Europäische Ermittlungsanordnung beschlossen

Seit 1999 gehört die gegenseitige Anerkennung justizieller Entscheidungen zu den Grundsätzen der EU-Politik im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts. Der erste große Meilenstein bei seiner Umsetzung war die Verabschiedung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl im Jahre 2002. Weitgehend unbeachtet hat das EU-Parlament nun Ende Februar 2014 eine weitreichende Richtlinie angenommen, die die Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden der Mitgliedstaaten weiter vereinfachen soll.[1] Mithilfe einer „Europäischen Ermittlungsanordnung“ (EEA) sollen künftig die jeweils zuständigen Justizbehörden (Gerichte, ErmittlungsrichterInnen, Staatsanwaltschaften) eines „Anordnungsstaates“ einen „Vollstreckungsstaat“ zur Kooperation bei der Erhebung von Beweisen in einem Strafverfahren zwingen können. Dabei geht es nicht nur um die Herausgabe bereits im „Vollstreckungsstaat“ vorhandener Beweise, sondern auch um die Vornahme neuer Ermittlungshandlungen, inklusive Zwangsmaßnahmen gegen Verdächtige oder Beschuldigte. Geregelt wird auch die „zeitweilige Überstellung inhaftierter Personen“, die Vernehmung per Video- oder Telefonkonferenz oder die Nutzung des Europäischen Haftbefehls, um Personen (auch zeitweise) an Gerichte eines anderen Staates zu überstellen. Ermitt­lungsmaßnahmen müssen „unverzüglich“, spätestens aber 90 Tage nach Erlass umgesetzt werden. Die anfallenden Kosten muss in der Regel der Vollstreckungsstaat übernehmen. Lediglich wenn er die Ausgaben für „außergewöhnlich hoch“ hält, sind Nachverhandlungen möglich.

Je nach nationalem Recht sind für die Erhebung von Beweismitteln unterschiedliche Stellen zuständig. Eine EEA muss zunächst im Anordnungsstaat von einer zuständigen Justizbehörde, einem Gericht, ErmittlungsrichterInnen oder StaatsanwältInnen validiert werden. Sofern die Maßnahme im Vollstreckungsstaat eine richterliche Genehmigung erfordert, wie dies in der Regel bei Zwangsmaßnahmen der Fall ist, muss diese ebenfalls eingeholt werden. Die angefragte „Vollstreckungsbehör­de“ muss eine an sie übermittelte EEA nun „ohne jede weitere Formalität“ anerkennen. Die Umsetzung muss unter denselben Modalitäten erfolgen, „als wäre die betreffende Ermittlungsmaßnahme von einer Behörde des Vollstreckungsstaats angeordnet worden“. Eine EEA kann nur zurückgewiesen werden, wenn bei den betroffenen Personen „Immunitäten oder Vorrechte bestehen“, die „Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien“ tangiert sind, „nationale Sicherheitsinteressen“ gefährdet sind oder Verschlusssachen von Geheimdiensten herausgegeben werden müssten.

Zu den in der EEA definierten Zwangsmaßnahmen gehört die Ausspähung von Finanztransaktionen sämtlicher „Überweisungs- und Empfängerkonten“. Auch die Überwachung der Telekommunikation ist geregelt: Als „Vollstreckungsmethode“ kann die anordnende Behörde zwischen „unmittelbarer Weiterleitung“ (also Ausleitung in Echtzeit) oder „Aufzeichnung und anschließender Weiterleitung“ wählen. Ebenfalls erfasst sind die Verarbeitung von Verkehrs- und Standortdaten, die entweder in Echtzeit erhoben werden oder im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung vorhanden sind („historische Verkehrs- und Standortdaten“). In Artikel 29 ist die Zusammenarbeit im Rahmen von verdeckten Ermittlungen geregelt. Auch diese wird bereits rege praktiziert, allerdings bilateral: Zu den in der EU am besten verbandelten Behörden gehören die Großbritanniens und Deutschlands. Beide Länder hatten im Vorfeld darauf hinzuwirken versucht, den Einsatz von BeamtInnen unter „falscher Identität“ in der EEA-Richtlinie auszusparen.[2] Sie konnten sich damit zwar nicht durchsetzen. Jedoch sind die Versagungsgründe für verdeckte Ermittlungen nun großzügiger ausgelegt als bei den übrigen Maßnahmen: Wenn „keine Einigung“ über die Ausgestaltung des Spit­zeleinsatzes erzielt werden kann, darf der Vollstreckungsstaat ablehnen.

(Matthias Monroy)

[1]      www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2014-0165+0+DOC+XML+V0//DE

[2]     BT-Drs 17/7279 v. 7.10.2011