Ausweitung der EU-Terrorismusdefinition

Am 6. November 2007 hat die EU-Kommission ein Paket zur „Verstärkung der Terrorismusbekämpfung“ vorgelegt. Seine zentralen Bestandteile sind Vorschläge für ein „System für den Austausch von Fluggastdatensätzen“ (siehe unten) sowie eine Ergänzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung vom 13. Juni 2002, das die Mitgliedstaaten verpflichten würde, Straftatbestände der „öffentlichen Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat“, der „Anwerbung“ und der „Ausbildung zu terroristischen Zwecken“ in ihr nationales Recht einzufügen.[1]

Diese neuerliche Vorverlagerung der Strafbarkeit ist bereits im Europaratsabkommen „zur Verhütung des Terrorismus“ vom 16. Mai 2005 enthalten, bei dessen Aushandlung die EU maßgeblich beteiligt war.[2] Alle Mitgliedstaaten außer Tschechien haben diesen Vertrag mittlerweile unterzeichnet, jedoch nur drei – nämlich Bulgarien, Dänemark und Rumänien – haben ihn bisher ratifiziert. Drei weitere (Britannien, Frankreich und Spanien) hatten bereits zuvor Strafnormen der „Aufforderung zu terroristischen Straftaten“ eingeführt. Das „langwierige Ratifikationsverfahren“ will die Kommission nun durch einen weiteren Rahmenbeschluss umgehen, bei dem das Europäische Parlament nur konsultiert und die nationalen Parlamente überhaupt nicht mehr gefragt würden.

Sowohl das Abkommen als auch der jetzige Vorschlag der Kommission halten fest, dass es bei den neuen Vorfelddelikten „nicht erforderlich“ sein soll, „dass tatsächlich eine terroristische Straftat begangen wird“. Schon die bisherige Terrorismusdefinition der EU bewegt sich im Vorfeld konkreter Handlungen und stellt bereits den organisatorischen Rahmen einer „terroristischen Vereinigung“ unter Strafe. Der neue Straftatbestand der „öffentlichen Aufforderung“ geht weit darüber hinaus und gleicht der 1981 abgeschafften Bestimmung der „verfassungsfeindlichen Befürwortung von Straftaten“ (§ 88a des deutschen Strafgesetzbuchs, StGB): Er wird definiert als „das öffentliche Verbreiten oder sonstige öffentliche Zugänglichmachen einer Botschaft mit dem Vorsatz“, zu einer terroristischen Straftat nach dem bestehenden Rahmenbeschluss „anzustiften, wenn dieses Verhalten … die Gefahr begründet, dass eine oder mehrere solche Straftaten begangen werden könnten.“ Für die Strafbarkeit soll dabei irrelevant sein, ob „terroristische Straftaten unmittelbar befürwortet werden.“ Im Begleittext erklärt die Kommission ferner, dass die neuen Bestimmungen „auch auf Verhaltensweisen anwendbar (seien), die zu terroristischen Straftaten in Drittländern beitragen können.“

Sie begründet ihren Vorschlag insbesondere mit den Gefahren des Internet, das auch von Terroristen für Propaganda und als „virtuelles Trainingscamp“ genutzt werde. Ähnlich wie bei den bestehenden Paragrafen 129a und b StGB dürften auch die neuen Bestimmungen nicht zu vielen Verurteilungen führen. Allerdings erhalten die Strafverfolgungsbehörden die Ermächtigung, all jene aufs Korn zu nehmen, die – außerhalb etablierter Medien – irgendwelche Botschaften Osama bin Ladens oder Bekennerschreiben einer „militanten Gruppe“ dokumentieren.

(Heiner Busch)

[1]      Paket insgesamt: KOM(2007) 649 endg.; zur Ergänzung des Rahmenbeschlusses KOM(2007) 650 endg., beide v. 6.11.2007
[2]     Bunyan, T.: Terrorismus ohne Terroristen, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 82 (3/2005), S. 46-52