Bald Zentrale Datei für „Reisende Gewalttäter“?

Seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm drängt das deutsche Bundesinnenministerium auf die Einrichtung einer EU-Datensammlung für Fußballfans und Demonstranten[1]. Jetzt liegt das Ergebnis einer entsprechenden EU-Studie vor, die von der EU-Kommission bei der internationalen Beraterfirma ICF GHK in Auftrag gegeben worden war[2]. Grundlage war ein Fragebogen, der an alle 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Kroatien versandt wurde. Gleichzeitig wurden die EU-Polizeiagentur EUROPOL sowie die internationale Polizeiorganisation Interpol konsultiert. Beiträge kamen überdies von den Fußballverbänden UEFA und FIFA. Als Ausgangspunkt galten die „gewalttätige Störung der öffentlichen Ordnung“ und damit verbundene „hohe gesellschaftliche Kosten“. 65% aller Gipfeltreffen würden demnach gestört. Allein beim Fußball wanderten jährlich rund 470 Personen in Gewahrsam, im politischen Bereich wird die Statistik von Protesten gegen Atomtransporte angeführt (180 Personen). In allen Kategorien würden jährlich zusammen rund 1.506 Festnahmen vorgenommen. Mitgliedstaaten beobachteten überdies mehr Aufstände wegen der Finanzkrise.

Die Verfasser benennen Defizite der gegenwärtigen Sicherheitszusammenarbeit, darunter verspätete Reaktionen auf Anfragen, die gleichzeitige Weitergabe von Informationen über zu viele Kanäle, Sprachprobleme, unterschiedliche juristische Terminologien oder technische Fragen des Datentauschs. Allerdings seien nicht alle Mitgliedstaaten gleichermaßen vom Phänomen betroffen, eine Häufung liege bei Deutschland, Frankreich und Dänemark. Ein eigenes Kapitel der Studie widmet sich „linkem und anarchistischem Extremismus“ und einem sogenannten „Teilbereichsextremismus“. Als besonders betroffene Länder werden Österreich, Tschechien, Griechenland, Italien und Spanien genannt. Ebenfalls erwähnt wird der Widerstand gegen sinnlose Großprojekte, darunter die „No TAV“-Bewegung in Italien und der breite französische Widerstand gegen den Bau eines Großflughafens bei Notre Dame des Landes in der Bretagne.

Bislang werden in EU-Dokumenten die Begriffe „Ordnungsstörer“ („troublemaker“) oder „Risikofan“ („risk supporter“) benutzt, an anderer Stelle heißt es „Hooligan“ oder „gewalttätiger Störer“ („violent troublemaker“). Nun ist von „travelling violent offenders“ (TVO) die Rede, womit sich der deutsche Terminus des „reisenden Gewalttäters“ international durchsetzt. Die Kategorie soll zunächst in Handbüchern verankert werden. Weil diese aber nicht bindend sind, könnte die Definition in den Rang einer EU-Richtlinie erhoben werden, die dann in die jeweilige nationale Rechtsprechung überführt werden muss. Damit werden jene Länder unter Druck gesetzt, die laut der Studie zwar nicht vom Phänomen betroffen sind, aber dennoch mehr Initiative bei der Verfolgung von „reisenden Gewalttätern“ zeigen sollen[3]. In der Studie heißt es, dass Mitgliedstaaten sogar zur Sammlung und Verarbeitung entsprechender Daten verpflichtet werden könnten. Später müssten auch Repressalien gegen die Betroffenen vereinheitlicht werden. Sind die neuen Kontrollmaßnahmen erst einmal in Gang gekommen, soll schließlich die Einführung einer „europäischen Reisesperre“ folgen.

(Matthias Monroy)

[1]      Bundesrat Drs 589/1/07 v. 01.10.2007

[2]      https://netzpolitik.org/wp-upload/travelling_violent_offenders_study_1.pdf

[3]      www.heise.de/tp/artikel/39/39747/2.html