Im September 2001, kurz nach den Anschlägen in den USA, räsonierte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily darüber, dass man es hierzulande „vielleicht … im Datenschutz etwas übertrieben“ hätte. Der Minister beließ es bekanntlich nicht bei der Nachdenklichkeit, sondern präsentierte in Windeseile ein Paket von Gesetzesänderungen. Der „Otto-Katalog“ trat Anfang Januar 2002 als Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Kraft. Die darin auf fünf Jahre befristeten Befugnisse der Geheimdienste hat der Bundestag am 1. Dezember 2006 verlängert und erweitert. Am selben Tag verabschiedete er auch ein Gesetz über gemeinsame Dateien von Polizei und Geheimdiensten.
Was der Ex-Minister, der heute auch als Berater einer Biometriefirma tätig ist, in etwas feiner ziselierten Worten ausdrückte, ist nichts anderes als das alte Stammtisch-Motto vom Datenschutz als „Täterschutz“. Es durchzieht die Diskussion um polizeiliche und geheimdienstliche Methoden und Instrumente seit den 70er Jahren. Und es erweist sich in seiner ganzen Banalität als äußerst wirksam. Redaktionsmitteilung weiterlesen →
Die Verrechtlichungsspirale dreht sich unaufhörlich und füllt Polizei- und Geheimdienstgesetze mit datenschutzrechtlicher Poesie. Entpolitisiert droht der Datenschutz zum legitimatorischen Beiwerk zu verkommen.
Privacy International (PI) ist eine in London ansässige internationale Datenschutzorganisation. Sie hat die „Big Brother Awards“, jene Negativpreise für die besten Schnüffler, erfunden, die Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen mittlerweile in vielen europäischen Ländern jährlich vergeben. Anfang Oktober 2006 veröffentlichte PI ihren diesjährigen „International Privacy Survey“, der im Unterschied zu den Big Brother Awards durchaus nicht ironisch gemeint ist.[1] Die Bundesrepublik Deutschland hat dabei nicht nur im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten, sondern weltweit die besten Noten für ihren Datenschutz erhalten. Selbst im Bereich „Law enforcement“ erzielte sie einen Spitzenplatz. Wir gratulieren. Hilfloser Datenschutz – Verrechtlichung, Individualisierung, Entpolitisierung weiterlesen →
Helpless data protection by Heiner Busch
Since the 1980s, Germany has been experiencing a spiral of legalisation regarding the methods and technical instruments of police and security services. The result is not the definition of clear norms limiting state surveillance, but rather a rhetoric of data protection law. Illusions about the effect of the Rule of Law, individualising concepts and depoliticisation have turned data protection into a legitimising accessory. Summaries weiterlesen →
Siebzehn Jahre nach der Auskoppelung der Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes aus dem Nachrichtendienstlichen Informationssystem des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat das Parlament die informationstechnische Wiedervereinigung von Polizei und Geheimdiensten beschlossen.
Am Ende konnte es der Bundesregierung und ihrer Großen Koalition nicht schnell genug gehen. Im Juni 2004 – kurz nach dem Anschlag in Madrid – hatte die Innenministerkonferenz (IMK) den Aufbau einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten des Bundes und der Länder gefordert, um der angeblich so zerstückelten föderalistischen „Sicherheitsarchitektur“ der Bundesrepublik informationstechnisch auf die Sprünge zu helfen. Die Parteien diskutierten, ob es sich um eine Volltext- oder „nur“ um eine Indexdatei handeln sollte und ob man darin „nur“ Daten zum Terrorismus oder gleich auch solche zum Extremismus zu speichern hätte. Dann kamen das Ende der rot-grünen Ehe, die Wahlen und der halbe Regierungswechsel. Es wächst zusammen… Zum Gemeinsame-Dateien-Gesetz weiterlesen →
Die EU arbeitet derzeit an einem Rahmenbeschluss, der den Datenschutz bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit regeln soll. Da die Diskussion jedoch in einem vom „Krieg gegen den Terror“ bestimmten Klima stattfindet, werden die Rechte der BürgerInnen erneut den Bedürfnissen der Strafverfolgung untergeordnet.
Am 4. Oktober 2005 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen Rahmenbeschluss „über den Schutz personenbezogener Daten, die bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden“.[1] Der EU-Datenschutzbeauftragte nahm im Dezember 2005 dazu Stellung, und das Europäische Parlament (EP) verabschiedete im September 2006 einen Bericht, in dem es insgesamt sechzig Änderungen empfahl. Fragen der polizeilichen und strafrechtlichen Kooperation, der Dritten Säule der EU, sind ausschließliche Domäne des (Minister-)Rates. Das EP wird hier nur konsultiert. Seine Änderungswünsche kann der Rat theoretisch ignorieren – und das tut er auch in der Praxis regelmäßig. Böcke als Gärtner – Die EU-Polizeien erarbeiten sich einen Datenschutzrahmen weiterlesen →
Seit Oktober 2006 gibt es im süddeutschen Freistaat eine neue Datei, betitelt HEADS, die die bayerische, aber auch die bundesdeutsche Bevölkerung zukünftig besser vor Sexualstraftaten schützen soll. HEADS steht für „Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter“.[1] Erfasst werden Personen, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Tötungsdelikten mit sexuellen Tatmotiven oder unklarem Motiv verurteilt und zudem von der Staatsanwaltschaft als RisikoprobandInnen eingestuft worden sind. Die Datei der „tickenden Zeitbomben“ weiterlesen →
Im Rahmen ihres Schulschwänzerprogramms griff die bayerische Polizei im vergangenen Schuljahr insgesamt 1.779 SchülerInnen auf.[1] Das sind geringfügig weniger als im Schuljahr 2004/2005. Einstmals ein Pilotprojekt der Nürnberger Polizei,[2] gilt die Schulschwänzerinitiative heute in ganz Bayern als wichtiges Standbein der Bekämpfung von Kinder- und Jugendkriminalität: „Mancher Jugendlicher muss eben notfalls von einer Polizeistreife wieder auf Kurs gebracht werden,“ weiß Dr. Günther Beckstein, bayerischer Staatsminister des Innern.[3]Durchsetzung des Schulzwangs in Bayern weiterlesen →
Auf Nachfrage veröffentlichte die Bundesregierung im Oktober die Statistik der Landesjustizverwaltungen und des Generalbundesanwalts zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) im Jahr 2005:[1] Bundesweit kam es demnach zu TKÜs in insgesamt 4.925 Verfahren; das entsprach einer Steigerung von 4,5 % gegenüber dem Vorjahr. Auffallend an der Statistik sind die geografischen und deliktischen Ungleichheiten. So führt Bayern mit 885 TKÜ-Verfahren die Rangliste an; Nordrhein-Westfalen kam trotz größerer Bevölkerung und mehr registrierten Straftaten mit fast der Hälfte an Überwachungen aus. Telekommunikations-Überwachungsstatistik 2005 weiterlesen →
Im Jahr 2005 wurden in Deutschland in sechs Bundesländern sechs Objekte im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen akustisch überwacht. Der entsprechende Bericht der Bundesregierung vom 7. September 2006[1] führt Lauschangriffe in Bayern, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf. Eine weitere Überwachung in Niedersachsen wurde angeordnet, aber nicht ausgeführt. Insgesamt waren 26 Beschuldigte sowie drei nicht beschuldigte Personen betroffen. Große Lauschangriffe 2005 weiterlesen →
Dank der Kompromissbereitschaft des Parlaments sind zwar die Rechtsgrundlagen für das SIS II pünktlich zustande gekommen. Die Pläne für seine Einführung und damit zusammenhängend für die Aufhebung der Kontrollen an den Grenzen zu und zwischen den im Jahre 2004 der EU beigetretenen Staaten können jedoch trotzdem nicht gehalten werden. Auf seiner Tagung am 4. und 5. Dezember 2006 beschloss der Rat der Innen- und Justizminister nun eine Zwischenlösung: Um die Aufhebung der Grenzkontrollen nicht übermäßig hinauszuschieben, sollen die neuen Mitgliedstaaten vorerst an das bestehende SIS angeschlossen werden.[1]„SIS one4all“ weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.