch­stäm­migen Männer habe es nie ernsthafte Verdachtsmomente gegeben.

Amoklauf in nordrhein-westfälischer Schule: Ein 18-Jähriger stürmt in seine ehemalige Realschule in Emsdetten und verletzt fünf Menschen durch Schüsse, bevor er sich selbst tötet.

21.11.: Freispruch eines Polizisten aufgehoben: Dem Angeklagten wird vorgeworfen, eine zur Ausnüchterung in eine Haftzelle der Nürnberger Polizei verbrachte Frau sexuell missbraucht zu haben. Wegen Fehlern in der Beweisführung und der Nicht-Erwähnung eines früheren Missbrauchsfalls im Urteil wird die Sache durch den BGH an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen. (Az.: 1 StR 392/06)

24.11.: Milli Görüs siegt vor Gericht: Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg müssen bestimmte Passagen über die als extremistisch eingestufte islamische Gemeinschaft im Verfas­sungs­schutzbericht 2001 unkenntlich gemacht werden. (Az.: 1 S 2321/05)

28.11.: Ferndurchsuchung von PC nicht erlaubt: Nach dem Beschluss eines BGH-Ermittungsrichters stellen weder die Vorschriften zur Wohnungsdurchsuchung noch die zum großen Lauschangriff eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar, auf die auf einer Festplatte gespeicherte Daten online zuzugreifen. (Az.: 1 BGs 184/2006; 1 BGs 186/2006)

Waffenarsenal bei rechtsextremistischer Organisation sichergestellt: Das LKA Bayern macht bei einer Großrazzia im Raum Rosenheim ein umfangreiches Waffenarsenal ausfindig und nimmt dreizehn Personen vorläufig fest. Bei dem Einsatz, an dem 370 PolizistInnen teilnehmen, werden 100 Kurz- und Langwaffen gefunden.

Bundesweite Razzia gegen mutmaßliche türkische Extremisten: 350 PolizeibeamtInnen aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern durchsuchen 59 Objekte wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Einige Verdächtige werden vorübergehend festgenommen.

29.11.: Grenzen für Untersuchungshaft gesetzt: Das Bundesverfassungsgericht bekräftigt den Anspruch eines Mannes, nach vierjähriger Auflagenerfüllung die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten und setzt die Untersuchungshaft aus. (Az.: 2 BvR 2342/06)

30.11.: Bundestag schränkt Stasi-Überprüfungen ein: Die Novelle, die am 15. Dezember den Bundesrat passiert, schafft die Regelüberprüfung im öffentlichen Dienst ab. Das Stasi-Unterlagengesetz aus dem Jahr 1991 wäre Ende 2006 ausgelaufen.

Bundestag beschließt Justizmodernisierungsgesetz: Das neue Gesetz soll unter anderem Opfern von Straftaten mehr Rechte einräumen und den Opferschutz bei Prozessen gegen jugendliche Straftäter verbessern. Bei besonders schweren Straftaten können nun auch im Jugendstrafrecht Nebenkläger auftreten. Der Bundesrat stimmt dem Gesetz am 15. Dezember zu.

Bundesweite Razzia gegen Kinderpornographie: Unter der Leitung des bayerischen LKA werden bei zwölf Personen in elf Bundesländern Durchsuchungen durchgeführt, nachdem auf dem Handy eines 36-jährigen Ingolstädters 120 Bilder mit kinderpornographischem Inhalt gefunden worden waren.

Dezember 2006

01.12.: Bundestag beschließt Anti-Terror-Datei: Die von Polizei und Geheimdiensten gemeinschaftlich genutzte Datei soll bis März 2007 realisiert werden. Der Bundesrat stimmt dem Gesetz am 15.12. zu. (Vgl. S. 52 ff. in diesem Heft.)

Polizei erschießt Mann: Ein 36-jähriger Libanese randaliert im Kloster Oberzell nahe Würzburg und greift mehrere Personen an. Nach dem Einsatz von Pfefferspray gibt ein Beamter zunächst einen Warn- und dann einen zweiten Schuss ab. Der Mann erliegt seinen Verletzungen.

05.12.: Wohnungsverweis rechtmäßig: Das Verwaltungsgericht Koblenz teilt mit, dass die Polizei bei einer Demonstration potenzielle StörerInnen auch der eigenen Wohnung verweisen darf, wenn dies zum Schutz von Leib und Leben der Demonstrierenden notwendig ist. (Az.: 5 K 991/06 KO)

06.12.: Amok-Drohung in Baden-Württemberg: Ein per Internet angedrohter Amoklauf löst eine Großfahndung im Raum Offenburg aus. Die Polizei durchsucht unter anderem mehrere Schulen.

09.12.: BND bezahlt 20 Auslandskorrespondenten: Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Focus wurden während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder etwa 20 JournalistInnen deutscher Medien als geheime InformantInnen eingesetzt und bezahlt. Dies sind 13 Personen mehr, als in dem im Mai veröffentlichten Sonderbericht angegeben wurden.

12.12.: Großfahndung in Stuttgart: Mit mehr als 1.000 FahnderInnen durchsucht die Polizei 34 Unternehmen, neun Baustellen und 36 Privatwohnungen. In Deutschland und Italien werden elf Personen festgenommen, die unter anderem verdächtigt werden, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im Baugewerbe Gelder veruntreut zu haben.

Haftbefehl nach Angriff auf Rechte: Wegen versuchten Totschlages wird ein 21-jähriger Berliner Antifaschist festgenommen, nachdem er von zwei Neonazis beschuldigt wurde, sie Ende November tätlich angegriffen zu haben.

15.12.: Razzia gegen Skinheads: In Baden-Württemberg werden 44 Objekte durchsucht sowie 277 Personen und 159 Fahrzeuge kontrolliert. Nach eigenen Angaben wollte die Polizei mit der Aktion der rechtsextremen Szene ihre Grenzen aufzeigen und die Verfestigung von Strukturen verhindern.

18.12.: Idomeneo in Berlin störungsfrei aufgeführt: Nach einer zwischenzeitlichen Absetzung der Mozartoper wegen befürchteter islamistisch motivierter Anschläge – der abgeschlagene Kopf des Propheten Mohammed wird in der Schlussszene gezeigt –, werden bei der Aufführung intensive Personen- und Taschenkontrollen durchgeführt. Etwa 150 PolizistInnen kommen zum Einsatz.

22.12.: Verfahren gegen Kameradschaft eingestellt: Wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt mitteilt, reichen die bei Wohnungsdurchsuchungen im Oktober gefundenen Unterlagen nicht aus, um die rechtsextremen „Freien Nationalisten Rhein-Main“ als kriminelle Vereinigung einzustufen.

Suizide nicht mehr melden: Die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) kündigt an, Selbsttötungen in Berliner Haftanstalten zukünftig nicht mehr zu melden, um die Persönlichkeitsrechte der Gefangenen und ihrer Familien zu wahren. Mit zehn Suiziden von Häftlingen liegt die Zahl für das Jahr 2006 so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Am 27.12. kommt es zu einem Anschlag auf den Amtsitz der Senatorin, der laut Bekennerschreiben im Zusammenhang mit ihrer Ankündigung steht.

28.12.: Ermittlungen gegen Linksextremisten: Nach zwei Anschlägen in Dessau und Wolfen in Sachsen-Anhalt ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen zwei noch unbekannte Tatverdächtige wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.