Redaktionsmitteilung

Um 1860 begann der britische Kolonialbeamte William James Herschel in Bengalen Fingerabdrücke zu nutzen, um Betrug bei der Auszahlung von Ruhegehältern an pensionierte Sepoys, die subalternen indischen Soldaten, zu verhindern. Damit legte er das Fundament für die Biometrie, die sich heute zur Schlüsseltechnologie entwickelt hat für die Kontrolle von grenzüberschreitender Mobilität und Migration, aber in wachsendem Maße auch der einheimischen Bevölkerung. Als „kolonialen Bumerang“ beschrieb Michel Foucault das Phänomen, dass Praktiken und Technologien, die in den Kolonien zur Durchsetzung und Sicherung imperialer Herrschaft entwickelt wurden, früher oder später auch in ihrem Mutterland zum Einsatz kommen.

Bis heute sind die rassifizierten „Fremden“ das primäre Testfeld für neue Kontrolltechnologien. Ihre Körper und – neuerdings auch – ihre digitalen Schatten werden erfasst, gezählt und vermessen, um staatlichen Zugriff zu ermöglich. Myriaden von Sensoren säumen inzwischen die Wege, die Menschen nehmen bei ihren mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, die Schleusen und Mauern dieser Welt zu überwinden. Immer neue, ausgefeiltere Technologien kommen dabei zum Einsatz, immer undurchschaubarer wird die Verarbeitung der Unmengen gesammelter Informationen. Die Rechte der überwachten Menschen werden dabei regelmäßig mit Füßen getreten – allzu häufig mit tödlichen Konsequenzen. Zugleich wird ein sicherheits-industrieller Apparat mit Milliarden gefüttert und die Flugbahn des Bumerangs kürzer. Das aktuelle Heft wirft einen Blick auf diese Technologien zur Migrationskontrolle, auf ihre Entwicklung, ihre Kosten und Folgen.

Anfangs erschien unsere Zeitschrift auch auf Englisch, später nur noch auf Deutsch. Trotzdem hatten wir stets auch englische Zusammenfassungen aller Artikel im Heft abgedruckt. Diese Summaries finden sich fortan nur noch online.

Unsere nächste Ausgabe widmet sich der Rolle der ach so unpolitischen Polizei als politischem Akteur.

Beitragsbild: Ferngesteuertes Videoüberwachungssystem in Nogales, Arizona (Electronic Frontier Foundation, CC BY 3.0)

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