Chronologie

zusammengestellt von Otto Diederichs

September 2011

01.09.: Terrorverdächtiger festgenommen: In der Türkei wird ein Mann festgenommen, nach dem die deutschen Behörden seit 2008 fahnden. Er soll zum Umfeld der so genannten Sauerland-Gruppe gehören.

03.09: Neonazi-Aufmarsch: In Dortmund findet ein Aufmarsch von ca. 700 Neonazis statt. Wegen der angekündigten Gegendemonstrationen spricht Polizeipräsident Hans Schulze vom „Ausnahmezustand“ und erklärt die Hälfte der Nordstadt zum Sperrgebiet. Ein lokales Digitalradio erhält Sendeverbot, weil es den Polizeifunk stört. Rund 10.000 Leute protestieren friedlich gegen den Aufmarsch. An anderer Stelle kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen 1.500 Personen und der Polizei, die mit 4.000 BeamtInnen im Einsatz ist. Mehrere Hundert Personen werden eingekesselt, 258 Linke und 13 Rechte festgenommen.

Misshandlungen: Beamte der Polizeiinspektion Rosenheim (Bayern), u.a. deren Leiter, sollen einen 15-Jährigen schwer misshandelt haben. Mit den Ermittlungen wird die Münchner Kripo betraut. Gegen Beamte der Wache gab es bereits in einem anderen Fall schwere Vorwürfe.

05.09.: BND und Libyen: Nachdem die Kooperation bri­tischer und US-Geheimdienste mit dem Gaddafi-Regime bekannt wurde, erklärt der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Hans-Georg Wieck, auch sein Dienst habe stets Kontakte zu autoritären Regimes unterhalten. Dies sei eine „Normalität“ bei der Informationsgewinnung.

Lageabhängiger Erstickungstod: Bei einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt stirbt in Osnabrück ein Mann aufgrund von Sauerstoffmangel. Er hatte die Beamten zuvor angegriffen und war dann eng fixiert worden. Die Obduktion ergibt zudem „Einwirkungen auf den Hals“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

06.09.: Schreiber-Verfahren: Der Bundesgerichtshof (BGH) verweist das Verfahren gegen Karlheinz Schreiber ans Landgericht (LG) Augsburg zurück, das den Waffenlobbyisten 2010 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt hatte. Im neuen Prozess droht Schreiber auch eine Verurteilung wegen Bestechung von Holger Pfahls, der 1987-92 Staatssekretär im Verteidigungsministerium und zuvor Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) war. Letzteren verurteilt das LG Augsburg am 09.11. wegen Vorteilsnahme, Steuerhinterziehung und betrügerischen Bankrotts zu viereinhalb Jahren Haft.

07.09.: Polizeilicher Todesschuss: Als Polizisten in Mannheim einen geistig verwirrten Mann zur amtsärztlichen Untersuchung abholen wollen, wirft dieser Brandsätze auf die Beamten und verletzt einen schwer. Sein Kollege schießt auf den Mann und trifft ihn tödlich in die Brust.

08.09.: Terrorverdächtige festgenommen: In Berlin werden zwei junge Männer wegen Verdachts der Vorbereitung eines Anschlags festgenommen und in U-Haft versetzt. Sie hatten größere Mengen Chemikalien gekauft, die zur Sprengstoffherstellung genutzt werden können. Händler hatten die Polizei informiert, die die Beiden zwei Monate observierte. Gegen den einen ermittelte das Bundeskriminalamt (BKA) schon seit längerem wegen des Verdachtes der Unterstützung der „Deutschen Taliban-Mudschahidin“. Am 26.10. hebt das Berliner Kammergericht den Haftbefehl „mangels dringendem Tatverdacht“ wieder auf.

11.09.: Neonazi-Demo in Berlin: Um „rechtswidrige Verhinderungsaktionen“ zu vermeiden, hält die Polizei die Demonstrationsanmeldung des Berliner NPD-Landesverbandes geheim und erteilt sogar Falschauskünfte. Dennoch protestieren etwa 500 Personen am Veranstaltungsort friedlich gegen die rund 100 Neonazis. Zu Festnahmen kommt es nicht.

12.09.: Verena Becker-Prozess: Im Prozess gegen die frühere RAF-Angehö­rige widerspricht der Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Manfred Murck, dem Verdacht, Becker habe bereits 1977, zum Zeitpunkt der Ermordung des damaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Kontakte zum Geheimdienst gehabt. Am 15.09. macht Ex-RAF-Mitglied Christian Klar von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Mitte Dezember geht beim Gericht in Stuttgart ein Briefumschlag mit einer Pistolenpatrone ein.

14.09.: Mutmaßliche RZ-Mitglieder ausgeliefert: Frankreich liefert Sonja Suder (78) und Christian Gauger (70) an die BRD aus. Sie werden beschuldigt, 1977/1978 als Mitglieder der Revolutionären Zellen zwei Sprengstoffanschläge und eine schwere Brandstiftung begangen zu haben. Suder wird zudem die Vorbereitung des Überfalls auf die Wiener Opec-Konferenz 1975 vorgeworfen.

17.09.: Polizeilicher Todesschuss: In Mönchengladbach wollen Polizisten einen Mann festnehmen, den sie beim Aufbrechen eines PKW antreffen. Der Mann flieht und schießt dabei auf die Beamten. Die erwidern das Feuer und treffen den Mann tödlich.

20.09.: Rocker: Mit einem Großaufgebot stürmt die Berliner Polizei das Clubhaus der „Hells Angels“. Zu Festnahmen kommt es nicht. Am 30.09. verbietet der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) zwei Frankfurter Chapter der Hells Angels. Am 07.10. schiesst in Berlin ein Unbekannter auf die Schaufensterscheiben eines Tattoostudios, das den „Bandidos“ zugerechnet wird. Am 27.10. wird erneut auf ein Vereinslokal der „Bandidos“ geschossen. Am 03.11. durchsucht die Polizei ein Clubhaus der Gruppe und stellt mehrere Waffen sicher. Gleichentags hebt der BGH das Urteil gegen einen „Hells Angel“ auf, der im März 2010 einen Polizeibeamten durch die geschlossene Wohnungstür erschossen hatte (Az.: 2 StR 375/11). Der Rocker habe sich durch Mitglieder einer rivalisierenden Gang bedroht gefühlt und daher in „Putativnotwehr“ gehandelt.

Teure BPol: Laut einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs könnten bei der Bundespolizei (BPol) wegen des Wegfalls von Grenzkontrollen und der Erhöhung der Wochenarbeitszeit 6.000 Stellen eingespart werden. BPol-Präsi­dent Matthias Seeger legt dem Bundestagshaushaltsausschuss kurz darauf einen Bericht vor, wonach der BPol im Etat 2012 rund 160 Mio. Euro fehlen sollen.

21.09.: Neonazi-Verein verboten: Mit sofortiger Wirkung verbietet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG). Sie ist mit rund 600 Mitgliedern der bundesweit größte Neo-Nazi-Verein.

22.09.: Papstbesuch: Über 10.000 PolizistInnen sind beim Deutschland-Besuch des Papstes im Einsatz, davon allein 6.000 in Berlin.

24.09.: Sitzblockade eingekesselt. In Neuruppin (Brandenburg) kesselt die Polizei rund 300 Personen, die mit einer Sitzblockade einen Aufmarsch von Rechtextremen verhindern wollen, für mehrere Stunden ein. Am 28.09. verteidigt Innenminister Dietmar Woidke (SPD) im Landtag das Vorgehen der Polizei als „nach Sach- und Rechtslage“ gerechtfertigt. Am 20.10. räumt er „Mängel“ bei Kommunikation, Logistik und der langen Dauer der Identitätsfeststellungen ein.

28.09.: 129b-Prozess: Im Verfahren gegen die Globale Islamische Medienfront (GIMF), die zwischen 2006 und 2008 Propagandamaterial der Al Qaida u.a. ins Internet gestellt hat, verurteilt das Oberlandesgericht (OLG) München einen heute 29-Jährigen zu anderthalb Jahren auf Bewährung sowie einen 19- und einen 20-Jährigen zu Jugendstrafen auf Bewährung und gemeinnütziger Arbeit. 200 Arbeitsstunden muss ein 24-Jähriger ableisten, der am 11.10. schuldig gesprochen wird. Im letzten Urteil gegen die „zweite Generation“ der GIMF wird am 06.12 ein 31-Jähriger zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren war geprägt durch die Beeinflussung von Geheimdiensten (siehe Chronologie des letzten Heftes, Meldung v. 19.07).

Fernsehstudio besetzt: In Köln besetzen rund 30 Sympathisanten der kurdischen Arbeiterpartei PKK ein Studio von  RTL und verlangen die Ausstrahlung eines Beitrages über den inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan. Nach etwa fünf Stunden beendet die Polizei die Besetzung.

30.09.: Stasi-Überprüfungen: Mit den Stimmen von Union und FDP verabschiedet der Bundestag und am 04.11. auch der Bundesrat eine Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Die Überprüfungen im öffentlichen Dienst werden bis 2019 verlängert, der Kreis der ohne konkreten Anlass zu Überprüfenden wird erweitert. Zudem können 47 frühere Stasi-Leute, die noch in der Stasi-Unterla­gen-Behörde arbeiten, in andere Dienststellen zwangsversetzt werden. Am 03.11. beschließt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass das Brandenburger Justizministerium die Namen von 13 stasibelasteten Richtern und Staatsanwälten nicht bekannt geben muss (Az.: OVG 10 S 33.11). Am 04.11. er­klärt Brandenburgs Innenminister Woidke, auch die zukünftigen Leiter der durch die Polizeireform neu geschaffenen Polizeireviere überprüfen zu wollen.

Oktober 2011

02.10.: Mutmaßliche Islamisten: In Nordrhein-Westfalen und Hessen nimmt die Polizei vier Männer fest, die einen Anschlag auf das „Deutschlandfest“ in Bonn geplant haben sollen. Sie werden am gleichen Tag wieder freigelassen, da sich der Verdacht nicht erhärtet hat.

04.10.: Berliner Abschiebeknast: Die deutsche „Länderkommission zur Verhütung der Folter“ wirft der Berliner Innenverwaltung gravierende Mängel in der Unterbringung und Betreuung der Abschiebehäftlinge, insbesondere der Behandlung Suizidgefährdeter vor. Die Kommission hatte den Gewahrsam im April besucht, Konsequenzen seien bisher nicht gezogen worden und nicht geplant.

05.10.: Schießerei mit der Polizei: In Oberhausen liefert sich ein 30-Jähriger Randalierer einen Schusswechsel mit den eintreffenden Polizisten, wobei er angeschossen wird. Bei der Festnahme verletzt er zwei Beamte mit einem Messer.

06.10.: Aussteigerprogramm: Nach entsprechenden Programmen für Rechtsextremisten und Islamisten startet das BfV nun eines für Links­extremisten.

08.10.: Staatstrojaner geknackt: Der „Chaos Computer Club“ (CCC) gibt bekannt, dass er einen „Trojaner“ geknackt hat, den die Sicherheitsbehörden für Quellen-Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) einsetzen. Die Funktionen der von der Firma Digitask entwickelten Software gehen aber weit darüber hinaus und ermöglichen ein umfassendes Ausspähen von Computern. Das Bundesinnenministerium (BMI) erklärt daraufhin, das BKA benutze eine eigene Software. In den folgenden Tagen wird bekannt, dass die Polizeien von sechs Ländern, das Zollkriminalamt, die BPol und das BfV die Digitask-Trojaner nutzen.

10.10.: Journalist überwacht: Die Medien berichten, dass ein Göttinger Journalist seit Jahren vom niedersächsischen LfV überwacht wird. Das Amt hatte die Beobachtung in einem Auskunftsersuchen bestätigt.

Anschläge auf Bundesbahn: In Brandenburg zerstört ein Brandanschlag die Signalkabel auf der Strecke Berlin-Hamburg. Bis zum 14.10. werden insgesamt 18 Brandsätze an Bahngleisen sowie im Tunnel des Berliner Hauptbahnhofs gefunden. Im Internet bekennt sich das „Hekla-Empfangskomi­tee“ zu den Anschlägen und begründet sie mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und deutschen Rüstungsexporten.

12.10.: Vorbestrafter Polizist wieder im Dienst: Ein Münchner Polizist erstreitet vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) seine Wiedereinstellung. Nach rechtskräftigen Verurteilungen wegen Körperverletzung im Amt und versuchter Bestechung war er 2007 aus dem Dienst entfernt worden. Der VGH hält eine Degradierung um zwei Dienstgrade für ausreichend.

Immunität aufgehoben: Der sächsische Landtag hebt die Immunität des Linksfraktionsvorsitzenden André Hahn auf, der beschuldigt wird, für die Blockade der Dresdner Neonazi-Demonstration in Februar 2010 mitverantwortlich zu sein.

Körperscanner: Nach Angaben der Bundesregierung kostete der wegen technischer Unzulänglichkeiten abgebrochene Test mit Körperscannern am Hamburger Flughafen über eine Mio. Euro. Während zehn Monaten hatten sich etwa 809.000 Personen freiwillig durchleuchten lassen. Im November einigen sich EU-Kommission und EU-Parlament auf die Zulassung von Körperscannern auf Flughäfen der EU; Deutschland will vorerst auf die Einführung verzichten.

15.10.: Occupy-Demonstrationen: Am weltweiten Aktionstag der Occupy-Bewegung beteiligen sich in 50 deutschen Städten etwa 40.000 Menschen; davon allein rund 10.000 an einer Demo in Berlin. Dort kommt es am Abend kurzzeitig zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

18.10.: Kennzeichenerfassung: Vor dem VGH München und dem BVerfG erhebt ein Mann Klage gegen die seit 2006 praktizierte automatisierte Erfassung von KfZ-Kennzeichen in Bayern. Laut Innenministerium des Landes wurden dabei im dritten Quartal 2011 monatlich etwa 8 Mio. Kennzeichen erfasst. Der Abgleich mit der „Fahndungsdatei“ habe in der Regel 500-600 Treffer erbracht.

24.10.: Love Parade: Die Staatsanwaltschaft Duisburg weitet ihre Ermittlungen wegen der Love-Parade-Katastrophe vom 24.10.2011 auf den damaligen Organisationsleiter aus. Damit wird nun gegen 17 Personen ermittelt. Mitte November legt die Initiative „Neuanfang Duisburg“ die notwendigen Unterschriften für ein Abwahlverfahren gegen den Duisburger Oberbürgermeister vor.

25.10.: Computerbetrüger: In einer Großaktion nimmt die Berliner Polizei 13 Männer fest, die im Verdacht stehen, durch „Phishing“ insgesamt 1,3 Mio. Euro von fremden Konten transferiert zu haben.

26.10.: Polizeilicher Todesschuss: Ein Polizist erschießt in Cuxhaven einen obdachlosen Mann, der zuvor mehrere Personen, darunter einen der alarmierten Polizisten, mit Metallstangen angegriffen hat.

Vorratsdatenspeicherung light: Der Bundestag verabschiedet eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das u.a. eine zeitlich unbegrenzte Speicherung von Verkehrsdaten erlaubt. Am 25.11. lehnt der Bundesrat lehnt den Entwurf (aus anderen Gründen) zunächst ab. Am 9.2.2011 nimmt der Bundestag und tags darauf auch der Bundesrat den im Vermittlungsausschuss erzielten Kompromiss (u.a. Beteiligung der Länder an der Frequenzplanung) an. Die Aufbewahrung der Verkehrsdaten bleibt im Gesetz.

27.10.: Anti-Terror-Gesetze: Mit minimalen Änderungen verlängert der Bundestag die 2001 erstmals beschlossenen und 2006 ergänzten Befugnisse der Geheimdienste – u.a. zur Einholung von Auskünften bei Telekommunikations-, Luftfahrt- und Finanzunternehmen – bis Ende 2015.

Anzeige gegen SEK-Beamte: Im bayerischen Landsberg erstattet eine Frau Strafanzeige gegen Beamte eines Spezialeinsatzkommandos. Sie war bei einem bereits länger zurück liegenden Einsatz von einer Blendgranate getroffen worden und hatte dauerhafte Verletzungen erlitten. Vorherige Schmerzensgeldforderungen an das Münchner Innenministerium waren ohne Antwort geblieben.

28.10.: Polizist erschossen: Zwei Männer entziehen sich in Augsburg einer Polizeikontrolle durch Flucht auf ihrem Motorrad. Als sie schließlich gestoppt werden können, erschießt einer der beiden einen Beamten und verletzt seine Kollegin durch einen Streifschuss. Am 29.12. werden die Flüchtigen festgenommen. Einer von ihnen soll bereits 1975 einen Polizisten erschossen haben.

November 2011

02.11.: Neuer BND-Chef: Als Nachfolger von Ernst Uhrlau benennt das Bundeskabinett den bisherigen Abteilungsleiter Öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium Gerhard Schindler.

03.11.: Sicherungsverwahrung: Nach einem Beschluss des BVerfG kann Sicherungsverwahrung künftig auch zur Bewährung ausgesetzt werden – vorausgesetzt, dass geeignete Therapieplätze zur Verfügung stehen (Az.: 2 BvR 1509/11). Am 24.11. verurteilt der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) Deutschland wegen Verstoßes gegen sein Urteil vom 04.05. zu Entschädigungszahlungen an zwei Häftlinge.

Neuer Generalbundesanwalt: Der Bundesrat stimmt der Nominierung des Celler Generalstaatsanwalts Harald Range als Nachfolger von Monika Harms zu.

04.11.: Rechtsextreme Terrorgruppe: Nach einem Banküberfall finden Polizeibeamte in Eisenach die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem brennenden Wohnmobil. Dabei entdecken sie auch zwei Dienstwaffen, die seit dem Mord an einer Heilbronner Polizeibeamtin 2007 verschwunden waren. Nachdem sie zuvor ihr Wohnhaus in Zwickau gesprengt hatte, stellt sich am 08.11. Beate Zschäpe der Polizei. In den folgenden Tagen können dem Trio, das sich auf einer in dem zerstörten Haus aufgefundenen DVD „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) nennt, neben 14 Banküberfällen auch die Morde an neun Kleingewerblern türkischer bzw. griechischer Herkunft in den Jahren 2000-2006 zugeordnet werden. Das Trio, das Anfang 1998 untertauchte, war bis dahin im „Thüringer Heimatschutz“, einer Dachorganisation von Neonazi-Kamerad­schaften, in deren Umfeld sich mehrere V-Leute des Verfassungsschutzes tummelten. Am 15.11. wird der frühere BGH-Richter Gerhard Schäfer zum Leiter einer internen Ermittlungsgruppe bestellt, die die Arbeit der Thüringer Sicherheitsbehörden in den 90er Jahren überprüfen soll. Einige Tage später beauftragt auch Bundesinnenminister Friedrich eine Aufklärungsgruppe. Am 26.01.2012 setzen der Bundestag und der Thüringer Landtag Untersuchungsausschüsse ein, die die Rolle der Sicherheitsbehörden in diesem Fall prüfen sollen. Zum Jahreswechsel sind rund 500 BeamtInnen aus BKA und Landespolizeien mit der Aufklärung des Falles befasst. Bis zum 25.1.2012 werden fünf Personen als Unterstützer des Trios beschuldigt und inhaftiert.

07.11.: 129b-Verfahren: Vor dem OLG Koblenz beginnt ein Prozess gegen einen 25-Jährigen Palästinenser, der laut Anklage Propagandamaterial für mehrere islamistische Gruppen veröffentlicht hat. Ähnliche Verfahren beginnen am 10.11. vor dem BGH und am 02.12. vor dem Berliner Kammergericht.

10.11.: Razzia bei Heckler & Koch: Die Polizei durchsucht die Geschäftsräume des Waffenherstellers Heckler & Koch sowie mehrere Wohnungen leitender Angestellter. Sie sollen in Deutschland und Mexiko jahrelang Amtsträger bestochen zu haben, um an Lieferaufträge zu kommen. Am 13.11 wird bekannt, dass es auch bei einer Lieferung von 16.000 Maschinenpistolen nach Indien zu Ungereimtheiten bei den notwendigen Export-Zertifikaten gekommen sein soll.

Krimineller Polizist: Das Berliner Landeskriminalamt durchsucht die Wohnung und Diensträume eines Polizeikommissars, gegen den seit mehreren Monaten wegen Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird.

16.11.: V-Leute in der NPD: Medienberichte beziffern die Zahl der V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD auf ca. 100. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Zwickauer Terrorzelle ist am 11.12. von 130 V-Leuten in der Partei die Rede, davon über zehn in Führungsgremien.

Kennzeichnung: Der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei unterliegt vor dem Verwaltungsgericht mit seiner Klage gegen die individuelle Kennzeichnung der PolizeibeamtInnen. Die Anweisung sei nicht mitbestimmungspflichtig.

19.11.: Todesopfer rechter Gewalt: Die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung fordert, das offizielle Zählverfahren zu ändern. Während die Bundesregierung von 47 Todesopfern im Zeitraum 1990-2009 redet, geht die Stiftung aufgrund ihrer eigenen Zählung von 182 Toten zwischen 1990-2011 aus; darunter neben MigrantInnen, Obdachlosen und Punks auch PolizistInnen und AnwältInnen.

23.11.: Polizeischüsse: Als Polizeibeamte in Frankfurt/Oder einen Reifenstecher festnehmen wollen, greift dieser sie mit seinem Messer an. Ein Beamter schießt dem Mann ins Bein und verletzt ihn dabei lebensgefährlich. Ein ähnlicher Fall ereignet sich einen Tag später in Berlin. In beiden Fällen können die Angreifer gerettet werden.

24.11.: Castor-Transport: Im Wendland beginnen die Proteste gegen den Atommüll-Transport aus La Hague, an denen sich über 23.000 Personen beteiligen. Am Abend des 28.11. erreicht der Transport das Zwischenlager Gorleben..

27.11.: Stuttgart 21: Bei der Volksabstimmung über das Bahnhofsprojekt setzen sich die Befürworter mit knapp 59 Prozent durch.

30.11.: Krisenübung zu Cyberterror: Bundes- und Länderbehörden beginnen die zweitägige Krisenübung LÜKEX 11. Angriffe aus dem Internet auf Energieunternehmen, Verkehr, Banken und Kommunikationsnetze sollen simuliert und mögliche Gegenmaßnahmen erprobt werden.

Dezember 2011

01.12.: Heiligendamm-Urteil: Der EGMR verurteilt die BRD zu Entschädigungszahlungen an zwei junge Männer, die 2007 gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm demonstriert hatten. Sie mussten bis zum Ende des Gipfels, insgesamt fünfeinhalb Tage, in Gewahrsam blieben. Der EGMR sah darin einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention.

07.12.: Telefonüberwachung: Das BVerfG erklärt die seit 2007 geltende Neuregelung der Telefonüberwachung, wonach auch ÄrztInnen, SteuerberaterInnen und JournalistInnen abgehört werden dürfen, für vereinbar mit dem Grundgesetz. Umfassenden Schutz genießen nur Geistliche, AnwältInnen und Abgeordnete.

Anschlagsversuch: Eine an den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann adressierte Briefbombe wird rechtzeitig entdeckt und entschärft. Zu dem Anschlagsversuch bekennt sich die italienische „Federazione Anarchica Informale“ (FAI).

09.12.: Körperverletzung im Amt: Das Amtsgericht (AG) Tiergarten (Berlin) verurteilt einen Polizisten zu drei Jahren Haft auf Bewährung. Er hatte im April 2010 bei einem Fussball-Einsatz eine Frau grundlos mehrfach ins Gesicht geschlagen.

16.12.: Abwehrzentrum gegen Rechts: Der Bundesinnenminister eröffnet das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ (GAR) mit Sitz in Meckenheim und Köln mit ca. 140 BeamtInnen aus Polizei und Geheimdiensten.

21.12.: Körperverletzung im Amt: Das AG Tiergarten (Berlin) verurteilt einen Polizisten sechs Monaten Haft auf Bewährung. Er hatte am 1. Mai 2010 einen Demonstranten misshandelt. Einer seiner Kollegen war bereits zuvor zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

22.12.: BGH-Abhör-Urteil: Abgehörte Selbstgespräche dürfen vor Gericht nicht verwendet werden, da sie zum „innersten, unantastbaren Bereich der Persönlichkeit“ gehören. Zu diesem Urteil kommt der BGH in einem Prozess gegen einen mutmaßlichen Mörder; der Prozess muss neu aufgerollt werden.

24.12.: Gegen Neonazi-Aufmarsch: In Bielefeld demonstrieren rund 6.500 Menschen gegen einen Aufmarsch von etwa 70 Rechtsextremisten. Vereinzelt kommt es zu Auseinandersetzungen.

30.12.: Großer Lauschangriff: Obwohl das BVerfG 2004 die damaligen Regelungen zum Großen Lauschangriff für verfassungswidrig erklärt hat, verneint es nun ein absolutes Beweisverwertungsverbot in einem entsprechenden Fall. Entscheidend sei, dass es keine Rundum-Überwachung gegeben habe und der private Kernbereich ausgespart blieb. (Az: BvR 2500/09 und BvR 1857/10).