International im Verborgenen agierende Polizeinetzwerke

Zu den Aufgaben des Bundeskriminalamtes (BKA) als Zentralstelle für internationale Ermittlungen gehört der polizeiliche Dienstverkehr mit Polizei- und Justizbehörden anderer Staaten. Hierzu zählt das Amt auch die Mitarbeit in zahlreichen Netzwerken, die heikle Überwachungsmaßnahmen erörtern, aber nirgends institutionell angebunden sind: Etwa in der „European Cooperation Group on Undercover Activities (ECG)“ oder der „International Working Group on Undercover Policing (IWG)“, an denen leitende BeamtInnen der für verdeckte Ermittlungen zuständigen Dienststellen beteiligt sind.[1] Eine „Cross-Border Surveillance Working Group“ (CSW) vernetzt Mobile Einsatzkommandos aus 12 EU-Staaten sowie die EU-Polizeiagentur Europol zu grenzüberschreitenden Observationstechniken.

Mit ähnlichem Ziel treffen sich Angehörige von Polizeien mehrerer EU-Staaten im Projekt „International Specialist Law Enforcement“ (ISLE). Ziel des 2009 begonnenen Vorhabens ist der Austausch und die Vermittlung von Kenntnissen zum heimlichen Eindringen in Räume, Fahrzeuge und elektronische Geräte. Zudem sollen forensische Fähigkeiten zum Auslesen von Daten aus digitalen Medien verbessert werden. ISLE wird von der EU-Kommission finanziert und von der britischen Serious Organised Crime Agency (SOCA) geleitet. Das BKA bringt sich mit der Abteilung Zentrale kriminalpolizeiliche Dienste (ZD) ein. Zwar ist ISLE formal abgeschlossen und mit dem Abfassen von Evaluationsberichten beschäftigt. Nun soll aber die zweite Stufe des Projekts „Lösungsansätze und Methoden zur Überwindung von technisch komplexen Sicherungseinrichtungen“ identifizieren.[2]

Die Bundesregierung betont, die Zusammenarbeit würde keine operativen Maßnahmen anbahnen, „sondern auf den Austausch von Fachwissen“ abstellen. Dennoch dürfte das Projekt wie die anderen, informellen Netzwerke insbesondere für den Aufbau internationaler Kontakte grundlegend sein. Zwar mag es richtig sein, dass im offiziellen Teil der Treffen keine konkreten Operationen, sondern „nur“ Rahmenbedingungen oder spezifische Problemlagen und Defizite der Behörden besprochen werden. Wie problematisch ein derartiger „Gedankenaustausch“ ist, wurde aber im Herbst in der heftigen Debatte um das von der EU-Kommission finanzierte Forschungsprojekt „Clean IT“ offenkundig. Die Innenministerien Deutschlands, Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande und Spaniens nehmen dort „Computerkriminalität, Hate Speech, Diskriminierung, illegale Software, Kinderpornographie und Terrorismus“ aufs Korn.[3] In „Clean IT“ sollen Maßnahmen vorgestellt und diskutiert werden, den Internetverkehr auszuspionieren und gegebenenfalls zu unterbinden. Das Bundesinnenministerium ist dort mit der Abteilung Öffentliche Sicherheit vertreten, zudem reisen VertreterInnen des BKA und des Bundesamts für Verfassungsschutz zu einzelnen Sitzungen an. Wieder bekräftigt die Bundesregierung, die „Experten“ hätten kein „politisches Verhandlungsmandat“.[4] Jedoch werden die in „Clean IT“ erörterten Maßnahmen in anderen, internationalen Gremien verrechtlicht: Seit 1992 ist die Bundesregierung Mitglied des „Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen“ (ETSI), das unter anderem weltweit gültige Standards zur Überwachung von Telekommunikation („Lawful Interception“) entwickelt. Dabei geht es um die technische Ausstattung von Telekommunikationsanlagen, damit diese für die zuständigen Behörden abhörbar sind. Im ETSI sind auf allen Ebenen Telekommunikationsanbieter und Hersteller von Überwachungstechnik vertreten. Von deutscher Behördenseite arbeiten die Bundesnetzagentur, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Zollkriminalamt in entsprechenden Arbeitsgruppen mit.[5] Neben dem BKA haben auch Verfassungsschutzämter verschiedener Bundesländer mehrmals teilgenommen.

(Matthias Monroy)

[1]      BT-Drs. 17/9844 v. 31.5.2012

[2]     BT-Drs. 17/10713 v.17.9.2012

[3]     „CLEAN IT – DRAFT DOCUMENT“ v. 24.11.2012, https://netzpolitik.org/wp-upload/
CLEAN+IT+DRAFT+DOCUMENT+02.doc

[4]     BT-Drs. 17/11238 v. 26.10.2012

[5]     BT-Drs. 17/11239 v. 26.10.2012