Schweiz: Nur knappes Ja zu biometrischen Ausweisen

Selten gehen Volksabstimmungen in der Schweiz so knapp aus wie diese: 5.504 von insgesamt über 1,9 Mio. gültigen Stimmen gaben am 17. Mai 2009 den Ausschlag für die Annahme des Bundesbeschlusses „über biometrische Pässe und Reisedokumente“.[1] Eine äußerst heterogene Koalition von Organisationen hatte gegen diese vom Parlament im Juni 2008 verabschiedete Revision des Ausweisgesetzes das Referendum ergriffen und Anfang Oktober rund 64.000 Unterschriften eingereicht. Schon der Umstand, dass das notwendige Quorum von 50.000 bei weitem überschritten wurde, hatte für Aufsehen gesorgt – dies umso mehr, als sich das Referendum gegen ein Gesetz richtete, das nach regierungsamtlicher Lesart lediglich eine „Weiterentwicklung des Schengener Besitzstandes“ darstellte und die Schengen-Assoziation der Schweiz im Juni 2005 ebenfalls in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit angenommen worden war. Der beschworene Schengen-Auto­matismus hat in diesem Falle offensichtlich nicht so funktioniert, wie sich das der Bundesrat, die Landesregierung, gedacht hatte. Im Laufe der Debatte gab nicht nur die rechtsbürgerlich-anti-europäische SVP eine Nein-Parole aus, sondern auch die Sozialdemokratische Partei und die Grünen, die sich 2005 vehement für die Schengen-Assoziation eingesetzt hatten.

Tatsächlich geht der Bundesbeschluss weit über die Vorgaben der EU-Passverordnung[2] hinaus: Diese verlangt von den Schengen-Staaten zwar die flächendeckende Einführung biometrischer Pässe mit zwei Fingerabdrücken und einem digitalisierten Portrait. Gemäß dem neuen Ausweisgesetz sollen die biometrischen Daten aber nicht nur auf dem Chip im Pass, sondern auch in einer zentralen Datenbank des Bundesamtes für Polizei gespeichert werden. Darüber hinaus gibt das Gesetz dem Bundesrat, die Kompetenz, auf dem Verordnungswege – d.h. ohne Beteiligung des Parlaments und ohne die Möglichkeit eines Referendums – auch biometrische Identitätskarten (Personalausweise) verbindlich einzuführen.

Der knappe Ausgang des Referendums zeigt, dass die Segnungen der Biometrie keineswegs so populär sind, wie das Industrie und Regierungen glauben machen wollen. Inzwischen liegen dem Parlament mehrere Anträge zur Nachbesserung des Gesetzes vor. Ob es auf diese Weise doch noch gelingt, die zentrale Speicherung von Fingerabdrücken und die biometrischen Identitätskarten zu verhindern, bleibt abzuwarten.

(Heiner Busch)

[1]      siehe die Dokumente und Materialien auf www.freiheitskampagne.ch und www.grund
rechte.ch
[2]     Verordnung (EG) Nr. 2252/2004, in: Amtsblatt der EU L 385 v. 29.12.2004