Schlagwort-Archive: EU-Innen- und Justizpolitik

Leuchtende Zukunft – Nächste Runde beim Aufbau des EU-Staats

von Heiner Busch und Peer Stolle

Ende 2009 läuft das Haager Programm „zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht“ aus. Bis dahin sollen die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, einen neuen Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik beschließen. Die Vorarbeiten dazu leistete die „Zukunftsgruppe“.

Vom ersten Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik der EU (2000-2004), den „Schlussfolgerungen“ von Tampere, erhielt die Öffentlichkeit erst am Morgen des 16. Oktobers 1999 Kenntnis, wenige Stunden bevor sie die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten. Das darauf folgende Haager Programm (2005-2009) lag gerade mal vier Wochen vor, als es der Europäische Rat am 4. November 2004 ohne weitere Diskussion absegnete. Für die Erarbeitung des neuen Programms, so scheint es, haben sich die InnenpolitikerInnen der EU neue Manieren zugelegt: Von „Transparenz“ ist die Rede, von „offener“ Diskussion und „intensivem Austausch“, für die man sich ungewöhnlich viel Zeit nahm. Leuchtende Zukunft – Nächste Runde beim Aufbau des EU-Staats weiterlesen

Die neuen europäischen Grenzen – Abschottung nach außen – Vergrenzung nach innen

von Anja Lederer und Heiner Busch

Der Schutz der Außengrenzen spielt für die EU-Innenpolitik eine zentrale Rolle. Mit allen erdenklichen Mitteln soll der „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ gegen Unerwünschte gesichert werden.

Der Frankfurter Schriftsteller Jakob Arjouni hat unlängst eine satirische Negativutopie vorgelegt: Sein Roman „Chez Max“ spielt im Jahr 2064.[1] Ein Zaun schützt das mit Wohlstand und allen Fortschritten der Technik gesegnete „Eurasien“ vor der Armut, der Gewalt und den Bürgerkriegen im Süden und natürlich auch vor illegalen Einwanderern, die den Terrorismus ins gelobte Land importieren könnten. In Eurasien ist es gängige Praxis, dass Verbrechen bereits im Vorfeld erkannt werden. Für das Ausschalten potenzieller Täter und „illegaler“ ImmigrantInnen sorgt die staatliche Geheimorganisation „Ashcroft“, für die Max Schwarzwald, die Hauptfigur des Romans, der Wirt des „Chez Max“, arbeitet. Die neuen europäischen Grenzen – Abschottung nach außen – Vergrenzung nach innen weiterlesen

Böcke als Gärtner – Die EU-Polizeien erarbeiten sich einen Datenschutzrahmen

von Tony Bunyan

Die EU arbeitet derzeit an einem Rahmenbeschluss, der den Datenschutz bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit regeln soll. Da die Diskussion jedoch in einem vom „Krieg gegen den Terror“ bestimmten Klima stattfindet, werden die Rechte der BürgerInnen erneut den Bedürfnissen der Strafverfolgung untergeordnet.

Am 4. Oktober 2005 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen Rahmenbeschluss „über den Schutz personenbezogener Daten, die bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden“.[1] Der EU-Datenschutzbeauftragte nahm im Dezember 2005 dazu Stellung, und das Europäische Parlament (EP) verabschiedete im September 2006 einen Bericht, in dem es insgesamt sechzig Änderungen empfahl. Fragen der polizeilichen und strafrechtlichen Kooperation, der Dritten Säule der EU, sind ausschließliche Domäne des (Minister-)Rates. Das EP wird hier nur konsultiert. Seine Änderungswünsche kann der Rat theoretisch ignorieren – und das tut er auch in der Praxis regelmäßig. Böcke als Gärtner – Die EU-Polizeien erarbeiten sich einen Datenschutzrahmen weiterlesen

Europäischer Staat (im Aufbau) – Die EU in schlechter Verfassung

von Heiner Busch

Der Verfassungsvertrag ist vorerst politisch erledigt. Die wirkliche Verfassung der EU ist geblieben.

Was würde passieren, wenn von einem Tag auf den anderen alle Bibliotheken abbrennen und sämtliche Exemplare des Verfassungstextes verschwinden würden? So lautete die zentrale Frage in Ferdinand Lassalles berühmter Rede über das „Verfassungswesen“ aus dem Jahre 1862.[1] Die Antwort: Nichts. Die „wirkliche Verfassung“, nämlich die „tatsächlichen Machtverhältnisse“ im Staat, seine Institutionen, seine Armee, bliebe bestehen. Alles ginge weiter seinen gewohnt herrschaftlichen Gang. „Ein König, dem das Heer gehorcht und die Kanonen – das ist ein Stück Verfassung.“ Europäischer Staat (im Aufbau) – Die EU in schlechter Verfassung weiterlesen

Europols kleine Schwester – Die Europäische Grenzschutzagentur „Frontex“

von Mark Holzberger

Vor gut einem Jahr, am 1. Mai 2005, nahm die Europäische Grenzschutzagentur (Frontex) in Warschau ihre Arbeit auf.[1] Doch schon jetzt will die Agentur im Zuge des Einsatzes gegen Flüchtlinge vor den Kanarischen Inseln bzw. im Mittelmeer ihre operativen Fähigkeiten ausbauen.

Mit Frontex hat die EU nach Europol ihre zweite Polizeibehörde geschaffen. Vom Ansatz her ähneln sich die beiden Organisationen u.a. darin, dass die zu ihnen entsandten PolizeibeamtInnen vorrangig analytische und Koordinationsaufgaben haben. Sie werden nicht exekutiv tätig, sondern sollen die Behörden der Mitgliedstaaten unterstützen.

Gleichwohl zeigen sich eine ganze Reihe von Unterschieden zwischen Europol und seiner kleinen Schwester. Das beginnt bei der Größe: Während bei Europol inzwischen über 500 Personen arbeiten (darunter rund 120 polizeiliche VerbindungsbeamtInnen und „security officers“),[2] sind bei Frontex derzeit gerade einmal 60 Personen tätig. Zu etwa zwei Dritteln sind das VerbindungsbeamtInnen aus den Mitgliedstaaten – darunter drei von der deutschen Bundespolizei, die in den Bereichen Einsatz/Operation, Risikoanalyse sowie Aus- und Fortbildung arbeiten.[3] Europols kleine Schwester – Die Europäische Grenzschutzagentur „Frontex“ weiterlesen

Der Traum von der restlosen Erfassung – Stand und Planung der EU-Informationssysteme

von Heiner Busch

Die breite Nutzung und der Ausbau von EU-Informationssystemen im polizeilichen und fremdenpolizeilichen Sektor ist ein deutliches Zeichen für das Zusammenwachsen der EU – allerdings kein gutes.

Die Innen- und Justizpolitik der EU steht vor einem technologischen Quantensprung: 2007 soll das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) ans Netz gehen. Das neue Datensystem markiert auch dem Inhalt nach einen Generationswechsel. Die Biometrie hält definitiv Einzug in die (fremden-)polizeiliche Datenwelt der EU und die Kommission schmiedet bereits weitere Pläne für die „Interoperabilität“ mit anderen Systemen: dem Visa-Informationssystem (VIS), das ebenfalls 2007 in Betrieb gehen soll, und mit Eurodac, der Datenbank, in der seit 2003 Fingerabdrücke von Asylsuchenden EU-weit erfasst und verglichen werden. Im November vergangenen Jahres startete Europol sein „Informationssystem“ und komplettierte damit – vorerst zumindest – sein informationstechnisches Instrumentarium. Der Traum von der restlosen Erfassung – Stand und Planung der EU-Informationssysteme weiterlesen

Mehr Befugnisse und weniger Regeln – Eine nette kleine Debatte um „Europols Zukunft“

von Ben Hayes

Die Debatten der EU-Gremien über Europol folgen immer dem gleichen Muster: Weil das Europäische Polizeiamt mehr Befugnisse und einen „flexibleren“ rechtlichen Rahmen erhalten soll, müssen kritische Fragen ignoriert werden.

Im Januar 2002 veröffentlichte Statewatch einen umfangreichen Bericht über die Arbeit und die weitere Entwicklung des Europäischen Polizeiamtes (Europol). Dieser Bericht beleuchtete zum einen die Arbeit des Amtes, hinterfragte dessen Effizienz und kritisierte die fehlende politische und justizielle Kontrolle. Zum anderen be Mehr Befugnisse und weniger Regeln – Eine nette kleine Debatte um „Europols Zukunft“ weiterlesen

Freier Markt für Polizeidaten – Das Prinzip der Verfügbarkeit

von Tony Bunyan

Die EU will die „Hindernisse“ für den grenzüberschreitenden Austausch von Polizeidaten beseitigen. Sie beseitigt damit gleichzeitig die Voraussetzungen des Datenschutzes.

„Mit Wirkung vom 1. Januar 2008 sollte sich der Austausch dieser Informationen nach den für den Grundsatz der Verfügbarkeit geltenden Bedingungen richten.“ So steht es im Haager Programm, dem Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik, den die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, im November 2004 angenommen haben.[1] Dieses Prinzip „bedeutet, dass unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter in einem Mitgliedstaat, der für die Erfüllung seiner Aufgaben Informationen benötigt, diese aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann und dass die Strafverfolgungsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat, die über diese Informationen verfügt, sie – unter Berücksichtigung des Erfordernisses in diesem Staat anhängiger Ermittlungen – für den erklärten Zweck bereitstellt …“. Anders ausgedrückt: Wenn die Polizei eines EU-Staates über Informationen verfügt, muss sie diese auf Anfrage an einen anderen Mitgliedstaat herausrücken. Der polizeiliche Datenaustausch im Rahmen der EU wird damit weitgehend denselben Bedingungen unterstellt, die im nationalen Kontext gelten. Freier Markt für Polizeidaten – Das Prinzip der Verfügbarkeit weiterlesen